Zug: Firmen ausgehöhlt, Anleger betrogen

Eine unendliche Geschichte mit lauter Verlierern

So trüb wie das Wetter ist auch die Geschichte, welche das Obergericht Zug (Bild) diese Woche auf Trab hält. (Bild: mbe.)

Diese Woche wird ein verzwickter Fall von Wirtschaftskriminalität am Zuger Obergericht verhandelt. Drei deutsche Geschäftsmänner gründeten Vermögensverwaltungsfirmen in Zug und versprachen Anlegern das Blaue vom Himmel. In Wirklichkeit verjubelten sie deren Geld. Betroffen sind Zuger Kleinanleger und eine Millionärin aus dem Elsass.

Die geschädigte Hauptgeldgeberin P.Z.*, die das Strafverfahren durch eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Zug 2007 ins Rollen brachte, wohnt im Elsass. Doch die Tochter eines verstorbenen Künstlers hat selbst ein Verfahren am Hals, wird sie doch verdächtigt 2014 ihre eigene Mutter erschlagen zu haben.

Im Zuger Verfahren ist sie aber ein Opfer: Die 51-jährige vermögende Lehrerin hat einen Schaden von 1,84 Millionen Franken erlitten. Doch auch viele Kleinanleger aus Zug, anderen Kantonen und aus Deutschland investierten oder liehen den Beschuldigten Geld.

Das Rechtshilfegesuch an Frankreich, in dem die Befragung des Hauptopfers P.Z. verlangt wurde, ist einer der Gründe, warum sich das achtjährige Verfahren noch länger hingezogen hat. Die psychisch angeschlagene Frau gab Auskunft, vor einem Gericht in Mulhouse. Ihre Aussagen seien aber nicht verwertbar, sagen die Verteidiger. Die Beschuldigten seien nicht eingeladen worden, was der Europäischen Menschenrechskommission widerspreche.

Es lockte das grosse Geld

Speziell an diesem komplizierten Verfahren: Es sitzen drei Angeklagte vor Gericht, die aber unterschiedlich beurteilt werden. Einige Gemeinsamkeiten haben sie jedoch: Sie sind um die 50, von Beruf «Kaufmann» und wanderten vor Jahren aus Deutschland ein. Die Tatvorwürfe beziehen sich auf den Zeitraum 2003 bis 2007. Vorgeworfen wird ihnen summarisch gewerbsmässiger Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung, Misswirtschaft und mehrfache Erschleichung einer falschen Beurkundung.

Fast zwei Millionen Franken verloren

Der Prozess vor dem Strafgericht Zug fand 2013 statt. Das Gericht blieb in seinem Urteil bei allen Beschuldigten leicht unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte K.L.* soll danach vier Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. C.D.* erhielt eine bedingte Gefängnisstrafe von 20 Monaten bei einer Probezeit von drei Jahren. Der in Deutschland einschlägig vorbestrafte R.V.* soll fünf Jahre hinter Gitter.
Die Zuger Verteidiger legten Berufung ein und verlangen Freisprüche für ihre Mandanten. Am Donnerstag hat nun der Prozess vor dem Zuger Obergericht begonnen. Der Staatsanwalt hält an den Sanktionen des ersten Urteils fest.

Erfahrungen in Cham gesammelt

Und so begann die Geschichte: Die Hauptbeschuldigten K.L. und R.V. kamen 2003 in die Schweiz. Sie wohnten anfangs in derselben Wohnung in Rotkreuz und arbeiteten bei der HCR AG in Cham in der Vermögensverwaltung. Danach gründeten sie ein eigenes Unternehmen in Cham, um über diese Gesellschaft Vermögensverwaltung für Kunden zu betreiben. Mit wenig Erfolg: 2005 meldete diese Firma Konkurs an.

Alte Firma gekauft

K.L. bezog daraufhin Arbeitslosengeld. Dann kaufte er den Aktienmantel einer bereits seit 1945 bestehenden Firma, der Pionier AG Luzern. Mit Darlehensverträgen gelang es ihm, von verschiedenen Personen Geld für den Um- und Aufbau dieser Firma zur Vermögensgesellschaft zu erlangen.
Sein Kollege R.V., der in Deutschland wegen Vermögensdelikten vorbestraft war, half mit seinen guten Kontakten und seinem überzeugenden Auftreten. Er hielt sich jedoch im Hintergrund und trug offiziell keine Verantwortung. So trieben sie über 850’000 Franken auf, sicherten den Geldgebern Aktien zu, stellten Personal ein, mieteten Räumlichkeiten  Rotkreuz, dann zogen sie nach Inwil um.

Statt das Geld in der Firma zu lassen, tilgten die Chefs der Pionier AG private Schulden.

Bedienten sich am Aktienkapital

Was die Geldgeber nicht wussten: Statt das Geld in der Firma zu lassen, tilgten die obersten Chefs damit private Schulden. Die Frau von R.V. erhielt ein neues Auto gekauft – aus Firmengeld. Lebensversicherungen wurden abgeschlossen und Reisen bezahlt. Ähnlich gingen die Angeklagten mit den 2,8 Millionen Franken um, welche die Pionier AG später bei Anlegern und Darlehensgebern hereinholte. Sie spiegelten dabei falsche Tatsachen vor.

