Politiker aus allen Parteien tun sich zusammen

Eine neue Eisenbahnstrecke braucht der Kanton Zug – 1000 Meter könnten viel verändern

Matthias Zoller (links), Jean Luc Mösch und Barbara Gysel erklären anhand von alten Luftaufnahmen, wo der neu-alte Schienenstrang verlaufen soll. (Bild: Andreas Busslinger)

Die Sumpfweiche, welche einst Steinhausen mit Cham auf dem Schienenweg verband, soll nun als zweite Etappe der Zuger Stadtbahn wieder erstehen und nicht nur Zuger Gemeinden einen Nutzen bringen, sondern darüber hinaus das Zürcher Limmattal mit dem Luzerner Rontal vernetzen. Dies zu einem günstigen Preis.

«Wir glauben, dass wir mit der Realisierung von gut 1000 Metern neuen Schienen einen gewaltigen Effekt erzielen können», sagt Manuela Käch, Kantonsrätin (Die Mitte) aus Cham. Zusammen mit Politikerinnen und Politikern aus allen Zuger Parteien steht sie im Sumpf, östlich von der Überbauung Alpenblick in Cham. Symbolisch ist ein Weg durch den wachsenden Schilf ausgesteckt.

Hier könnte dereinst wieder ein Gleis entstehen – wenn es nach dem Willen des neunköpfigen Initiativkomitees aus Cham, Steinhausen und der Stadt Zug geht, welches am Samstag mit dem Sammeln von Unterschriften für eine zweite Etappe der Zuger Stadtbahn beginnen will.

Erste Verbindung von Zürich nach Zug

Bereits von 1864 bis 1970 gab’s hier einen Schienenstrang. Er entstand im Zusammenhang mit der ersten Eisenbahnverbindung, die Zürich mit der Zentralschweiz über die Reppischtalbahn verband. «Ich habe es noch erlebt, dass ab morgens um 3 Uhr Züge vom Säuliamt in Richtung Rotkreuz fuhren», sagt Jean Luc Mösch, Kantonsrat (Die Mitte) aus Cham. Er ist in der Überbauung Alpenblick aufgewachsen. Die Wiederherstellung der Sumpfweiche ist für ihn ein Herzensanliegen. Auch, wenn die alte Streckenführung wegen mittlerweile entstandenen Neubauten in der Städtler Allmend ganz leicht verändert werden müsste.

1967 wird die Überbauung Alpenblick realisiert. Die Schleife über den Sumpf von Cham nach Steinhausen existiert noch. (Bild: Chamapedia)

Heute müssen Reisende aus Rotkreuz und Cham, die in Richtung Knonaueramt fahren möchten, in Zug umsteigen. Von dort aus fährt die S5 über Steinhausen, Affoltern am Albis und Urdorf nach Zürich Altstetten und von dort weiter übers Zürcher Oberland nach Rapperswil und Pfäffikon SZ.

Zug kann mehr Leute befördern als Bus

Umgekehrt muss, wer vom Knonaueramt, von Steinhausen oder Steinhausen-Rigiblick nach Cham, Rotkreuz und weiter in Richtung Luzern pendelt, ebenfalls den Umweg über Zug in Kauf nehmen. «In Rotkreuz soll eine neue Kantonsschule gebaut werden», sagt Andreas Hürlimann Kantonsrat (Alternative – die Grünen) aus Steinhausen. «Eine Direktanbindung wäre hilfreich.» Zumal die direkte Busverbindung von Steinhausen nach Rotkreuz aufgehoben wurde.

Den Initianten geht’s um eine Aufwertung des öffentlichen Verkehrs im Kanton Zug, dessen Bevölkerung ständig wächst. «Ein Bus kann gegen 100 Passagiere befördern, ein Zug je nach Länge vielleicht 1000» sagt Philip C. Bunner SVP-Kantonsrat aus Zug.

Auf dem Gleis am See wirds eng

Andreas Hürlimann gibt zu bedenken, dass es auf der direkten Schienenverbindung zwischen Cham und Zug bereits heute zu Engpässen käme, dass daher die S5 in Steinhausen überlange Haltezeiten einschalten müsse. 2035 kommt der Viertelstundentakt zwischen Luzern und Zürich – dann wird’s noch enger.

