Gottesdienste im Test: Pfarrkirche Willisau

Ein fast perfektes Paar

Im Willisauer Städtli weihnachtet es am 1. Adventssonntag genauso wie in der Kirche.

(Bild: Remo Wiegand)

Raus aus der Stadt: Willisau ist die zweite Station der Gottesdienstkritik, die der Theologe und Journalist Remo Wiegand für zentralplus verfasst hat. Ein schöner Adventskranz, bemerkenswertes Schuhwerk der Ministranten, ein authentischer Gottesmann und eine starke Gottesfrau: Für das Kirchenvolk gibt es viel zu sehen – aber wenig zu tun.

Advent: Hochsaison von Tradition und Religion. In den Strassen Willisaus vernimmt man Wortfetzen wie «Kerzenzieh…», «…ventsmarkt» oder «Samich…». Es herrscht eine besinnliche Betriebsamkeit in der nebelverhangenen Hinterland-Metropole. Man ahnt: Man wird heute nicht allein sein in der Kirche. «Advent, Advent, das Volk in die Kirche rennt», kalauert ein Kirchenchor-Mitglied auf der Türschwelle.

Blickfang in der bauchigen Barockkirche ist der grosse Adventskranz vorne. Noch brennt keine Kerze, das verheisst rituelle Dramaturgie: Kurz nach Gottesdienstbeginn setzt Pfarrer Martin Walter zum Segen an: «Segne diesen Adventskranz, Gott. Und lass uns alle mit ihm heller werden und an Ausstrahlung gewinnen.» Schön, simpel, ein stimmiges Ritual. Nun weihnachtet es wahrlich in Willisau (nachdem der Männerchor «Concordia» zuvor noch eine eher wenig saisongerechte «Im Frühtau zu Berge…»-Stimmung verbreitet hatte).

Weder abgehoben noch banal

Neben Pfarrer Walter ist Pastoralassistentin Christine Demel die Tätschmeisterin des Gottesdienstes. Die beiden spielen sich wie ein eingespieltes, altes Ehepaar die Bälle zu. Sie ruft mit glasklarer Stimme die Friedensbotschaft des Alten Testaments in den Kirchenbauch, in der sich «Schwerter zu Pflugscharen» wandeln.

Er betet in Worten, die stets im Hier und Jetzt zu entstehen scheinen, weder abgehoben noch banal, für sich und für mich. Im Wechsel intonieren Walter und Demel einen Psalm – und singen sich gegenseitig schier dem Himmel entgegen. Das Kirchenvolk geht ob der perfekten Inszenierung der beiden Deutschen etwas vergessen, es bleibt ihm nur ein amen-artiges Antwortverschen.

Pfarrer Martin Walter findet im Hochgebet stimmige Worte.

Pfarrer Martin Walter findet im Hochgebet stimmige Worte.

(Bild: Remo Wiegand)

Der Gottesdienst
  • Ort: Willisau, Pfarrkirche
  • Zeit: Sonntag, 27. November 2016, 10.00 Uhr
  • Länge: 53 Minuten
  • Vorsteher: Pfarrer Martin Walter, Pastoralassistentin Christine Demel, 5 Ministranten (3 Mädchen)
  • Volk: ca. 260 Personen
  • Thema: Advent, Frieden
Walter und Demel haben je ihre Rolle: Er ist der gutmütige und gesellige Bauchmensch, Typ bayerischer Bierbrauer-Mönch, Demel die Denkerin, eine Spur zackiger, doch durchaus gewinnend auch sie. Demel hält dann auch – fast durchgehend frei gesprochen – die Predigt: Manche meinten ja, es sei ideal, wenn alle dasselbe glaubten. Dann gibt es keinen Streit. Aber Friede, liebe Freunde, ist wie ein Berg. Der Wege dahin, «zum Beispiel auf die Rigi oder den Napf», sind viele. So sind auch verschiedene Wege des Glaubens kein Problem, sondern eine Bereicherung für die Wandergruppen dieser Welt. So geht Frieden – noch Fragen?

Kein Friedensgruss

Die fünf Ministranten, alle nicht nur weiss gewandet, sondern gar einheitlich in weissen Schuhen, bringen Brot und Wein. Wieder findet Walter im Hochgebet stimmige Worte, von den «Gaben», die dargebracht werden, schlägt er die Brücke zu den «Begabungen» von uns Mitfeiernden. Walters Ad-hoc-Formulierungen wirken umso mehr, als er zwischenzeitlich kurz innehält, die gefalteten Hände öffnet und wieder schliesst, aufblickt und wieder in sich geht.

Die Pfarrkirche Willisau: In der Barockkirche fand der getestete Gottesdienst am 1. Adventssonntag statt.

Die Pfarrkirche Willisau: In der Barockkirche fand der getestete Gottesdienst am 1. Adventssonntag statt.

(Bild: Remo Wiegand)

Man sieht gerne zu, ist involviert, zumindest als Zuschauer. Eine aktivere Teilnahme wird einem indes verwehrt. Natürlich, Kirchenbesuch ist normalerweise kaum mehr als frommer Konsum. Doch in Willisau fallen selbst jene Elemente weg, die ansatzweise ein Mitmachen vorsehen: Es gibt keinen Friedensgruss (ein Händedruck unter den Banknachbarn) und die Lieder sind vornehmlich dem Chor und dem Duett Demel und Walter vorbehalten.

Eines geht dann aber doch noch: «Macht hoch die Tür, die Tor macht weit …», Strophe 1 das Volk, 2 der Chor, 3 das Volk. Die schönste Strophe gehört zum Ausgang dem bisher fast arbeitslosen Organisten, der abstrahierte Variationen des Adventsschlagers erschallen lässt. Es tönt wie ein musikalischer Schlusssegen: Gehet hin und spielet mit dem, was euch heilig ist!

Kurzbewertung

Predigt:

Fast durchgängig frei gehalten, klare, einfache Botschaft. Der Friede kann kommen!
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Persönlichkeit (Pfarrer, Predigerin): 

Beeindruckende Präsenz, authentische Ausstrahlung, kein aufgesetzter Hokuspokus. 
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Musik: 

Es klingt nach Jodler-Chilbi oder Alpabzug. Zum ersten Advent will der Männerchor «Concordia» nicht recht passen.
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Feierlichkeit: 

Sinnliche Rituale und würdevolle Performance vorne im Chorbereich. Was fehlt, ist eine stärkere Involvierung des Volkes.
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Kirchenraum:

Angenehm dezente Dekoration, der Adventskranz steht im Zentrum. Die bauchig-breite Barockkirche schafft aber insgesamt wenig Geborgenheit.
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Integrationsfaktor: 

Wenig gemeinsame Lieder, kein Friedensgruss, keine persönliche Verabschiedung, kein Kirchenkaffee.
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Gesamterlebnis:
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Sinn fürs Detail: Die Ministranten tragen sogar weisse Schuhe.

Sinn fürs Detail: Die Ministranten tragen sogar weisse Schuhe.

(Bild: Remo Wiegand)


Hinweis: Mehr zu den Gottesdienst-Kritiken von zentralplus lesen Sie hier. Die erste Folge der Serie aus der Hofkirche Luzern: «Apokalypse now!» mit Donald Trump


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2 Kommentare
  • Profilfoto von Josef Willa
    Josef Willa, 04.12.2016, 19:04 Uhr

    Die Pastoralassistentin heisst Christine, nicht Sabine 😉

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    • Profilfoto von Jonas Wydler
      Jonas Wydler, 04.12.2016, 19:34 Uhr

      Danke für den Hinweis – wir haben das angepasst.

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