ESAF: Stippvisite auf dem Campingplatz

Ein einig Volk mit Kafi Luz zum Frühstück

Schwingfreund Rainer Huber (links) mit seinen Freunden aus dem Freiamt: «Die Nationalhymne ist mein absolutes Highlight». (Bild: Raphael Zemp)

Tausende Schwingfans campieren am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in unmittelbarer Nähe zur Schwingarena. Wie ist die Stimmung vor dem grossen Moment des Anschwingens? Ein frühmorgendlicher Rundgang.

Feuchtes Schwarz drückt auf das Meer von Zelten und Wohnwagen, das am Rande des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests, just ennet der Lorze, aus dem Boden geschossen ist. In seinen Wogen halten sich tausende Schwingfreunde auf. Jetzt, um halb sechs in der Früh, sind aber nur die wenigsten schon auf den Beinen.

Ab und an huscht ein Taschenlampenkegel über Zeltwände, hier und da surren und gurren Generatoren, die mal grosse Ballone in grellem Neonlicht erstrahlen lassen, mal einsame Wohnwagenfenster in Gold tauchen.

Einzelne verschlafene Gestalten schlurfen den Duschen und Toiletten entgegen. Oft mit umgehängtem Handtuch und baumelnden Kulturbeuteln an der Hand, seltener auch komplett barhäuptig. Sie kreuzen dabei einige akkurat in Hosenbünden verstaute Edelweisshemden, die von Vorfreude und Erwartung getrieben bereits die Sägemehlarena ansteuern, strammen Schrittes und beschallt von beschwingtem Ländler, der von den ersten erleuchteten Kaffeebuden entgegenwabert.

Langsam verliert das Himmelsschwarz an Kraft, macht grauen, blauen, ja gar rosa Sprenklern Platz. Derweil hängt eine Schweizerfahne traurig am Mast; weit und breit kein Lüftchen, das ihm Leben einhauchen könnte.

«Schacherseppeli» steht früh auf

Als Gradmesser für die Stimmung auf dem Camping taugt das schlappe Schweizerkreuz allerdings nicht. Im Gegenteil: Zwischen Campern und Nylon-Iglus wird es immer heiterer. Wie zum Beispiel bei Pepe Kaufmann aus Kriens, der zusammen mit seinen Kumpanen der morgendlichen Stille lautstark verkündet, dass er Schacherseppeli sei, im ganzen Land bekannt.

Zeuge einer feuchtfröhlichen ersten Nacht. (Bild: Raphael Zemp)

Auch nach der zweiten Nacht auf dem Camping sei er noch immer bester Laune, sagt Kaufmann. «Das hört man doch, oder?» Vor allem jetzt, da der lang ersehnte Moment schon bald Tatsache ist – und die Bösen zum ersten Mal ins Sägemehl steigen. Auch nach dem x-ten Eidgenössischen sei das immer wieder etwas ganz Spezielles.

Ebenfalls voller Vorfreude ist man im Vorzelt des benachbarten Wohnwagens, wo sich der Thurgauer Wendelin Herzog mit seiner Truppe eingefunden hat. Es sei einfach ein «geiles Fest», meint Herzog. «Hier haben es einfach alle gut.» Damit das auch für ihn gilt, nippt er nun am Kaffeebecher statt am Weinglas. So lassen sie sich am ehesten wegzaubern, die kleinen Äuglein, die Spuren ausgelassenen Festens.

Wer gewinnen soll? «Ein Ostschweizer natürlich», meint der eine Compagnon. Herzog aber findet: «Der Beste hat den Sieg verdient.»

Die Schwingerfreunde, eine «grosse Familie»

Dem stimmt auch der 39-jährige Bruno Jaggi aus Reichenbach im Kandertal zu. Er und seine Entourage stärkt sich gerade mit einem währschaften Zmorge: Eine üppige Auslage von Brot, Käse und Wurst bedeckt den Campingtisch, auf dem Gaskocher blubbert eine Pfanne Kaffeewasser. Das Eidgenössische, das sei etwas ganz Besonderes – und gehöre für ihn als ehemaliger Schwinger seit Jahren einfach dazu: «Es ist Teil meiner Lebensphilosophie.» Der Sport mache dabei nur einen Teil des Reizes aus. Genauso wichtig sei das Miteinander, das Zusammensein – und es «einfach schön zu haben».

