Neues Buch des Luzerner Ex-Punkrock-Kindergärtners

«Erfolgreich an Kindern getestet»: Devilles pädagogisches Manifest

Der «furchtlose Pädagoge» Dominic Deville.

(Bild: zvg)

Heute tritt er in Krawatte im Fernsehen auf, früher mit Punk-Shirts vor der Kindergartenklasse. Dominic Deville hat seine pädagogischen Gehversuche in einem Buch veröffentlicht. Hier 15 zentrale Aussagen daraus.

Vom Punkrocker und «Evil Birthday Clown» zum Kindergärtner. Vom Bühnenschreck zum Late-Night-Host – und jetzt also zum Buchautor. Dominic Deville hat schon manche Wandlung hinter sich. Ist aber im Prinzip immer er selbst geblieben.

«Pogo im Kindergarten» heisst sein «erstes und letztes Buch», das dieser Tage erscheint. Wobei: Das stimmt nicht, wenn man sein 2006er-Werk «Die Pandazucht am Nölliturm und andere Luzerner Halbwahrheiten» berücksichtigt. Sagen wir: Es ist sein erstes Buch mit Breitenwirkung.

Deville erzählt darin wie schon in seinen Bühnenprogrammen Anekdoten aus seinem Vorleben als Kindergärtner (alle beruhen auf wahren Ereignissen, auch wenn ihn sein Erinnerungsvermögen angeblich «hin und wieder im Stich lässt»).

Das ist wirklich lustig, weil Deville keine Angst hat, sein eigenes Scheitern genüsslich zu zelebrieren. Und er hat eine Mission: Das Buch soll nichts weniger als das «glühende Manifest der pädagogischen Wahrheit» werden. Es ist süffig geschrieben und immer mit einer Portion Punkrock angereichert. Zudem hat das Buch nützliche Listen, etwa die Top 5 der Turnhallensoundtracks, der besten Bilderbücher oder der grausamsten Grimm-Märchen. Vom Autor «erfolgreich an diversen Kindern getestet».

Wir haben im Buch geblättert und 15 denkwürdige Zitate herausgepickt, die Devilles Anspruch gerecht werden: zu erzählen, wie es wirklich in Kindergärten zugeht.

1. «Kinder sind nicht dankbar. Kinder sind egoistische und egozentrische Wesen.»

… entgegnet Deville einer Freundin, die vom «dankbaren Strahlen in Kinderaugen» spricht.

2. «SIE warten. SIE lauern. SIE sind hungrig.»

Deville im Prolog über Kinder. Und ihre Gier nach Aufmerksamkeit, Unterhaltung und Zuneigung.

3. «Das einzigartige Kind ist eine pädagogische Lüge.»

Deville räumt mit dem «Bullshit» auf, dass jedes Kind einzigartig sei. Er hält diesem Grundsatz sein «Bestiarium des Kindergartens» entgegen. Er unterscheidet vier Archetypen von Kindern: Osim, Aurelia, Kevin und Liselotte.

Hier demonstriert Dominic Deville einen «Kevin»:

 

4. «Je exotischer und ausgefallener der Name des Kindes, desto schlechter die Ausbildung seiner Erzeuger.»

Oder anders gesagt: «Je mehr Savanna-Chayenne, desto mehr Arbeitsagentur.» Autsch!

5. «Der Gedanke an die zu Hause wartenden Eltern ist es, der Adrenalin in den Blutkreislauf des bedauernswerten Erziehers pumpt.»

Was Pädagoge Deville durch den Kopf ging, als auf einmal der Kevin fehlte (die Situation ging gut aus). Auch der Osim ging einmal verloren, da war die Aufregung schon um einiges grösser, aber – Spoiler! – auch diese Situation endete versöhnlich.

6. «Das Kindergartenkind kann es förmlich wittern, wenn du deine Aufsichtspflicht aus energiehaushaltstechnischen Gründen nicht konzentriert wahrnehmen kannst.»

Man kann sich als Kindergärtner nichts erlauben, auch nach einer durchzechten Nacht nicht, meint Deville. Nein, er weiss es.

Buchhinweis

Dominic Deville: «Pogo im Kindergarten. Aus dem Alltag eines furchtlosen Pädagogen», Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018. 336 Seiten. Ab 9. Mai erhältlich.

7. «Ausgezeichnetes Rohmaterial, um meine pädagogische Vision Realität werden zu lassen.»

Rohmaterial meint hier die fünfjährigen Kinder, die er bei seinem Antritt als Kindergärtner vorfand.

8. «In den ersten Wochen verzichtete ich noch darauf, mein geliebtes Sisters-of-Mercy-T-Shirt mit dem ‹Fuck me and marry me young›-Aufdruck zu tragen.»

Deville trat stolz, aber auch etwas demütig seine erste Stelle an. Die von seiner Vorgängerin eingeführten Regeln und Gepflogenheiten warf er schnell über den Haufen, er verfolgte einen «situativen Ansatz». Doch das Konzept des «pädagogisch wertvoll gelebten Anarchismus» scheiterte schnell und spektakulär.

9. «Das Kindergartenkind ist ein unermüdlich tuckernder Motor, ein nie erkaltender Atomreaktor, ein fleischgewordenes Perpetuum mobile.»

Deville hatte am Anfang seiner Kindergärtner-Karriere die Energie der Kinder unterschätzt – und die Nebenwirkungen, die der kräftezehrende Beruf mit sich brachte.

10. «Elternabend. Elterngespräch. Elternaktivität. Elternrat. Elternbrief. Elternbesuchstag. Beinahe pausenlos treffen Eltern und Kindergärtner aufeinander.»

Devilles Einsicht, dass er sich nicht nur um Knirpse, sondern auch um Erziehungsberechtigte kümmern muss. Und dass sich Eltern für Experten halten. «Da ist etwas schiefgelaufen», so der Pädagoge.

11. «Vergleichbar mit einem Hippie, der vorgestern LSD geschluckt hat und sich heute noch nicht ganz sicher ist, ob der Trip bereits vorbei ist.»

Wer ist gemeint? Genau, das Kindergartenkind, das stets zwischen Sein und Schein balanciere.

12. «Verdammt! Du wirst verbluten!»

Der Bühnentechniker zu Deville, der sich eben mit der Kettensäge auf der Bühne das linke Bein malträtiert hat. Das hat mit Kindergarten nur indirekt zu tun, aber die Geschichte ist zu gut, um wahr zu sein. Und sie kommt auch im Buch vor.

Das sah wohl etwa so aus:

 

Recuperation adé..

Ein Beitrag geteilt von Dominic Deville And The Gang (@gangdeville) amFeb 11, 2018 um 9:46 PST


 

13. «War ich ein guter Kindergärtner? War ich überhaupt je Kindergärtner?»

Deville wird im Epilog des Buches philosophisch.

14. «Der Applaus ist das Brot des Künstlers.»

Das Zitat stammt nicht von Kulturminister Reto Wyss (der hat eine leicht veränderte Version davon verwendet). Nein, es steht ebenfalls im Epilog. Als Deville erzählt, dass er sich nach einem Auftritt in die Bar begab, um sich auf die Schultern klopfen zu lassen, obwohl er das «etwas erbärmlich» findet.

15. «Triangel: Schlagzeug der Pädagogik»

Treffende Definition im Glossar. Das Buch hat sogar zwei Glossare: eines für Punks und eins für Pädagogen.

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