Keine Chance im Zuger Kantonsrat

Eine halbe Stunde, um alle Vorstösse von Spiess-Hegglin abzuschiessen

Jolanda Spiess-Hegglin: die Affäre hat sie ihre Polit-Kakrriere gekostet.

(Bild: Screenshot SRF)

Cannabis-Legalisierung, kantonales Wahlrecht für Ausländer, Stimmrechtsalter ab 14 und vieles mehr: 12 Motionen und drei Postulate hat Jolanda Spiess-Hegglin im Dezember im Zuger Kantonsrat deponiert, bevor sie aus dem Parlament zurückgetreten ist. Nun zeigt sich: Das Vorstoss-Bombardement ist schon verpufft.

«Klar kommen im Rat Emotionen auf, wenn Jolanda Spiess-Hegglin einen Vorstoss einreicht», sagt Daniel Stadlin von den Grünliberalen. «Aber wir haben uns ihre Motionen und Postulate ganz nüchtern angeschaut.» Und trotzdem lehnt die GLP die meisten ab.

Kein einziger Vorstoss findet Gnade

Noch eindeutiger sieht es bei den grossen bürgerlichen Parteien aus. Man werde keine der Motionen oder Postulate überweisen, sagen sowohl CVP-Fraktionschef Andreas Hausheer, SVP-Fraktionschef Manuel Brandenberg und Florian Weber, der Anführer der Freisinnigen im Kantonsparlament. Man habe jeden einzelnen Vorstoss Spiess-Hegglins beraten und darüber abgestimmt, aber für keinen habe sich in der Fraktion eine Mehrheit für die Überweisung an den Regierungsrat ergeben, heisst es bei allen dreien.

«Klar kommen im Rat Emotionen auf, wenn Jolanda Spiess-Hegglin einen Vorstoss einreicht.»

Daniel Stadlin, Fraktionschef GLP

Damit ist der Mist geführt, bevor die Vorstösse überhaupt im Kantonsrat sind: Damit ein Antrag auf Nichtüberweisung durchkommt, ist eine Zweidrittelsmehrheit nötig. Zusammen stellen diese Partien aber ungefähr drei Viertel aller Parlamentarier. Es zeichnet sich ab, dass kein einziger der 15 Vorstösse von Jolanda Spiess-Hegglin überwiesen wird. Ihre Unterstützer stehen von vornherein auf verlorenem Posten.

Linke: Gegen Überweisung spricht nichts

«Zmittag gibt’s erst nachher»

Die Überweisung von 16 Vorstössen – 12 Motionen und 3 Postulaten von Jolanda Spiess-Hegglin sowie einer Motion von drei Menzinger Kantonsräten zur dortigen Ortsdurchfahrt – ist am Donnerstag auf 11.45 Uhr angesetzt. Eingeplant ist dafür laut Landschreiber Tobias Moser eine halbe Stunde. «Vorher gibt’s kein Zmittag», meint er. Zumindest sei das so gedacht. «Wir rechnen mit vielen Anträgen dazu», gibt er zu. Vielleicht läuft das Versenken der 15 Vorstösse von Jolanda Spiess-Hegglin nicht so flott wie vorhergesehen.

Es ist dies die SP, die «gemäss ihrer liberalen Überweisungspraxis» allen Motionen zustimmen will, wie Parteipräsidentin Barbara Gysel auf Anfrage sagt. «Selbstverständlich beurteilen wir die Motionen und Postulate unterschiedlich punkto Inhalt und Relevanz», sagt sie, aber das spreche nicht gegen deren Weiterleitung an die Regierung.

Auch Spiess-Hegglins frühere Partei «Alternative – die Grünen» ist grundsätzlich für die Überweisung der Vorstösse ihrer einstigen Kronprinzessin. Über den Inhalt der Vorstösse äussert sich Co-Präsident Andreas Lustenberger vorsichtig: «Für gewisse Vorstösse von Frau Spiess – wie etwa die Cannabislegalisierung, die Senkung des Stimmrechtsalters oder ein kommunales Ausländerstimmrecht – haben wir durchaus Sympathien.»

«Rotes Tuch» wird geblockt

Was sagt Jolanda Spiess-Hegglin zum drohenden Aus ihrer 15 Vorstösse? «Dieses Spiel kennen wir», sagt Jolanda Spiess-Hegglin, «es gehört in Zug dazu.» Wann immer ein Anliegen aus ihrer Feder komme, werde es im Zuger Kantonsrat abgeblockt, auch wenn es sich um etwas Naheliegendes wie etwa eine administrative Anpassung handle.