Zelten als Notlösung: Moren Tuena (37) aus Samaden. (Bild: Raphael Zemp)

Diese spezielle Ambiance, sie ist es auch, die Fritz Schmutz (59) aus Bolligen immer wieder an eidgenössische Schwingfeste lockt, bereits seit Jahrzehnten. Im Fernsehen sähe man das Geschehen wohl besser, die Stimmung im Stadium aber, sie ist «unvergleichlich», sucht ihresgleichen.

Aber auch auf dem Campingplatz sei es einfach «dr Friede»: Keine «Lämpen» mit niemandem, alle sind friedlich. Dass es manchmal auch ein wenig lauter zu- und hergehe, auch das stört den Berner nicht – auch wenn er jeweils bereits früh ins Bett geht. «Das gehört auch dazu.»

Ein Luz zum Zmorgen vertreibt Kummer und Sorgen

So wie ein Kafi Luz für die Gruppe um Rainer Huber (47) aus Boswil zum Zmorge dazugehört. «Das ist nicht nur eine gute Vorbereitung aufs Fest, sondern inzwischen auch eine eigentliche Tradition.» Der Freiämter ist selber zwar kein Schwinger, deswegen aber nicht minder angefressen von diesem «bodenständigen» und «traditionsreichen» Sport. Sein persönliches Highlight wird er erleben dürfen, noch bevor sich die ersten Eidgenossen an die Hosen greifen. «Wenn der Schweizer Psalm gesungen wird, dann stellt das alle Haare auf.»

Der 53-jährige Gerry Peterer aus Niederwil (SG) hofft auf einen Ostschweizer Schwingerkönig. (Bild: Raphael Zemp)

Gerry Peterer aus dem sanktgallischen Niederwil hingegen freut sich auf «viele Überraschungen». Wer den Wettkampf für sich entscheidet, sei so offen wie schon lange nicht mehr. Eine äusserst spannende Ausgangslage. Er, der früher selber im Sägemehl angepackt hat, schätzt es besonders, dass die Leute am Eidgenössischen «alle anständig sind» – anders als etwa an Fussballspielen, wie er meint.

Und trotzdem macht Peterer auch beim Eidgenössischen beunruhigende Tendenzen aus. Zum einen werde der Anlass immer grösser und kommerzieller und zum anderen sei immer mehr Rambazamba angesagt. «Viele kommen kommen nur, um zu saufen – ohne dafür Eintritt zu zahlen.»

«Kurz, laut und feucht»

Dass am eidgenössischen Schwingfest teils ordentlich gefestet wird, und die Nächte dementsprechend kurz ausfallen, hat Moren Tuena (33) aus Samaden am eigenen Leib erlebt. «Kurz, laut und feucht», so beschreibt er seine erste Nacht auf dem Zeltplatz. Erholung fühlt sich anders an. Das Zelten ist für den Bündner eher eine Verlegenheitslösung, andere Unterkünfte seien schon ausgebucht gewesen. Seiner Freude auf das Sportfest tut dies keinen Abbruch. Auch wenn er heute Abend den Festteil deutlich verkürzen wolle, dem Schlaf zuliebe.

Dann zieht Tuena den Reissverschluss seines Zeltes zu, rückt die Sonnenbrille zurecht und wird schon bald von jenem dichten Menschenstrom mitgerissen, der unaufhaltsam zum Stadion zieht. Inzwischen ist es sieben Uhr und ein hellgrauer Himmel spannt sich über Zug.

Bald ist es so weit. Bald gilt es ernst. Bald duellieren sich die ersten Bösen in der weltgrössten temporär aufgestellten Arena der Welt, am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2019 in Zug.

Hinweis: Verfolge das Geschehen in und um die Arena in unserem Liveticker.

Mehr Eindrücke vom Campingplatz seht ihr in der Bildergalerie:

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