Wo die Kirche im Kanton Luzern noch boomt

Er sorgt sich um die Seelen von 40’000 Migranten

Migrantenseelsorger Hans-Peter Bucher (links) mit Don Aloisio Manuel Araujo von der portugiesischen Mission.  (Bild: tmu)

Er liebt es ordentlich, ist gut darin, Strukturen zu schaffen, und er hat eine Menge Ausdauer. Deshalb ist Hans-Peter Bucher der Mann für die Migrantenseelsorge Luzern, die er seit Mai 2016 leitet. Das nötige Wissen über die Kirche hat er sich schon als Bub erworben.  

 

Hans-Peter Bucher erblickte das Licht der Welt als sechstes von zehn Kindern. Er wuchs auf einem Bauernhof in Malters auf, wo er das Leben in all seinen Facetten kennenlernen durfte. Irgendwann reifte in den Köpfen seiner Eltern die Idee, einen ihrer Söhne Pfarrer werden zu lassen. Die Wahl fiel auf Hans-Peter, der fortan seine Schulzeit im katholischen Gymnasium Marienburg in Rheineck verbrachte, welches dazumal von der Steyler Missionsgesellschaft geführt wurde. Wider Erwarten waren seine Lehrer von weltoffener Natur. Sie trugen massgeblich dazu dabei, dass Hans-Peter zum offenen, kultivierten Mann heranwuchs, der er heute ist.

Pech oder himmlische Fügung?

Ein Pfarrer wurde dann trotzdem nicht aus Hans-Peter Bucher. Er fühlte sich zu anderen Dingen berufen und schlug eine Laufbahn als Buchhalter, Verwalter und Controller ein. Seine Karriere verlief glatt. Aufgrund einer Reorganisation der Firma, in der er angestellt war, orientierte er sich im Alter von 55 Jahren neu. «Ich bin über den Synodalverwalter Edi Wigger auf die jetzige Aufgabe gestossen. Ich hatte ihn auf der Luzerner Landeswallfahrt nach Einsiedeln kennengelernt.»

Er begleitet die acht Missionen im Kanton Luzern: Migrantenseelsorger Hans-Peter Bucher.  (Bild: tmu)

Er begleitet die acht Missionen im Kanton Luzern: Migrantenseelsorger Hans-Peter Bucher.  (Bild: tmu)

Ob es nun himmlische Fügung oder einfach nur Pech war, sei dahingestellt. Fest steht, dass die Neuorientierung Hans-Peter Bucher wieder in den Schoss der Kirche zurückführte – nicht als Pfarrer, sondern als Leiter der Migrantenseelsorge Luzern.

Durchschnittlichkeit als Stärke

Acht Missionen im Kanton Luzern

Im Oktober 2004 hatte die Synode, das Parlament der Landeskirche, beschlossen, die anderssprachigen Katholikinnen und Katholiken im Kanton Luzern mittels Missionen eigens zu betreuen. Seit 2005 ist die Migrantenseelsorge in einem eigenen Gesetz geregelt. Die inzwischen acht Missionen im Kanton sind nach Sprachen aufgeteilt und kümmern sich um die seelsorgerischen Bedürfnisse ihrer Mitglieder. Ähnlich wie die katholischen Pfarreien feiern sie Gottesdienste und bieten fast alle übrigen seelsorgerischen Aktivitäten an. Jede Mission wird von einem Priester geleitet, der vom Bischof mit einer Mission beauftragt ist. Es gibt die Albaner-, Polen-, Italiener-, Kroaten-, Portugiesen-, Spanier-, Chinesen- und Franzosen-Mission.

Am Abendweg 1 in Luzern, in einem Büro mit spektakulärer Aussicht auf den Vierwaldstättersee und in die umliegenden Berge, tut der inzwischen 56-Jährige das, was er am besten kann: Strukturen schaffen. Die Organisation habe inzwischen eine Grösse erreicht, die diese erfordern. «Es ist eine sehr vielseitige Aufgabe, die vielseitige Fähigkeiten benötigt, und die habe ich mir dank vielseitiger Interessen über die Jahre hinweg aneignen können.»

So hat nun die Migrantenseelsorge einen Mann an der Spitze, der dafür angestellt wurde, die acht verschiedenen Missionen mit gesamthaft 40’000 Mitgliedern im Kanton Luzern zu verwalten, ihnen organisatorisch unter die Arme zu greifen. «Dazu gehört zum Beispiel die Einführung einheitlicher Computersysteme oder die Regelung diverser Angestelltenverhältnisse», schildert Hans-Peter Bucher seinen Arbeitsalltag. So habe es in Missionen Organisten gegeben, die ihren Lohn aus den Opfergaben bezogen hätten. Da habe es manchmal nicht mehr als ein 20er-Nötli auf die Hand gegeben. Nun würden all diese Arbeitsverhältnisse geklärt und die Mitarbeiter unter einen ordentlichen Anstellungsvertrag genommen.

