Yvonne Lehmann: Handauflegen und Telebibel

Eine Pionierin der reformierten Kirche Luzern tritt ab

Yvonne Lehmann blickt ruhigeren Zeiten entgegen.

 

(Bild: Caroline Mohnke)

Nie im Leben hat Sozialdiakonin Yvonne Lehmann vor 34 Jahren damit gerechnet, dass sie sich einmal als Synodalrätin verabschieden würde. Nun ist es so weit. Mit ihrer offenen Art initiierte sie neue Ideen wie Handauflegen oder eine Telebibel.

Die grosse Treppe der Lukaskirche liegt im Luzerner Vögeligärtli, einem beliebten Ruhe- und Spielplatz. Während des zweiten Glockenschlags an einem Donnerstagnachmittag trifft zentralplus Yvonne Lehmann, deren Zeit als Diakonin Ende Juni endete, oben vor dem Eingang. Ihre grosse Verbundenheit mit diesem spirituellen Ort ist deutlich spürbar während des Gangs in ruhigere Gefilde. Lehmann beginnt zu erzählen, wie sie zu ihrem Glauben fand.

«Ich bin bei meinen Grosseltern aufgewachsen und sehr fromm erzogen worden», erzählt Lehmann über ihren Werdegang. Bis zu ihrem 16. Lebensjahr sei das so gewesen. Lehmann erinnert sich noch, wie wenn es gestern gewesen wäre, an die biblischen Geschichten der Grossmutter und an die gemeinsamen Nachtgebete. Sie sei immer sehr gerne in die Sonntagsschule und Kinderlehre, auch «Chendulehr» genannt, gegangen. Bis zur Konfirmation war sie mit sich und der Welt im Reinen.

Turbulente Jahre

Nach einer KV-Lehre folgten zehn Jahre auf dem Beruf in verschiedenen Stellen. «In den Jahren zwischen 16 und 28 probierte ich das Leben in allen Etagen aus», sagt die heute 64-Jährige. Das Leben wurde steinig und schien ihr sogar zeitweise sinnlos. Sie rutschte in eine tiefe Lebenskrise. Bis eines Tages die Mormonen vor ihrer Tür standen. Es folgten lange Gespräche und schliesslich fand die damals knapp 30-Jährige zurück zum Glauben.

«Beim Segeln ist es wie im wahren Leben: Alle sitzen im selben Boot.»

Sie trat eine 50-Prozent-Stelle im Lukas-Sekretariat an und hatte ein Ziel: als Katechetin zu arbeiten. «Zu Anfangszeiten bin ich schier vereinsamt», lacht sie. Im Büro hinten in der Ecke war niemand ausser ihr. Ab und an sah sie den Pfarrer. Mit der Zeit lernte sie den kirchlichen Betrieb immer besser kennen und es folgten Aus- und Weiterbildungen.

Holland-Reisen als Höhepunkte

«Ich bin eine Quereinsteigerin. Dazu gehörten eine Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin an der Akademie für Erwachsenenbildung Luzern,  Bibelfernkurse, Theologiekurse, Seelsorgekurse, Meditationslehre und eine kurze Ausbildung für die Predigterlaubnis. So habe ich mein Arbeitsgebiet immer mehr erweitert.»

Zu den unvergesslichen Erlebnissen in all den Jahren gehören die Segellager, die sie geleitet habe, mit den Konfirmanden. Die Reisen führten jeweils nach Holland ans Wattenmeer und ans Ijsselmeer. «Die Konfirmanden waren ab und zu ganz schön sperrig, so wie ich es selber in dem Alter war. Das war eine Herausforderung für mich.» Einer sei einige Zeit nach dem Segellager sogar Matrose geworden. «Beim Segeln ist es wie im wahren Leben: Alle sitzen im selben Boot», schmunzelt Lehmann.

34 Jahre war sie in der Lukaskirche tätig.
34 Jahre war sie in der Lukaskirche tätig.

(Bild: Caroline Mohnke)

Der Anruf vor 10 Jahren, als sie angefragt wurde, ob sie sich als Synodalrätin zur Verfügung stellen wolle, bleibt ihr unvergesslich und raubte ihr gar den Schlaf. Doch heute blickt sie mit einer tiefen Dankbarkeit auf unvergessliche, erfüllte Jahre zurück. Trotz Aktenbergen und unzähligen Abend- und Wochenendeinsätzen und Wochen ohne freie Tage möchte sie diese Zeit und Erfahrungen nicht missen. «Doch je älter ich wurde, desto mehr hat es an mir genagt. Es waren arbeitsreiche und erfüllte Jahre. Ich entdeckte Fähigkeiten an mir, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie habe.»

Lehmann wagte Neues

Yvonne Lehmann wird sich nicht gänzlich von der Lukaskirche verabschieden. Seit sieben Jahren legt sie regelmässig jeden Freitagabend Hand auf und bietet Gespräche an. Zusammen mit der «Handauflege-Gruppe Lukas». «Das Handauflegen gehört zu einer urchristlichen Tradition», sagt sie. Die Türen sind offen für alle, der Empfang herzlich. Manchmal kommen nur zwei, an anderen Tagen über zehn Besucher. Ihre Stimme wird auch weiterhin auf der Luzerner Telebibel zu hören sein, auf der jeden Tag ein neuer kurzer Text aus der Bibel mit einem Kommentar oder Gedanken und Anregungen zu biblischen Texten zu hören ist.

Gab es nie kritische Stimmen? «Wir machen keine Heilversprechen», erklärt sie. Das wöchentliche «Handauflegen und Gespräch» gehöre zu einer Reihe von Angeboten in der reformierten Kirche. «Es ist eine Begleitung der Menschen auf einem kleinen Abschnitt ihres Lebensweges.» Die vielen positiven Rückmeldungen seien ein schönes Zeichen.  

«Ich freue mich auf eine Zeit, wo ich endlich mal wieder ausschlafen oder an ein Konzert gehen kann, ohne Verpflichtungen», sagt Lehmann über ihre anstehende Pension. Sie mag kulturelle Veranstaltungen und liebt Pilgerreisen. «In meinen Ferien habe ich schon viele unternommen» und ihre Augen beginnen zu leuchten, als sie von einer Reise erzählt, wo sie die letzte Etappe von Konstanz nach Santiago gelaufen ist: Tausend Kilometer am Stück.

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