Wer im Luzerner Stadtparlament zurücktritt

Ein Saurier geht selten allein

Marcel Lingg hat die Entwicklung der Stadt Luzern 24 Jahre lang mitverfolgt – und mitgeprägt. (Bild: jal)

Für acht Luzerner Stadtpolitiker endet die parlamentarische Karriere im Rathaus diesen Sommer. Unter ihnen sind gleich mehrere ehemalige Ratspräsidenten – und ein Trio, das gemeinsam auf über 50 Jahre im Grossen Stadtrat zurückblicken kann.

Als Marcel Lingg ins Stadtparlament gewählt wurde, gab es das Kultur- und Kongresszentrum Luzern noch nicht, der FCL kickte noch im alten Stadion und der populäre Franz Kurzmeyer absolvierte seine letzten Monate als Stadtpräsident.

Das war 1996. Das Jahr, in dem die Stadtluzerner SVP auf Anhieb den Sprung in die Legislative schaffte. Zu einer Zeit, als das Protokoll der Sitzungen noch in Stenographie geführt wurde (wer weiss heute noch, was das ist?).

Drei Stadtpräsidenten, ein paar rasante technische Sprünge und 24 Jahre später kehrt der SVP-Politiker dem Rathaus den Rücken: Marcel Lingg wird bei den Wahlen Ende März nicht mehr antreten.

Damit verlässt der amtsälteste Grossstadtrat die Bühne. «Die Politik macht mir immer noch Spass», sagt der 55-Jährige und schmunzelt. «Doch ich denke, nach 24 Jahren darf man sich den Abgang leisten.» 

Von Mails bis zur Macht der Linken – vieles hat sich verändert

Die SVP verliert mit Lingg ihren Fraktionschef und zugleich ihren erfahrensten Politiker unter der Rathauskuppel. Vom Bau des Stadions über die Fusion mit Littau bis zum Scheitern der Salle Modulable: Würde Marcel Lingg die Mosaiksteine seiner politischen Erlebnisse zusammenfügen, ergäbe sich ein Stück Stadtgeschichte.

«Früher durften wir auch mal bei einer Sitzung fehlen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Linken gewinnen.»

Nicht nur haben Mails und Laptop die Stenografie verdrängt, auch politisch hat sich einiges getan. Die SVP habe sich von der junge Kleinpartei zur etablierten bürgerlichen Kraft entwickelt, sagt Marcel Lingg. Und: «Früher durften wir auch mal bei einer Sitzung fehlen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Linken gewinnen. Heute kann eine Abstimmung nur schon wegen ein paar einzelner Stimmen kippen.»

Vor zehn Jahre leitete der «Saurier», wie ihn SVP-Parteipräsident Dieter Haller bezeichnet, als Ratspräsident den Betrieb. Marcel Lingg sagt, er würde gerne mal zählen, wie viele Parlamentsmitglieder er in all den Jahren erlebt hat. Nur schon in der eigenen Fraktion seien es sicher über 30 gewesen.

Das Alphatier macht Platz für Neue

Marcel Lingg, als Vorstandsmitglied des städtischen Wirtschaftsverbandes bestens vernetzt, nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Im Rat fällt der Ökonom mit seinen pointierten Voten auf. Während andere vom Blatt (unterdessen: vom Tablet) ablesen, spricht er frisch von der Leber weg, richtete er seine Worte oft lautstark und bisweilen – abhängig von der Hitze des Gefechts – mit leicht gerötetem Gesicht an die Anwesenden.

Wenn es sein muss, scheut er auch vor Kritik in den eigenen Reihen nicht zurück – etwa, als er im Zuge der Nomination eines Stadtratskandidaten für die Wahlen 2016 sagte, die Partei brauche jetzt keine Witzfigur (zentralplus berichtete).

Mehr als einmal fiel auch Linggs Name, als die SVP einen Kandidaten für die Exekutive suchte. Angetreten ist dann aber doch immer ein anderer. Lingg schien damit nie zu hadern. Den Einzug in den Rat schaffte die Partei bis heute nicht, dieses Jahr versucht sie es mit Ex-CVP-Politiker Silvio Bonzanigo.

Sie verlassen das Rathaus

40 der 48 Grossstadträte treten am 29. März 2020 nochmals zur Wahl an. Das heisst allerdings nicht, dass auf den Sesseln im Rathaus immer dieselben Leute sitzen. Seit dem Beginn der Legislatur im September 2016 ist es zu 21 Rücktritten gekommen.

Diese acht Personen verabschieden sich Ende der Legislatur aus dem Parlament:

  • Marcel Lingg (SVP), seit 1996 im Rat
  • Laura Grüter Bachmann (FDP), seit 2005
  • Albert Schwarzenbach (CVP), seit 2007
  • Daniel Furrer (SP), seit 2011
  • Enver Candan (SP), seit 2014
  • Nora Peduzzi (SP), seit 2016
  • Martin Wyss (SP), seit 2017
  • Reto Biesser (FDP), seit 2018

Marcel Lingg seinerseits wurde für die SVP-Fraktion noch wichtiger, nachdem letzten Sommer gleich drei der sieben Mitglieder zurücktraten. «Wenn man so lange dabei ist, ist man automatisch das Alphatier», sagt der Fraktionschef selber. Wenn andere ihn als Sesselkleber bezeichnen wollen, ist ihm das egal. Er sagt dazu nur, dass eine gewisse Konstanz und Erfahrung jeder Fraktion gut tue. Zugleich betont er, dass sein Abgang nun auch Platz schaffe für neue Kräfte. Nicht nur politisch tritt Lingg übrigens kürzer, Ende April gibt er auch sein Vorstandsmandat im städtischen Wirtschaftsverband ab.

Für Marcel Lingg geht damit ein intensiver Lebensabschnitt zu Ende. Er vergleicht es mit einer Teilpensionierung. «Nur, dass es keine Rente gibt», sagt Lingg und lacht. «Ich werde mehr Zeit haben, einen anderen Wochenrhythmus und Luft für neue Prioritäten.» Was diesen Raum füllen wird, weiss der Stadtluzerner derzeit noch nicht. Nur so viel: «Langweilig wird mir sicher nicht.»

Drei weitere Ex-Ratspräsidenten treten ab

Marcel Lingg ist nicht das einzige politische Fossil, dessen Zeit im Rathaus sich dem Ende zu neigt. Zu jener Handvoll Politiker, die bereits seit über zehn Jahren im Stadtparlament politisieren, gehört auch Albert Schwarzenbach. Der umtriebige CVP-Grossstadtrat mit dem Berner Dialekt präsidiert derzeit den Grossen Stadtrat. Es ist der Höhepunkt und zugleich der Schlusspunkt seiner 13-jährigen Laufbahn im Stadtparlament (zentralplus berichtete).

Treten nicht mehr an: Albert Schwarzenbach (links), Laura Grüter Bachmann und Daniel Furrer.

Auch die FDP sagt einer langjährigen Parlamentarierin Adieu: Laura Grüter Bachmann, die seit 2005 im Grossen Stadtrat politisiert. Die 51-jährige Juristin leitet die Baukommission – und stand vor vier Jahren an der Spitze des Parlaments.

Den grössten Aderlass hinnehmen muss die SP-/Juso-Fraktion. 4 ihrer 14 Mitglieder nehmen Ende der Legislatur den Hut: Mit Daniel Furrer gehört ein weiterer ehemaliger Ratspräsident dazu (zentralplus berichtete).

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