Sie habe gehofft, dass ihre Vorstösse für einmal um der Sache Willen diskutiert würden. «Dazu gibt es ja Gelegenheit, ohne dass das rote Tuch anwesend ist», sagt sie und meint mit dem roten Tuch sich selbst.

Alles kommt aus der Küche der Piraten

Ihre 15 Motionen und Petitionen sind eine Häufung von Anliegen der Piratenpartei. Diese war ausser mit Spiess-Hegglin nicht im Rat vertreten. «Es war für mich klar, dass ich mit dem Wechsel zu den Piraten auch deren Programmatik vertrete», sagt die frühere Präsidentin der Grünen, «auch wenn ich vielleicht nicht im gleichen Mass ein Digital Native bin wie die anderen in unserer Partei.» Die Vorstösse seien indes an den Stammtischen der Piraten beraten und auch basisdemokratisch abgestimmt worden.

«Die Vorstösse sind zu knapp und unzureichend begründet.»

Florian Weber, Fraktionschef FDP

Inhaltlich geht es um einen bunten Strauss von Vorschlägen. Darunter sind grosse Würfe wie die geforderte Zuger Standesinitiative zur Legalisierung von Cannabis – ein typisches Piraten-Anliegen. Und kühne Ideen wie die Abschaffung der Kirchensteuer oder die Einführung des Stimm- und Wahlrechts ab 14 auf Gemeindeebene. Ausserdem möchte Spiess-Hegglin öffentliche Regierungsratssitzungen und ein kantonales Verfassungsgericht – und dies, obwohl es nicht einmal auf Bundesebene ein solches gibt.

Info-App und mehr E-Mails

Einige Motionen zielen darauf ab, Vorentscheidungen aus den Kommissionen, in denen nur Parteien in Fraktionsstärke, nicht aber die Piraten vertreten waren, ins Plenum des Kantonsrats zu verlegen.

 

Daneben gibt es auch mehrere einfache und praktische Vorschläge wie etwa die Idee, dass Gerichte und Strafverfolger Entscheide leichter elektronisch zustellen können, oder der Vorschlag, für Junge eine App mit Chat-Funktion zu schaffen, die als Informations-Hotline des Kantons und der Gemeinden dienen kann.

Bürgerliche bleiben cool

«Mit der Tatsache, dass von all diesen 15 Vorschlägen wohl nicht ein einziger überwiesen wird, zeigt der Zuger Kantonsrat wieder mal sein Gesicht», sagt Spiess-Hegglin. «Er zeigt, dass es nicht um die Sache geht, sondern auf die Person gespielt wird.»

«Es handelt sich hier um ein ganz normales Überweisungsprozedere», setzt Manuel Brandenberg von der SVP dagegen. «Es besteht kein Grund für ein Spezialverfahren.» CVP-Fraktionschef Andreas Hausheer ist kein weiterer Kommentar zur Sache zu entlocken, während Florian Weber von der FDP kritisiert, die Vorstösse seien zu knapp und unzureichend begründet – was auch Daniel Stadlin von der GLP findet.

«Es geht nicht um die Sache, sondern es wird auf die Person gespielt.»

Jolanda Spiess-Hegglin, Ex-Kantonsrätin Piratenpartei

«Eine herzige Begründung», sagt dazu Spiess-Hegglin. Sie hätte jeweils das ganze Argumentarium der Piratenpartei anfügen können, aber bewusst darauf verzichtet. «Der Kantonsrat sollte vorurteilsfrei beraten und selbst die Inhalte diskutieren», meint sie.

Spiess-Hegglin muss keine Rücksicht nehmen

Auch wenn sich abzeichnet, dass Spiess-Hegglins letzte Intervention im Kantonsrat auf der ganzen Linie abgeblockt wird, könnte es im Rat zu einer interessanten Beratung kommen. Die Piratin hat nämlich von ihrer Narrenfreiheit als abtretende Parlamentarierin ohne weitere politische Ambitionen Gebrauch gemacht und teilweise recht radikal formuliert.

So ist es zwar seit Jahren ein offenes Geheimnis, dass die Kirchensteuer bei Linken und vielen Freisinnigen keine Freunde findet, aber einfach mal so die totale Abschaffung zu fordern, hat noch niemand gewagt. «Wer mit einem National- oder Ständeratssitz liebäugelt, ist auf christliche Stimmen angewiesen», sagt Spiess-Hegglin. Sie sei von diesen Zwängen befreit und nun «sehr gespannt drauf, was die CVP-Vertreter dazu sagen».

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