In der Nähe der neuen Eisenbahnstrecke liegen grosse Entwicklungsgebiete. Auf Stadtzuger Boden soll auf der Äusseren Lorzenallmend ein ganzes Quartier neu entstehen. Auf Chamer Boden gibt’s eine grosse Brache auf der Städtler Allmend, daneben soll auch der Bau-und-Hobby Markt von Coop neu überbaut werden. Was geplant wird, ist unbekannt. Intensive Recherchen von zentralplus verliefen im Sand. Jedoch wird unter anderem von einem Hotelneubau gemunkelt.

Jean Luc Mösch verweist ausserdem auf die Überbauung des Areals der ehemaligen Papierfabrik in Cham, wo mehrere Tausend Menschen wohnen und arbeiten werden, die teils ebenfalls zu- oder wegpendeln werden.

S5 nach Rotkreuz?

«Allen diesen Leuten neuen Strassenraum zur Verfügung stellen, das können und wollen wir nicht», sagt Matthias Zoller, Präsident der CVP Cham. Mit dem neuen Gleis würde es ausserdem möglich, das Limmattal und das Säuliamt via Rotkreuz mit dem Rontal, Luzern und darüber hinaus dem schnell wachsenden Ballungsraum Sursee zu vernetzen. «Die neue Verbindung von Luzern nach Zürich wäre keine Konkurrenz zum Zimmerberg, sondern eine Entlastung», sagt Zoller.

Die Initianten haben sich weitere Vernetzungsmöglichkeiten überlegt. «Das aargauische Freiamt, welches relativ schlecht erschlossen ist, könnte man über Rotkreuz mit dem Säuliamt verbinden», sagt Philip C. Brunner. Ausserdem bestünde die Möglichkeit, die S5 in Affoltern am Albis zu teilen, und einen Teil des Zuges wie bisher nach Zug zu schicken, den andern nach Rotkreuz.

Regierung soll Lösung erarbeiten

Die konkreten Umstände wollen die Initianten indes der Zuger Regierung und den SBB überlassen. Die Initiative zielt nur auf die Verpflichtung ab, dass der Kanton Zug die Lücke im Schienennetz schliesst. Dennoch haben sich die Initianten Gedanken über die Kosten gemacht – denn das sind immer mögliche Killerargumente für Grossprojekte.

SBB-Planer würden mit 10 bis 20 Millionen Franken für den Gleisbau rechnen, sagt Jean Luc Mösch. Dazu käme aber ein nötiger Ausbau des Bahnhofes Rigiblick, der längere Perrrons brauche und die Überquerung der Kantonsstrasse Cham-Zug. «Ich schätze dass die kompletten Dienstleistungen auf der Strecke für 100 Millionen Franken angeboten werden könnten», sagt Mösch. Das wäre ein Bruchteil dessen, was die Tangente Zug/Baar oder die Umfahrung Cham/Hünenberg kosten.

Streuwiese mit archäologischem Potenzial

Das Land, welches das neue Gleis am alten Ort in Anspruch nehmen würde, gehört der Korporation Zug. Es ist kein Naturschutzgebiet, sondern als Sumpf ausgewiesen. Der wird selten gemäht und das Heu kann nur als Streu verwendet werden. Die Korporation Zug ist bekannt dafür, Hand zu bieten für Projekte, die dem Gemeinwohl dienen.

Ein Verzögerungsfaktor wäre indes der Bodenschatz, der im Sumpf verborgen liegt. Das Gelände war früher Seeufer und diente den Menschen der Jungsteinzeit und danach als Siedlungsplatz. Ein bekannter Fundort im Sumpf ist Teil des Unesco-Welterbes «Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen». Der Sumpf ist nicht vollständig prospektiert und verspricht archäologische Überraschungen, die vor dem Gleisbau ergraben werden müssten.

2000 Unterschriften sind nötig

Die Initianten sind guter Dinge, dass sie die für die Gesetzesinitiative erforderlichen 2000 Unterschriften zusammenbringen können. «Dass es sich um eine überparteiliche und übergemeindliche Initiative handelt, ist bemerkenswert», sagt Barbara Gysel (SP), Kantonsrätin aus Zug.

