Bodum-Villa zeigt: Stadt priorisiert einseitig

Ein Luzerner Signal für zwielichtige Investoren

Der Umgang von Finanzdirektorin Manuela Jost mit der Obergrundstrasse 99 ist fragwürdig.

(Bild: Montage pze)

Die «Gundula»-Besetzung hat einige Steine ins Rollen gebracht, unter anderem ist jetzt klar: Die Villa an der Obergrundstrasse 99 soll abgerissen werden. Die Stadt entzieht sich ihrer Verantwortung – und sendet mit ihrem Verhalten falsche Signale an Immobilienspekulanten.

Die Villa an der Obergrundstrasse 99 gab in den letzten Tagen viel zu reden. Durch die weniger als zwei Tage dauernde Besetzung wurde klar, in welch erbärmlichem Zustand sich die Villa befindet, nachdem sie offensichtlich bewusst dem Verfall preisgegeben wurde. In den Fokus rückt dabei aber auch die in Aussicht gestellte Abbruchbewilligung der Stadt.

Stadt nimmt sich aus der Verantwortung

Dies aus mehreren Gründen. Baudirektorin Manuela Jost hat zwar prinzipiell recht, wenn sie nicht in die Eigentumsrechte eines Liegenschaftsbesitzers eingreifen will. Mit dem Abschieben der Verantwortung auf die Eigentümerin Bodum AG in Triengen macht sie es sich aber zu einfach. Zu hoch ist der Schutzcharakter des Gebäudes. «Ich lasse mir nichts vorwerfen», sagte Jost gegenüber zentralplus. Dass ein Objekt der höchsten Schutzklasse komplett verlottert, geht die Aufsicht sehr wohl etwas an. Ob der Verlotterung dabei willkürlich nachgeholfen wurde, wie die «Gundula»-Besetzer vorwerfen oder nicht, ist irrelevant.

Aber: Der Verfall stärkt natürlich die Argumente des Liegenschaftsbesitzers. Umso zerfallener, desto eher ist ein Neubau akzeptabel. Wenn die Stadt zulässt, dass der Unterhalt einer geschützten Liegenschaft vernachlässigt wird, so schlägt sie sich auf die Seite des Liegenschaftsbesitzers.

Hinter Eigentümer gestellt

Dies gilt selbst dann, wenn eine Analyse den Abbruch rechtfertigt (zentralplus berichtete). Das offenbar angewandte Motto «Abgerissen wird die Liegenschaft sowieso, also macht es auch nichts, wenn sie zerfällt», greift hier zu kurz. Ein Baugesuch ist bekanntlich nicht nur Sache einer Baudirektion, etliche Stellen wie der Denkmalschutz oder Anwohner haben Möglichkeiten der Einsprache – sowohl gegen den Abbruch wie auch gegen einen allfälligen Neubau.

Indem die Baudirektion kommuniziert, dass die Sanierung aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei, zeigt sie: Eine Sanierung mit Erhalt der Fassade und des Rohbaus wäre möglich – aber finanziell unattraktiv. Damit gewichtet man die finanziellen Interessen (der Stadt und der Besitzer) höher als den Ortsbildschutz und die Bundeseinschätzung des Isos-Inventars.

Auf Facebook zeigen die Besetzer den Zustand der Villa an der Obergrundstrasse 99.

Auf Facebook zeigen die Besetzer den Zustand der Villa an der Obergrundstrasse 99.

(Bild: Facebook)

In diesem Zusammenhang wirft vor allem auch die Kommunikation der Baudirektorin Fragen auf. Wenn sie dem Besitzer die Abbruchbewilligung bereits vor einem Jahr in Aussicht gestellt hat: Weshalb wird dies verheimlicht? Und warum gibt es überhaupt eine Bau- und Zonenordnung, wenn man über keine Möglichkeiten zu deren Durchsetzung verfügt?

Die Art und Weise, wie die städtische Vertreterin agiert, lässt auf die Durchsetzung von wirtschaftlichen Interessen schliessen. Denn, dass Multimillionär Bodum das Recht in Luzern mit massivem Druck auf seine Seite zu zwingen versucht, wird längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand gemunkelt. Dass die Villa einem Bürogebäude weichen soll, stützt dieses Argument zusätzlich.

Fanal für skrupellose Investoren

Fatal ist das Ganze aber noch aus einem ganz anderen Grund: Indem die Stadt die wirtschaftlichen Interessen eines Eigentümers offenbar fragwürdig hoch gewichtet, leistet sie hier ähnlichen Fällen Vorschub. Was soll einen Investor daran hindern, bei einer denkmalgeschützten Liegenschaft auf kostspielige Aufwertungen oder Gebäudesanierungen zu verzichten und das Gebäude stattdessen im Hinblick auf einen grösseren Neubau oder eine Umnutzung dem Verfall preiszugeben? Den Denkmalschutz lässt sich die Gesellschaft einiges kosten, und dies zu Recht.

Kommt dazu, dass Liegenschaften mit Nutzungseinschränkungen auf dem Markt deutlich kostengünstiger zu haben sind. Werden nun plötzlich Prinzipien über den Haufen geworfen, hat dies einerseits ein Ungleichgewicht zur Folge. Gleichzeitig ruft ein solches Verhalten der Behörden wiederum Investoren auf den Plan, die geschützte Liegenschaften zu einem tieferen Preis aufkaufen, verfallen lassen und einen Neubau mit weniger Einschränkungen gewinnbringend wieder verkaufen. Warum soll dies in Luzern anders sein als im Ausland, wo auf diese Art ganze Viertel der Abrissbirne geopfert wurden?

Rechtsmittel und Alternativen bestehen

Doch welche Alternativen hat die Stadt? Wenn ein Besitzer sein Gebäude verlottern lässt, wie die Baudirektorin unermüdlich zu wiederholen pflegt, dann ist dies tatsächlich seine Entscheidung. Strafbar macht er sich damit nicht. Eine Sanierung durch eine Behörde auf Kosten des Eigentümers, wie dies nun ein Vorstoss fordert, ist – mit Verlaub gesagt – weltfremd. Wer will eine solche Beurteilung vornehmen und entsprechende Zwangsmassnahmen definieren, entscheiden, durch welchen Bauunternehmer diese zu welchem Preis umzusetzen sind? Dies kann nicht Aufgabe des Staates sein.

Genauso wenig ist es aber Pflicht des Staates, Passivität und bewusst passives Handeln zu belohnen. Aufgabe des Staates ist vielmehr, die Rechtmässigkeit des Handelns sicherzustellen. Im konkreten Fall hiesse das eine Wiederherstellung des Originals, selbst wenn dies ein kompletter Nachbau wäre. Das Zürcher Kantonalgericht bietet dazu die Handhabe und hat einen Besitzer nach «pflichtwidrig unterlassenem oder jedenfalls klar ungenügendem Unterhalt» zum originalgetreuen Neuaufbau verpflichtet – trotz erteilter Abbruchverfügung der Gemeinde (zentralplus berichtete). Damit schützten die Richter nicht nur das Ortsbild, sondern verhindern auch, dass unsere Exekutivvertreter allzu schnell vor wirtschaftlichen Interessen und Druckversuchen einknicken.

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