Von der Geburt bis zum Tode

In den Missionen selber wird das getan, was in unseren Kirchen auch getan wird: die Menschen von der Geburt bis zum Tode kirchlich begleiten. Viele der Missionen haben ihr eigenes Zentrum oder eine Kirche, in denen sie regelmässig Gottesdienste in ihrer Sprache abhalten dürfen. So treffen sich beispielsweise in der St. Peterskirche am Luzerner Kapellplatz Italienerinnen und Italiener zum sonntäglichen Gottesdienst, um gemeinsam zu singen, zu beten und um sich der Heimat ein Stück näher zu fühlen. «Viele Migranten legen Wert darauf, dass die religiöse Erziehung ihrer Kinder in ihrer Muttersprache stattfindet», sagt Bucher. Da in südlichen Ländern die Sitten und Gebräuche noch viel enger mit der Kirche verbunden seien, könne so die eigene Kultur einfacher bewahrt werden, erklärt er.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Missionen stetig wachsen, während bei uns die Schäfchen abtrünnig werden. Sogar die zweite und die dritte Generation der Migranten finden den Weg ins Kirchenschiff oder zumindest auf die Chorempore. Gruppenfotos von strahlenden Jugendlichen in hippen Klamotten zieren die Wände der portugiesischen Mission. «Das ist unser Jugendchor», verkündet Don Aloisio Manuel Araujo stolz. «Wir haben vier davon!»

Migrantenseelsorger Hans-Peter Bucher mit Don Aloisio Manuel Araujo von der portugiesischen Mission.  (Bild: tmu)

Migrantenseelsorger Hans-Peter Bucher mit Don Aloisio Manuel Araujo von der portugiesischen Mission.  (Bild: tmu)

Kapelle, Büro und … die Küche

Stolz ist der Mann auch auf die Ausstattung der Mission. Es gibt diverse Büros und Sitzungszimmer, eine Art Kapelle und natürlich eine Küche. «Bei den Italienern, den Spaniern, den Portugiesen oder den Albanern dreht sich ganz viel ums Essen», sagt Hans-Peter Bucher und lacht. Es gäbe eigentlich keine Begegnung oder Feier, wo dem Essen nicht eine zentrale Rolle zugeteilt würde.

Gleich wie in unseren Kirchgemeinden arbeiten in den Missionen ein Pfarrer, eine Sekretärin und eventuell noch ein Assistent, der sich wie der Pfarrer um die seelsorgerischen Anliegen kümmert. Die Löhne dieser Angestellten werden von der Migrantenseelsorge getragen, welche zum grössten Teil durch die Quellensteuer der im Kanton Luzern wohnenden Katholiken – auch von Menschen mit Migrationshintergrund – bezahlt wird. Für Kosten, die nicht durch die Quellensteuer gedeckt sind, kommen die katholischen Kirchgemeinden auf. Bei regional geführten Missionen beteiligen sich zudem auch die Landeskirchen der Nachbarkantone. Über diese drei Elemente kommen alles in allem rund drei Millionen Franken zusammen. Nun geht es darum, die Gelder sorgsam einzusetzen. Dafür zuständig ist wiederum Hans-Peter Bucher. Er kümmert sich darum, dass alle Missionen gleich behandelt werden. Um dies sicherstellen zu können, erstellt er mit jeder Mission ein Budget, das in regelmässigen Abständen überprüft wird.

An einem Fest im Centro Papa Giovanni der Italiener-Mission in Emmenbrücke.  (Bild: zvg)

An einem Fest im Centro Papa Giovanni der Italiener-Mission in Emmenbrücke.  (Bild: zvg)

Vom Luzerner Marathon bis nach Santiago

Hans-Peter Bucher ist ein religiöser Mensch: Er besucht am Sonntag den Gottesdienst und hat das Pilgern für sich entdeckt. Einmal im Jahr begibt er sich auf die Wallfahrt nach Einsiedeln und erst kürzlich ist er einem beachtlichen Teil des Jakobsweges entlanggewandert. Die nötige Fitness hat er sich durch seine regelmässige Teilnahme am Luzerner Marathon angeeignet. Diesen Oktober lief er seinen zehnten. «Das Laufen ist ein guter Ausgleich für uns Schreibtischtäter», sagt er.

Bevor er sich die Schuhe für den 11. Marathon schnürt, steht noch viel Arbeit an. Diese nimmt 80 Prozent seiner Zeit in Anspruch. Was er mit der restlichen Zeit anstellen möchte, ist noch unklar. «Nachdem ich eine glatte Laufbahn hinter mir habe, bin ich offen für alles», sagt er. Bis dahin werde er sich aber die Zeit mit dem Lernen einer neuen Sprache vertreiben. Italienisch oder Spanisch soll es sein. Welche schliesslich das Rennen machen wird, wird Hans-Peter Bucher vielleicht nach der Messe beim Verzehr einer knusprigen Pizza oder einer leckeren Paella beschliessen.

Die Küche in der spanischen Mission Don José Eusebio Sánchez.  (Bild: tmu)

Die Küche in der spanischen Mission Don José Eusebio Sánchez.  (Bild: tmu)

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