Patentstreit um Luzerner Erfindung

Eine waschechte Seifenoper vor Gericht

Regine Schneider bei der Lancierung des ersten palmölfreien pflanzlichen Waschmittels in Europa.

(Bild: zvg)

Eine Luzerner Seifenherstellerin schafft 2011 den Durchbruch: Endlich gelingt es, Reinigungsmittel aus Sonnenblumen- oder Rapsöl herzustellen. Doch ein grosser deutscher Hersteller verhindert, dass die Erfinder zu ihrem Patent kommen.

Die Seifenherstellung basiert auf Öl. Daraus werden die sogenannten Tenside gewonnen, die den charakteristischen Schaum bilden und für Sauberkeit in WCs, Küchen, auf Böden oder am Körper sorgen.

Konventionelle Seifenproduktion setzt auf Erdöl oder tropische Öle wie Palmöl. Da auch die Gewinnung von Palmöl oder Kokosöl ökologisch umstritten ist, besteht ein grosses Interesse an Alternativen.

Weil die «europäischen» Öle, wie sie etwa aus Raps oder Sonnenblumen gewonnen werden, fragil sind, war man lange der Überzeugung, dass sie nicht zur Seife taugen. Anderer Meinung war Chemikerin Regine Schneider. Sie meint, eine Erfindung gemacht zu haben: 2011 gründete sie die Firma Good Soaps AG. 2013 wurde auf der Grundlage ihrer Rezepte das erste Produkt der Firma Good Soaps AG auf den Markt gebracht, 2018 kam ein Textil-Waschmittel dazu.

Von den Medien für die Innovation gefeiert

Die Firma hat ihren Sitz in Rothenbad im Luzerner Stadtteil Littau. Die Medien feierten: «Luzerner Erfindung: Erstes Waschmittel auf Basis heimischer Pflanzenöle auf dem Markt» oder: «Klimaschutz in der Waschküche – Luzerner Firma entwickelt Waschmittel ohne Palmöl».

«Zuerst behauptet man, ein solches Tensid sei gar nicht möglich und nun will man es plötzlich selbst erfunden haben.»

Remo Richli, Finanzchef von Good Soaps AG

Es scheint klar: Hier wurde eine grosse Erfindung gemacht (zentralplus berichtete). Und dies, nachdem selbst grosse Hersteller nicht daran geglaubt zu haben scheinen, dass aus europäischen Pflanzen wirksame Tenside entstehen. Dazu gehört auch die Firma Werner & Mertz aus Mainz (D) und ihre Marke «Frosch», die in dieser Seifenoper eine wichtige Rolle spielt.

Der deutsche Konkurrent tritt auf den Plan

Die Patentanmeldung erfolgte 2011. Um das Erfinderpatent zu erhalten, ist zu beweisen, dass man etwas Neues gefunden hat und es nicht zufällig entdeckt wurde, sondern dass man gezielt «erfinderisch» vorgegangen ist.

Im Rahmen dieser nicht ganz einfachen Beweisführung kann das Patentbegehren angezweifelt werden. Bis 2018 hat die Firma Werner & Mertz fünfmal eingewendet, dass gar nicht möglich sei, was die Luzerner Firma erfunden zu haben behaupte.

«Das ist ganz normal», kommentiert Remo Richli, Finanzchef der Good Soaps AG. Der Konkurrent aus Deutschland mit seinen 1'000 Mitarbeitern und knapp 500 Millionen Franken Jahresumsatz schien nicht glauben zu wollen, dass einem kleinen Luzerner Unternehmen eine Innovation gelungen war, die viele schon aufgegeben hatten.

Die unmögliche Erfindung war plötzlich schon da

So weit so gut. Laut Richli waren 2018 alle Einwände überwunden und das europäische Patentamt hatte entschieden, das Patent zu erteilen. Das hätte der kleinen Luzerner Firma mit ihren sieben Mitarbeitern den angestrebten europäischen Markt öffnen sollen.

«Wir hätten die Energie lieber in neue Innovationen gesteckt.»

Doch was dann geschah, brachte die Good Soaps AG in arge Nöte: Plötzlich behauptete Werner & Mertz, die Herstellung der ökologischen Produkte bereits selbst erfunden zu haben – Good Soaps AG habe das Patent entwendet. «Zuerst behauptet man, ein solches Reinigungsprodukt sei gar nicht möglich und nun will man es plötzlich selbst erfunden haben», so Richli.

Wer hat was erfunden? Und wenn ja: Wie viele?

Werner & Mertz gab zunächst an, dass von 2009 bis 2011 mehrere Erfinder auf die Herstellung gekommen seien. Später korrigierte die Firma, die das ebenfalls hinsichtlich seiner ökologischen Stärken vermarktete Produkt «Frosch» vertreibt: Es habe nur einen Erfinder gegeben. Laut Richli wurde aber erst 2019 das entsprechende Papier eingereicht, auf dem wiederum mehrere mögliche Erfinder unterzeichnet hatten. Für ihn unausgesprochen ein klares Zeichen, dass hier mit unlauteren Bandagen gekämpft wird.

Dass Werner & Mertz die Patentanmeldung aus Luzern zuerst für unmöglich hielt und – nachdem auch die EU wieder auf Forschung mit europäischen Ölen setzte – dann doch der Erfinder sein will, dahinter vermutet Richli System. «Ich denke, auf diese Weise werden viele echte Innovationen in ganz Europa verhindert.»

Das Patentgericht entscheidet Mitte September

Den Aufwand an Ressourcen, den man als kleines Unternehmen bisher für das Patent aufgewendet habe, sei beträchtlich. «Wir hätten die Energie lieber in neue Innovationen gesteckt», so Richli. Er wünscht sich, dass durch sein Beispiel auch politische Hebel in Bewegung gesetzt werden, um das Gesetz auf europäischer Ebene innovationsfreundlicher zu gestalten.

Aussicht auf Klärung gibt es für das Luzerner Unternehmen nun Mitte September. Das St. Galler Patentgericht soll dann entscheiden, ob es dem Seifen-David aus Luzern oder dem Frosch-Goliath aus Deutschland Glauben schenken will. Richli ist «zuversichtlich», dass diese Seifenoper zugunsten der Luzerner Erfinder ausgeht. Die Verhandlungen sollen innerhalb eines Tages über die Bühne gehen.

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