«Essen Zahlen Sterben» im Luzerner Theater

Ein Kollektiv, drei Denkräume

Lilli Lorenz, Judith Cuénod, David Michael Werner, Ingo Ospelt, Wiebke Kayser (v.l.) im Luzerner Theater. (Bild: Ingo Höhn)

Was geschieht, wenn man drei Schriftsteller gemeinsam einen Theaterabend gestalten lässt? Das Luzerner Theater wagte sich an diese Frage heran und liess dabei den Involvierten freien Spielraum. Diese hätten dabei durchaus etwas mutiger sein können.

Nachdem Michael Fehr die Bühne verliess, versetzten sich die Türen an der Seite der Bühne der alten Schiesshalle im UG vom Luzerner Theater in stürmisches Schwingen. Dieser «Wind of Change», dieser physische Unterbruch, ist nötig: Die Arbeiten der drei Autoren Michael Fehr, Dominik Busch und Ariane Koch verlaufen am gemeinsamen Theaterabend «Essen Zahlen Sterben» trennbar nacheinander.

Drei Autoren mit unterschiedlichem Background, heterogener Schreib- und Arbeitsweise gemeinsam mit zwei Regisseuren an einem Stück werken zu lassen, ist durchaus ein Unterfangen mit Experimentcharakter. Genau so verschiedenartig wie es die Autoren und ihre Techniken sind, wird auch der Abend. Eine Palette mit drei eigenwilligen, unabhängigen Arbeiten, die jedoch nicht zerfliessen, sondern sich getrennt nacheinander präsentieren.

Sprachklang, Spagat und Chaos

Welcher der drei Schriftsteller die Einstiegsrolle übernimmt, ist schnell geklärt: Als Performer betritt Micheal Fehr als Erster die fahl beleuchtete Bühne. Mit «Wie glücklich ich bin» setzt er – typisch für ihn – spielerisch auf den Klang der Sprache und jongliert liebevoll mit Vokalen und Konsonanten. Die Erzählung der grauen Maus Ida, die vom Mädchen zur jungen Frau wird, trägt Fehr in zwei Teilen vor. Ganz zu Anfang, der Arbeit von Dominik Busch vorangestellt, und dann wieder nach der Pause, vor Ariane Kochs Text.

Wiebke Kayser.

Wiebke Kayser.

(Bild: Ingo Höhn)

Dominik Busch lässt seine Figuren in «Die Beflissenen» unter Verpflichtungen aller Art leiden. Mann und Frau durchleben in Selbstgesprächen einen Albtraum zwischen unterschiedlichen Anforderungen von Beruf und Privatem. Spätestens nachdem die Köchin nach Aufzählung einer unendlichen Liste von Delikatessen, die sie vorzubereiten hat, ihr Kindermädchen anfleht, etwas länger bei der Tochter zu bleiben, ist auch der letzte noch so unempfindsame Zuschauer befangen in der Verzweiflung der Situation. Dominik Busch und Regisseurin Johanna Zielinski gelingt der Spagat zwischen reflektierenden Individuen und gesellschaftlichen Fragestellungen.

Mut zum Unkonventionellen

Nach der Pause und dem dramatischen Wendepunkt in der Erzählung über Ida, der ehemals grauen Maus, folgt Ariane Kochs Teil des Abends. «All you can eat» spiegelt im Gegensatz zu Buschs Konzepttext eher den Gesamteindruck des ganzen Theaterabends: Durcheinander! Wenn eine Gruppe in Sonntagsschüler-Outfits zu blutverschmierten Kannibalen werden, kann mit gutem Recht von einem inhaltlichen Chaos die Rede sein. Ariane Koch bot dem Regisseur Franz-Xaver Mayr ein Buffet von Textmaterialien, die von ihm wild durcheinander, in zufälliger Weise präsentiert werden. Die fünf Schauspieler schwanken in dieser komischen Dramatik zwischen Weltuntergangsstimmung und Werbeslogan und haben sichtlich Spass dabei.

David Michael Werner, Lilli Lorenz, Ingo Ospelt, Judith Cuénod, Wiebke Kayser

David Michael Werner, Lilli Lorenz, Ingo Ospelt, Judith Cuénod, Wiebke Kayser

(Bild: Ingo Höhn)

Als Experiment zur Überdenkung der Autorenschaft im Theater ist «Essen Zahlen Sterben» nicht gescheitert, hätte aber noch mehr Potential gehabt, welches nicht vollends ausgeschöpft wird. Die Reihenfolge der drei Texte hätte weniger konventionell sein können und die Gegenüberstellung noch etwas mutiger. Gerade vom Miteinander, welches man an einem kollektiven Abend erwarten dürfte, ist schlussendlich wenig zu spüren.

Was bleibt, ist die Konfrontation von in sich stimmigen Werken. «Essen Zahlen Sterben» ist ein Experiment, welches sich anzuschauen lohnt.

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