Als die Firma Pionier kurz vor dem Konkurs stand, fragten die Hauptangeklagten den Verkaufsleiter ihrer Firma, C.D.*, ob er als Verwaltungsrat einer neu zu gründenden Firma Verantwortung übernehmen wolle. Er müsse nur seinen (unbescholtenen) Namen dafür geben. C.G. versprach sich einen höheren Lohn und machte mit. Das gleiche Spiel ging so in der Firma Triton AG weiter. Auch dort wurden Anleger angeworben und über das Rückzahlungsrisiko getäuscht.

Falsche Jahresabschlüsse

Zudem wird K.L. als Verwaltungsrat vorgeworfen, durch das Vorenthalten von Belegen und Informationen bewirkt zu haben, dass die Buchhaltung der Pionier AG falsche Jahresabschlüsse erstellte. Mit R.V. und C.D. zusammen soll K.L. zudem 2007 und 2008 bei der Gründung der Triton AG und einer dritten Firma den Notar getäuscht haben: Das Gründungskapital zur Barliberierung stand den Gesellschaften effektiv gar nicht zur Verfügung. Vorgeworden wird dem Trio auch, den Konkurs der Firmen nicht angemeldet zu haben und immer wieder Geldgeber getäuscht zu haben. Dies, in dem sie ihnen die schönen Büros zeigten und sich selbst als vermögend und erfolgreich darstellten.

«Mein Mandant ist in ein perfides Komplott hineingeraten, das er unmöglich durchschauen konnte.»

Der Zuger Anwalt Rainer Riek

Zweitägiger Prozess

Der Berufungsprozess vor Obergericht hat am Donnerstag begonnen und dauert noch bis Freitag. Die Hauptbeschuldigten K.L. und R.V. schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Der Zuger Anwalt Rainer Riek als Verteidiger von K.L. hielt am ersten Tag ein Plädoyer, das geschlagene drei Stunden dauerte, und in dem er über 100 Seiten wörtlich vorlas…

«Der andere ist schuld»

Der Verteidiger hat ausserdem auf Bänder aufgezeichnete Geprächsprotokolle aus der Firma Pionier ausgewertet und versuchte nachzuweisen, dass R.V. der grosse Zampano hinter allem war. Riek meinte, sein Mandant sei missbraucht worden. «Er ist ein ein perfides Komplott hineingeraten, das er unmöglich durchschauen konnte.»

Märchenstunde

Der Verteidiger von R.V., der Zuger Anwalt Martin Neese, entgegnete: «Ich habe ein Hörspiel erwartet, aber eine Märchenstunde bekommen.» Kein Gespräch mit Geldgebern sei unter den Aufnahmen. Die Gespräche seien aus dem Zusammenhang gerissen, teilweise privat und teilweise in ganz anderen Zeiten geführt worden als zur Tatzeit. Neesers Fazit: «Die Behauptung, dass K.L. keine Ahnung hatte, ist falsch.» Zudem suggerierten Neese und sein Klient ein intimes Verhältnis von K.L. mit der Hauptgeldgeberin P.Z.

Doch auch Zauggs Anzeige wurde als Grund genannt, warum die Firmen schliesslich Konkurs gingen. Ansonsten hätte man das Geld zurückzahlen könnte, behauptete K.L. ohne Belege vorzulegen. Oder er schob die Schuld auf die Buchhaltung, die ihren Job nicht richtig gemacht habe.

«Ich habe ein Hörspiel erwartet, aber eine Märchenstunde bekommen.»

Der Zuger Anwalt Martin Neese

Unterschiedliche Taktiken der Angeklagten

Während sich K.L. oft ziemlich bockig und arrogant gab, den Gerichtspräsidenten Paul Kuhn auf bestimmte Fragen aufforderte, doch in seinen Unterlagen nachzuschauen, hatte der vorbestrafte R.V. eine andere Taktik und demonstrierte Reue.
Er gab zu, einen Geldgeber der Firma AOF Handels AG zuerst belogen und getäuscht zu haben. «Ich habe ihm gesagt, dass wir an der Börse gut aufgestellt sind und er Geld machen kann. Daraufhin habe ich aber zugegeben, das das nicht stimmt und mich entschuldigt. Er war dann bereit, mir das Geld für den Aufbau dennoch zur Verfügung zu stellen.»

Edelsteine gefunden

Die Rede war auch von Edelsteinen, die bei einer Hausdurchsuchung beim dritten Angeklagten C.D. gefunden wurde. Dieser behauptete, dass K.L. ihm diese verkauft habe, was dieser aber vehement bestritt. Der dritte Angeklagte R.V. fiel diesem aber in den Rücken und meinte, das stimme genau. Keiner wills also gewesen sein. Oberrichter Paul Kuhns Kommentar: «Hmmm. Dann lassen wir das…»

«Es ist einfach tragisch»

Ein geschädigter Landwirt aus dem Kanton Zug, der den Angeklagten Geld anvertraut hatte und den Grossteil davon verlor, verfolgte den Prozess ebenfalls. Sein Kommentar zum Prozess: «Was soll man da sagen. Es ist eine verzwickte Sache. Von mir aus hat jeder von den drei gewusst, was da lief. Es ist einfach tragisch.»

Tragisch war auch folgende Geschichte: Ein junger mazedonischer Mitarbeiter der Pionier AG überredete die eigene Mutter, Geld anzulegen und liess nicht locker. Die Hausfrau vertraute der Firma, wo ihr Sohn arbeitete, 60’000 Franken an. Auch sie wird ihr Erspartes wohl nie mehr wieder sehen.

Der Prozess geht am Freitag weiter. Er ist öffentlich und beginnt um 9.30 Uhr. Obergericht, Kirchenstrasse 6, Zug.

*Name der Redaktion bekannt.

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