Jugendsiedlung Utenberg fördert Berufsintegration

Ein Ersatz-Papi für die Lehrstellen-Suche

Walter Erni auf der Terrasse der Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg (Bild: lru).

(Bild: lru)

Die Stadtluzerner Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg hat seit einem Jahr eine «Fachstelle Berufliche Integration». Sie hilft den Jugendlichen, den Sprung aus dem Heim in die Berufswelt zu schaffen. Denn die Lehrstellensuche wird immer anspruchsvoller.

Rund 45 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 22 Jahren wohnen in der Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg (KJU). Es sind junge Menschen, die meist aufgrund ihrer familiären Situation nicht zuhause wohnen können: Manche haben psychisch kranke, alleinerziehende oder gar keine Eltern. Andere haben häusliche Gewalt oder Missbrauch erlebt. «Es gibt auch Jugendliche, etwa mit starken ADHS, die ihre Eltern überfordern», sagt Roger Kaufmann, Leiter der Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg.

Lehrstellensuche überfordert viele Familien

Und: Auch die Lehrstellensuche fordert viele Jugendliche und ihre Eltern stark. Manchmal führt die Berufswahl sogar zu solchen Krisen, dass Jugendliche vorübergehend nicht mehr zuhause wohnen können. «Die Lehrstellensuche ist im Vergleich zu früher deutlich anspruchsvoller geworden», sagt Walter Erni. Erni leitet die Fachstelle für berufliche Integration in der KJU. Seit einem guten Jahr gibt es diese Fachstelle für die Jugendlichen im Utenberg.

Die Schwierigkeit bestehe für die Jugendlichen im Utenberg darin, dass die Eltern sie bei der Lehrstellensuche weniger unterstützen könnten, sagt Walter Erni. «Mit der neuen Fachstelle wollen wir hier eine Brücke schlagen.» Oder anders gesagt: Erni, der einzige Mitarbeiter der Fachstelle, fungiert in Sachen Lehrstellensuche als Ersatz-Papi.

Er unterstützt die Jugendlichen beim Organisieren von Schnupperlehren, beim Schreiben von Bewerbungen oder überhaupt bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Berufswahl: «Manchmal ist es einfach wichtig, die Jugendlichen einmal mit der anstehenden Entscheidung zu konfrontieren und mögliche Berufe anzuschauen.» Andere Jugendliche hingegen würden mehr Kontrolle benötigen.

«Berufliche Integration ist eine Schlüsselstelle»

Früher hätten die Bezugspersonen auf den Wohngruppen diese Aufgabe übernommen, sagt Siedlungsleiter Roger Kaufmann. Weil der Aufwand stark zugenommen habe, setze man nun auf Spezialisten. «Wenn die Sozialpädagogen für mehrere Jugendliche in der Berufsfindung zuständig waren, war das zunehmend überfordernd.»

Durch die Unterstützung von Fachmann Erni will das Heim im Utenberg sicherstellen, dass die berufliche Integration seiner Jugendlichen klappt: «Das ist eine Schlüsselstelle für das Gelingen der sozialen und persönlichen Entwicklung», meint Kaufmann.

Heimkarrieren sind heute selten

Spätestens mit 22 Jahren müssen die Jugendlichen die KJU verlassen, wenn die Berufsausbildung vorher abgeschlossen ist, früher. Dass es einen harten Bruch – vom Heim auf die Strasse – gebe, will man heute wenn möglich vermeiden, sagt Walter Erni. «Klassische Heimkarrieren sind heute eher selten.»

In acht teilbetreuten Wohnplätzen lernen Jugendliche selber zu kochen und putzen. «Eine Betreuungsperson kommt nur am Abend vorbei.» Wie andere Jugendliche auch, sollen die Jugendlichen im Utenberg stetig selbstständiger und schliesslich flügge werden.

