Pony M. las in der Chollerhalle Zug

Eine Einführung ins «Meitlitum»

Yonni Meyer alias Pony M. las am Freitag in der ausverkauften Zuger Chollerhalle.

(Bild: zVg)

Yonni Meyer besuchte mit ihrem neuen Buch «1982» die ausverkaufte Chollerhalle Zug. Wir waren zwar dabei, aber konnten nicht immer ganz folgen.

Es ist Freitagabend, und schon eine halbe Stunde vor Beginn sind fast alle Stühle in der Chollerhalle mit Jacken behängt. Kein Wunder, die Lesung von Yonni Meyer alias Pony M. ist ausverkauft. Knapp 400 Besucherinnen und ein paar vereinzelte Besucher, und alle gespannt, was der Abend bringen würde.

«D’Männerquote hüt Aabig isch rächt höch», lacht Meyer ins Mikofon zum Erstaunen der Anwesenden. «Für d’Männer: De hütig Aabig isch so was wie en Migros-Klubschuel-Iifüerig is Meitlitum. Ich weiss ier hend müesse mitcho, aso profitiered!» Und tatsächlich drehen sich die ausgewählten Geschichten aus «1982» vorallem um das Frau-Sein – konkreter: um das Mitte-dreissig-kinderlose-Singlefrau-Sein.

Die moderne Single-Frau

Angefangen mit, wie sich beste Freundinnen jeglichen Alters über eine verflossene Liebe hinwegtrösten, über die biologische Uhr, welche beim Anblick eines herzig gekleideten Buben plötzlich zu ticken anfängt, bis zum untalentierten Flirtverhalten beschreibt Meyer das Leben eines modernen weiblichen Archetypen: Ein bisschen nerdig, gut ausgebildet, aber nicht karrieregeil, tollpatschig, aber liebeswürdig, hübsch zurechtgemacht, aber nicht übertrieben durchgestylt. Eine Prise Sarkasmus versteckt hinter dem Über-sich-selber-Spotten. Kurzum der Typ Frau, mit dem sich die Besucherinnen identifizieren können.

«De hütig Aabig isch so was wie en Migros-Klubschuel-Iifüerig is Meitlitum.»

Yonni Meyer zu den anwesende Männern.

Oft unterbricht sie die hochdeutschen Texte aus dem Buch, um auf Schweizerdeutsch dem eben Gesagten Nachdruck zu verleihen. «Falls de Casio-Uhr-Maa da isch hüt Aabig: Sorry, d Frischt isch verschtriche, die bhalti!», ruft sie in den Raum als Kommentar zur Aussage, dass sie nach dem Ausgang mit eben besagter Uhr aufgewacht sei und bis heute nicht weiss, wie sie zu ebendieser gekommen ist.

Freude an Klischees

Die Texte scheinen direkt Meyers Alltag in Zürich zu entspringen. So erzählt sie von den «Sodom und Gomorrah»-Zuständen am Samstagnachmittag in der Migros am Limmatplatz, wo sich bünzlige Hausfrauen um die Gemüsewaagen streiten und junge, fesche Studentinnen am Eingang versuchen, Unterschriften zu sammeln, von der alkoholgetränkten Ehrlichkeit und einer live-getickerten Facebook-Lovestory (ohne Love) im Ausgang, missglückten Flirts an der Bar und der schon wieder vergessenen Kartonsammlung.

Es ist der Typ Geschichte, der sich bestens für einen Weinabend am Küchentisch eignet, Geschichten, die nicht immer unbedingt so passiert sein müssen, durch ihre Bedienung der gesellschaftlich anerkannten Klischees aber genug Glaubhaftigkeit innehaben, dass deren Wahrheitsgehalt nicht ausschlaggebend ist.

Das schwierige Lustig-Sein

Man muss Meyer zugute halten, dass sie es schaffte, der ausverkauften Chollerhalle Mal für Mal ein Lachen zu entlocken; sie kommunizierte mit dem Publikum und ging auch mal auf Zwischenrufe ein. Ich und meine Plus-zwei konnten als kulturaffine Noch-nicht-ganz-Dreissiger mit den Inhalten der vorgelesenen Geschichten herzlich wenig anfangen.

Die Retrospektiven in die Neunziger, die wir zwar gesehen, aber als Primarschüler auf dem Spielplatz erlebt haben, riefen bei uns nicht die gleichen Gefühle hervor, wie bei den schon ein bisschen älteren Besucherinnen. Die Texte, die im Original als Online-Content auf «Watson» erschienen sind, entsprechen mit ihrer Kürze natürlich dem Leseverhalten der Internet-User. Draufgeklickt, schnell gelesen, gut ersichtliche Pointe, Fenster wieder geschlossen, sodass uns, die knapp am Zielalter vorbeischrammen, oft die nötigen Ausschmückungen fehlten, die eine Identifizierung zugelassen hätten.

«Wir verlassen die Chollerhalle mit der Einsicht, dass Comedy nicht nur Geschmacksache, sondern manchmal auch eine Frage des Alters ist.»

Die Rezensentin

Zwei Plätze neben uns sass dagegen eine Dame, die ein paar Jährchen zu alt war, und darum von ihrer Begleiterin die Anspielungen auf die heutige digitale Welt erklärt bekam. Bei ihrem Zielpublikum, den (gefühlten) Mittdreissigerinnen, traf Yonni aber ganz klar den Nerv.

Eine Bekannte, die uns nach der Lesung über den Weg lief, erzählte, dass sie mit einer Freundin da sei und dass sie sich kugelig lachten: «Wenn man mal die Dreissig erreicht hat, werden diese Themen eben schon aktuell, die ewigen Fragen, wann es Nachwuchs gibt, der Spagat zwischen Gutbürgerlichkeit und Abenteuerlust, die Erinnerungen an die Jugendzeit mit all den peinlichen Mode-Fauxpas.» Wir glauben ihr das gerne und verlassen die Chollerhalle mit der Einsicht, dass Comedy nicht nur Geschmacksache, sondern manchmal auch eine Frage des Alters ist.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon