Analyse zur Carpolitik in Luzern

Ein Schritt zurück ist noch lange keine Strategie

Wie viele Touristen? Und welche? Wohin mit den Cars? In der Politik ist die Zeit der grossen Fragen angebrochen.

(Bild: Aura)

Was bringen weitere Gesprächsrunden, wenn schon alles gesagt ist? In der Luzerner Carpolitik wäre Pragmatismus statt Partizipation gefragt. Und endlich klare Entscheide.

Als weisses Papier bezeichnete Roland Koch den anstehenden Strategieprozess diesen Montag. Was der Bereichsleiter Mobilität der Stadt Luzern darauf skizzierte: klare Gedanken, tiefe Analysen, sinnvolle Lösungen, breiter Konsens.

Man macht jetzt Tabula rasa in der Luzerner Carpolitik, ordnet die Gedanken neu und will sich Zeit lassen für einen Kompromiss. Erst später, in ein paar Jahren vielleicht, kommen mögliche Lösungen ins Spiel (zentralplus berichtete).

Stadträtin Franziska Bitzi glaubt, dass ohne Deadlines und Zeitdruck mehr möglich ist. Die bisherige Carpolitik war tatsächlich kein politisches Ruhmesblatt, statt Diskussionen gab’s Vorwürfe der Gesprächsverweigerung.

Wieso soll dies auf einmal möglich sein? «Getrieben von Initiativen», sei die bisherige Diskussion gewesen, so Stadträtin Franziska Bitzi. «Die nötigen Überlegungen und Strategieprozesse konnten nie stattfinden. Nun hat das Parlament uns diese Zeit gegeben», sagt sie.

Die Zeit der grossen Fragen

Man will also alle bisherigen Ideen für die Cars nochmals auf den Tisch legen und gleichwertig behandeln. Vier Lösungen liegen vor, vielleicht schält sich auch noch eine neue heraus:

  1. Parkhaus Musegg im Musegghügel mit Platz für 36 Cars und 600 Autos. Denkbar wäre auch eine Variante als reines Carparkhaus. Die Initiative ist hängig, wahrscheinlich wird sie zugunsten der weiteren Diskussion zurückgezogen.
  2. Ein reines Car-Parking unter dem Schweizerhofquai mit Platz für 37 Cars.
  3. Ein Parking am Stadtrand im Gebiet Ibach mit einer Metroverbindung an den Schwanenplatz. Auch dazu kam eine Initiative zustande, sie ist noch hängig.
  4. Ein Car-Terminal auf der Allmend mit S-Bahn-Verbindung in die Innenstadt. Ein Testlauf für diese Idee wurde im Bericht des Stadtrates favorisiert, aber vom Parlament verworfen.

Wenn man schon bei den grossen Fragen ist, will man auch noch jene zum Tourismus der Zukunft behandeln: Welchen Tourismus will Luzern überhaupt? Wie viel ist zu viel und wie kann man die Massen besser steuern?

Das sind zweifellos alles wichtige und richtige Fragen. Aber die Devise «Alles kann, nichts muss» ist zugleich leidlich unkonkret und wenig visionär, sodass niemand etwas dagegen haben kann.

Keine endgültige Lösung

Der Stadtrat kann es einigermassen entspannt angehen: Er hatte vergangenes Jahr seine favorisierte Stossrichtung vorgegeben: Ein Car-Terminal auf der Allmend mit einer schnellen S-Bahn-Verbindung ins Zentrum. Aber für einen Testbetrieb war das Parlament nicht zu haben – das könnte sich nun als Fehler herausstellen: Anstatt dass man vorwärtsmacht, Erfahrungen und Daten sammelt und gestützt darauf entscheidet, geht’s zurück.

Eine Mehrheit der Parteien will anscheinend grundsätzlich unter Einbezug von allem und der Ausschliessung von nichts diskutieren. Man könnte meinen, es gelte die endgültige Lösung für die Ewigkeit zu finden. Dabei geht’s um ein paar Dutzend neue Carparkplätze in den nächsten Jahren. Da wäre mehr Pragmatismus und weniger Partizipation vielleicht ganz hilfreich.

Wer glaubt ernsthaft, dass in ein paar Jahren die Ausgangslage eine völlig andere ist?

Vielleicht kommt man dereinst zum Schluss, dass teure Betonhallen für die Gefährte überholt sind im Zeitalter von Digitalisierung und selbstfahrenden Bolliden. Oder aber es braucht zwingend ein Parkhaus für Cars, dafür gibt’s begrünte Plätze für die Bevölkerung. Zu dieser Erkenntnis käme man eher mit Testläufen und Versuchen als mit leeren Blättern.

Der Stadtrat fokussiert derweil auf das kurzfristig Machbare: Eine Navigations-App für Chauffeure, Ersatz für die Parkplätze auf dem Inseli, bessere Infrastruktur an den jetzigen Haltestellen … – für all dies hat er baldige Lösungen in Aussicht gestellt.

Volksentscheid wäre zu begrüssen

Die Bevölkerung hat sich erst einmal zum Thema geäussert: Sie will die Cars weg vom Inseli haben. Dass es jetzt auf Jahre hinaus keine Volksabstimmung darüber geben wird, wie es mit den Cars weitergeht, ist ebenso bedauerlich und mutlos. Ein Richtungsentscheid, ein Verdikt der Bevölkerung, wäre in dieser Frage zu begrüssen. Denn die Angst vor falschen Schritten und politischen Niederlagen lähmt die Debatte, beim Stadtrat ebenso wie im Parlament.

Es wäre jetzt an der Zeit, die Mehrheiten klarzumachen und die Interessen abzustecken. Der einzige politische Konsens scheint der des Abwartens. Doch wer glaubt ernsthaft, dass in ein paar Jahren die Ausgangslage eine völlig andere ist?

«Nicht mehr diskutieren, sondern anders», sagte Roland Koch am Montag. Übergeordnet und von einzelnen Projekten weg. Man habe keine andere Wahl, ergänzte Adrian Borgula.

Tatsächlich? Wird das Carproblem mit einer anderen Diskussion gelöst? Wohl kaum! Die Diskussion mag vergiftet gewesen sein, die Auseinandersetzung heftig, aber zumindest waren die Interessen klar definiert. Man nennt das Politik. Jetzt ist zu befürchten, dass man wieder Jahre verliert.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marcel Sigrist
    Marcel Sigrist, 20.11.2018, 15:50 Uhr

    Ein weisses Papier?! Darauf dann «klare Gedanken, tiefe Analysen, sinnvolle Lösungen, breiter Konsens» geschrieben. Was haben die denn gemacht in den letzten Jahren? Wäre doch ihre Aufgabe gewesen. «Nicht mehr diskutieren, sondern anders» ? Wie muss man sich das vorstellen?

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