Allerdings muss die Initiative später noch die Mehrheit der Stimmberechtigten überzeugen. Daher lohnt sich ein Blick zurück. Die Stadtbahn Zug wurde 2004 fertiggestellt. Nachdem das Projekt der S-Bahn Zentralschweiz nicht recht vorangekommen war, waren die Zuger vorgeprellt und hatten ihr Teilprojekt auf eigene Faust verwirklicht.

Nicht alle Ideen umsetzbar

Ursprünglich gab’s auch noch andere Ideen, als die 2004 im Rahmen der Stadtbahn Zug verwirklichten. «Es war einmal angedacht, eine Linie von Zug über Steinhausen nach Cham zu bauen», erinnert sich Andreas Hürlimann. «Heute könnte man sie wohl nicht mehr realisieren», sagt er. «Auch würde sie viel mehr zu bauende Schienenkilometer voraussetzen als die zweite Etappe der Stadtbahn, für die wir werben.»

Das Initiativkomitee für den Ausbau der Stadtbahn: Jean Luc Mösch (Die Mitte, links), Andreas Hürlimann (ALG), Matthias Zoller (CVP Cham), Philip C. Brunner (SVP), Claus Soltermann (Grünliberale), Manuela Käch (Die Mitte), Barbara Gysel (SP) und Mariano Giddey (FDP). Es fehlt auf dem Bild: Mario Reinschmidt (FDP). (Bild: Andreas Busslinger)

Eine weitere Idee, die periodisch auftauchte war, eine Stichstrecke nach Hünenberg Dorf und womöglich weiter nach Sins zu bauen. Angesichts der hohen Baukosten und der vergleichsweise geringen dadurch erschlossenen Bevölkerung hatte sie jedoch nie den Hauch einer Chance, verwirklicht zu werden.

Volk soll Parlament korrigieren

Das Anliegen der Initianten, mit der Sumpfweiche die direkte Verbindung von Zug-West nach Steinhausen und ins Knonauer Amt zu öffnen, ist ohne Zweifel die günstigste und realistischste. Aber auch sie ist schon mal gescheitert – im Parlament. 2018 wurde ein Postulat von Mösch und 14 mitunterzeichnenden Abgeordneten im Kantonsrat als nicht erheblich erklärt.

Die Regierung hatte sich nur mässig begeistert gezeigt und meinte, die Zeitersparnis für Reisende von 5 bis 10 Minuten sei angesichts der Investitionen von 50 bis 80 Millionen Franken eher gering (zentralplus berichtete). Der Kanton Zürich fand, es gebe auch so genügend Verbindungen in Richtung Luzern. Der Kanton Luzern seinerseits verwies auf die limitierte Kapazität des Kopfbahnhofs Luzern. Beide Nachbarn wollten damals nichts zur Finanzierung beitragen.

Die Initianten glauben, dass die Idee vor dem Zuger Volk mehr Gehör findet. Mösch gibt zu bedenken, dass insbesondere vom Bund substantielle finanzielle Unterstützung zu erwarten ist.

Mögliche Trasse im Sumpf. (Bild Andreas Busslinger)
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Thomas Bollhalder
    Thomas Bollhalder, 10.06.2021, 10:18 Uhr

    Für Pendler wäre eine Direktverbindung mit einem Regioexpress Luzern (-Ebikon) – Rotkreuz – Cham – Säuliamt – Zürich Altstetten – Zürich Hardbrücke – Zürich HB oder von Altstetten direkt nach Oerlikon sicherlich eine spannende Alternative, welche das Umsteigen im HB erübrigen würde. Die Reisezeit wäre wohl ebenfalls etwas kürzer oder zumindest nicht merklich länger und die Hauptlinie würde entlastet..

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  • Profilfoto von Jörg
    Jörg, 10.06.2021, 07:40 Uhr

    heute Baut man Tunnel, man hätte schon viel Früher bessere Strecken bauen können ,dort vor Cham wo der golf platz ist von root gerade aus direkt via Cham ,Zug ,Steinhausen hat kein Vorrang zuerst soll endlich der Geplante Zimeregg Tunnel Y variante ausgebaut werden ,

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