«Carmen» Theater Casino Zug

Eine magische, aber nicht weniger eloquente Form eines Balletts

Die gelungene Produktion des Theaters Basel wurde im Casino Zug aufgeführt. (Bild: Lucian Hunziker)

Eine sehr gelungene Produktion des Theaters Basel übersetzt den Stoff der Novelle von Prosper Mérimée in die Form eines Balletts. Am Freitagabend bedankten sich die Besucher des Theaters Casino Zug bei allen Beteiligten mit sehr herzlichem, langanhaltendem Applaus und Jubelrufen.   

Der schwedische Choreograph Johan Inger (dessen dramaturgisch imposantes Ballett «Peer Gynt» für das Theater Basel 2017 ein grosser Erfolg wurde) bringt ein abendfüllendes «Carmen»-Ballett auf die Bühne.

In diesem geht es um viel mehr als nur um Carmen. Es geht in der Tat auch um Gewalt, um deren Ursachen, Motivationen und Konsequenzen, um erlebte Traumata, Suche nach Freiheit, Leidenschaft, Liebe und Eifersucht. Aber insbesondere geht es hier um Don José, der von der verführerischen, erotischen und schönen, aber auch sehr starken und eigenständigen Carmen besessen ist.

Carmen? Nicht eher Don José?

In diesem Ballett steht also nicht Carmen im Mittelpunkt, sondern Don José und sein Liebeskummer. Max Zachrisson in dieser Rolle tanzen zu sehen, war ein fantastisches Erlebnis: er begeisterte mit einer sicheren Technik, aber besonders mit seiner ausdrucksreichen und grossartigen Empathie.

Er demonstriert von Anfang an Don Josés Unfähigkeit, Carmens Freiheitsdrang zu ertragen oder auch nur zu verstehen. Mit seinem tänzerischen Können, mit jedem Schritt, jeder Körperbewegung drückte Zachrisson Don Josés Unbeherrschtheit und Zerrissenheit aus. Wie er von blinder Leidenschaft getrieben wird, und was in seinem Kopf und in seinem Herzen vorgeht.

Rachegedanken vor allem, die ihn, schon am Ende des 1. Akts zum Mord treiben werden: anders als in Bizets Oper und in Merimées Carmen-Novelle, wird Don José den Rivalen Zuniga (Piran Scott, hier etwas blass) erschiessen.

Aber Zachrisson zeigt sein unglaubliches Einfühlungsvermögen vor allem am Schluss, als er, nunmehr im Wahn der Eifersucht gefangen, seine treulose «Carmen adorée» ersticht, die ihn mit dem narzisstischen Stierkämpfer (Javier Rodriguez Cobos, perfekt in der Rolle) betrog.  

Die eigensinnige Carmen

Die Rolle von Carmen wurde am Freitag in Zug mit präziser Tanzkunst sowie mit Intensität und überzeugender, natürlicher Eigenständigkeit von Debora Maiques Marin getanzt. Einer Künstlerin mit enormer Bühnenpräsenz – nicht nur weil sie hier die einzige in rotem Kostüm war – sowie Körpersprache und solider Technik. Sie war immer imstande, das Publikum Carmens grosses Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Freiheit spüren zu lassen.

Aus der Sicht eines Kindes

Im Ballett von Johan Inger gibt es einen Beobachter, ein Kind. Am Anfang in weisser, später, nach dem ersten Mord, in schwarzer Kleidung. Eine andere Annäherung an die Ereignisse; die Sichtweise einer Figur, die uns hilft, alles, was passiert, mit unschuldigem, freiem Blick zu beobachten.

Anscheinend das Kind, das früher Don José oder sogar wir alle waren. Oder vielleicht ein Kind, das auch Gewalt erlebt hat. Alba Carbonell Castillo ist hier grossartig und überzeugt auf der ganzen Linie. Rührend auch, als es eine Puppe mit rotem Kleidchen in Stücke zerreisst.

Die schwarzen Todesboten aus der Geisterwelt

Schwarze, unheimliche Figuren erscheinen ab und zu auf der Bühne. Welche Rolle spielen denn diese Figuren? Don Josés Gewissen, die Rolle eines Chors, der wie in den alten Tragödien kommentiert und mahnt? Oder sind es eher Todesboten?

Der Tod ist ja auch im Carmen-Ballett omnipräsent. Auf jedem Fall ein wichtiger dramaturgischer Coup des Choreographen, der dank der Tanzkunst der Mitglieder des Basler Balletts sehr ausdrucksstark wirkt. Ein Lob, das alle anderen Tänzerinnen und Tänzer – Fabrikarbeiterinnen, vier junge Männer, Wärter – zweifellos auch verdienen.

Die Musik zum Carmen-Ballett

Auch die Musik zum Carmen-Ballett verdient ein paar Worte, obwohl sie im Theater Casino ab Band zu hören war. Man erkannte schon am Anfang Bizets berühmte Carmen-Prélude; andere bekannte Stellen und Motive der Oper folgten, wenn auch umkomponiert.

Zum eindrucksvollen Arrangement von Bizets Musik durch Rodion K. Schtschedrin – Ehegatte von Maja Plissetskaja, der berühmten Primaballerina des Bolschoi Theaters – 1965 komponiert, wurden Marc Alvarez’ Eigenkompositionen beigefügt. Die Musik für Streicher und Perkussionen trug viel zur spannenden, sehr dramatischen Atmosphäre dieses Balletts bei.

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