Kommt hinzu: In Zeiten kantonaler Sparpakete bleiben Jugendliche kürzer im Heim als früher. «Vermehrt sind es die komplexen Fälle, die lange bei uns bleiben», sagt Roger Kaufmann. Nur rund ein Drittel aller Jugendlichen wohnten über längere Zeit im Utenberg.

Und dass Jugendliche mit dem 18. Geburtstag nichts mehr vom Heim wissen wollen und ihren Austritt geben? «Auch das kommt unter Umständen vor», so Walter Erni. Aber häufig merkten Jugendliche dann, dass ein selbstständiges Leben gar nicht so einfach ist, wie gedacht.

Ein ehemaliger Pöstler

Der 51-Jährige startete bei der Post ins Arbeitsleben. Zuerst war Erni Lehrmeister und rutschte dann über verschiedene Zusatzposten in der Lehrlingsausbildung und mit Weiterbildungen in seine heutige Tätigkeit.«Ich habe gemerkt, dass die Schnittstelle zwischen Volksschule und Berufswelt mich am meisten interessiert.»

Nebst viel Verständnis für die Situation der Jugendlichen, braucht Erni die Fähigkeit «mit sehr verschiedenen Leuten zu sprechen und sie auf einen Nenner zu bringen». Ein wichtiger Teil von Walter Ernis Tätigkeit, ist es denn auch, mit Arbeitgebern in Kontakt zu sein.

Immer mehr Selektion erschwert Lehrstellensuche

Denn, wenn es auch einen Kantischüler unter den Jugendlichen im Utenberg gibt und die Spannweite des schulischen Niveaus sehr gross sei – im Durchschnitt brauchen sie etwas mehr Förderung. In einem speziellen Programm absolvieren viele der Jugendlichen schon während der obligatorischen Schulzeit für einige Stunden pro Woche ein Praktikum in einem Betrieb: «Die Jugendlichen erhalten dort einen Lohn – und ein Arbeitszeugnis, das sie den Bewerbungen für eine Lehrstelle beilegen können.»

Walter Erni blickt über die Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg (Bild: lru).

Walter Erni blickt über die Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg (Bild: lru).

Vorurteile gegenüber den Jugendlichen aus dem Heim habe er dabei bisher keine erlebt, sagt Erni. Trotzdem sei es nicht immer einfach, Arbeitgeber zum Mitmachen zu überzeugen. «Viele Betriebe fürchten den Betreuungsaufwand.»

Andere, etwa Coiffeure, wären optimal geeignet und würden gerne mitmachen. Diese machen häufig aber selber zu wenig Marge, um den Jugendlichen den vorgesehenen Lohn von fünf bis acht Franken pro Stunde zu bezahlen. Bei den Grossverteilern wiederum seien Filialleiter dem Programm gegenüber oft aufgeschlossen – nicht aber die Personalabteilung in der Zentrale.

«Kleinere Arbeitgeber sind eher bereit, schwächeren Jugendlichen eine Chance zu geben.» Bei Grosskonzernen würden diese oft durch immer ausgeklügeltere Selektionsinstrumente aussortiert, so Erni. «Es gibt aber immer wieder erfreuliche Ausnahmen.»

Das Ziel ist Selbstständigkeit

Was Walter Erni mit den Jugendlichen im Utenberg macht, ist im Grunde nichts anderes, als was bei anderen Jugendlichen die Eltern übernehmen. «Anders als manche Eltern würde ich aber nie selber eine Bewerbung für einen Jugendlichen schreiben.»

Doch die Eltern werden, so weit das geht, in die Berufsfindung miteinbezogen. Das Ziel sei eine dauerhafte Lösung für die Jugendlichen. «Ich gebe so viel Unterstützung wie nötig. Aber kein Jugendlicher soll von mir abhängig sein.» Wenn ein Jugendlicher dann, so früh wie möglich, wieder zu Hause wohne, soll er den eingeschlagenen Weg selbstständig weitergehen können.

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