Chef der Schweizer Armee zu Besuch in Zug

Ein Bürger-General wirbt für mehr Goodwill

Korpskommandant Philippe Rebord.

(Bild: mam)

Schon gewusst? Philippe Rebord heisst der neue Oberkommandierende der eidgenössischen Streitkräfte. Er weilte für eine Roadshow in Zug. zentralplus hat den Drei-Sterne-General bei seinem Auftritt beobachtet.

Das preussische Element kommt bei Philippe Rebord eindeutig zu kurz. Der 60-jährige Waadtländer, der seit der Amtsübernahme von Verteidigungsminister Guy Parmelin Chef der Armee ist, hat kein markantes Kinn und kein so schneidiges Auftreten wie früher Christophe Keckeis. Er sorgt auch nicht für Skandale wie einst Roland Nef. Und er vermeidet leichtfertige und unbedachte Äusserungen wie sein Vorgänger André Blattmann.

Davon konnte man sich am Donnerstag in Zug überzeugen. Äusserer Anlass für Rebords Besuch war eine Einladung der Territorialregion 3, zu der auch das Gebiet des Kantons Zug gehört. Die Schweiz ist in vier solche Gebietseinheiten eingeteilt und der Generalissimus besucht jede davon jährlich an einem andern Ort.

Draht zur Wirtschaft gesucht

Zwar hat Zug eine geringe militärische Bedeutung – das Wandgemälde im alten Bahnhofbuffet mit dem Spruch «Zug führte bei Marignano» ist längst abgebrochen, und die alten Verteidigungsstellungen ums Aegerital aus dem Zweiten Weltkrieg wurden vor Jahren ausrangiert. Aber Zug hat etwas anders, was den Chef der Armee interessiert: Wirtschaftsführer.

Denn die Armee hat ein Personalproblem und der Dialog mit der Wirtschaft steht oben auf Rebords To-do-Liste. Vertreter der Wirtschaft waren denn auch neben Politikern und Milizoffizieren zum Anlass im Gewerblich-industriellen Bildungszentrums Zug eingeladen.

Knuddlig wie Alfons

Rebord spricht zur Weiterentwicklung der Armee. Hier ein Crash-Kurs für Nichteingeweihte: Die Schweizer Armee war jahrelang mit Restrukturierungen und Schrumpfkuren beschäftigt. Mittlerweile hat sie gemerkt, dass nicht mehr genügend Ausrüstungsmaterial für die verbliebenen Truppen vorhanden ist, und rüstet diese nun binnen vier Jahren auf.

Der «Zedeah», wie er von seinen Assistenten genannt wird (CdA gleich Chef der Armee), hat einen trockenen Humor, macht immer mal wieder einen Scherz und erinnert mit seinem Akzent an den französischen Kabarettisten Emmanuel Peterfalvi, besser bekannt als Alfons von Puschel-TV.

Integration via Armee

Manchmal versucht er, hart zu wirken, wenn er Sätze sagt wie: «Es ist nicht meine Aufgabe, Ferienlager zu organisieren». Aber eigentlich scheint er immer freundlich und vorsichtig. Ab und zu gibt er sich modern: «Jeder dritte Armeeangehörige ist eingebürgert», sagt Rebord. «Die Armee ist ein wichtiger Faktor bei der Integration.»

Über die Dauer des Vortrags wird klar: Rebord ist pragmatisch und umgänglich, aber eben auch ein Verteidiger des Status quo. Wiederholt jammert er über die bedrohte Mannstärke der Armee und die hohe Zahl der Zivildienstleistenden. «Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es vor allem die Studenten sind, die Zivildienst leisten», sagt Rebord. «Das geht so nicht.»

Bürger in Uniform

«Die Eliten müssen sich an der Milizarmee beteiligen, Verantwortung übernehmen.» Sonst führe dies zum Niedergang der Wehrpflicht. Und für die ist Rebord sehr. Mehrfach wird das Bild vom Bürger in Uniform beschworen, das Milizsystem der Schweiz gepriesen. 

«Andere Länder schwächt die Vielfalt vielleicht, uns hingegen macht sie stark.»

Philippe Rebord, Chef der Armee

Irgendwie ist Rebord selber dieser Bürger in Uniform. Ein Bürger-General, der während seines Vortrags und nachher beim Apéro riche auch Entertainer ist. Kein Eisenfresser, sondern ein Historiker –  wenn erforderlich kultiviert und differenziert. Ein Offizier, der sich auch volkstümlich geben kann.

Freundschaften im Militär

Rebord war lange Jahre Ausbildner, kennt daher Luzern vom Armeeausbildungszentrum her. Zug sei ihm von seinem allerersten Auftritt als Chef der Armee erinnerlich, bei der Kantonalen Offiziersgesellschaft. «Und dann kenne ich natürlich einige Zuger aus der gemeinsamen Militärzeit.» Gäbe es keine Armee, dann hätte er diese Bekanntschaften und Freundschaften nicht geschlossen, sagt er. Die Armee schaffe Verbindendes in der Vielfalt. «Andere Länder schwächt die Vielfalt vielleicht, uns hingegen macht sie stark», philosophiert er.

Der Oberkommandierende der Armee ist heute vor allem ihr erster Verkäufer. Denn eine Laufbahn bei der Armee ist ausser Mode gekommen. Die langen Dienstzeiten beim Abverdienen sind ein echtes Karrierehindernis geworden. Und dabei bräuchte die Armee schlaue Köpfe, etwa beim Aufbau einer Cyber-Abwehr – neben der Terrorismus-Bekämpfung das aktuellste Thema in der Sicherheitsbranche.

Ausbildung anrechenbar machen

Die Armee versucht, dem Problem entgegenzuwirken, indem sie Ausbildungen im Militär auch fürs Zivilleben anrechenbar macht – und umgekehrt. Leadership und Führungsqualitäten, die man als Offizier erwirbt, werden hochgelobt. In den Chefetagen der Unternehmen weibelt man für die Vorteile des Milizsystems. «Das geht auf der obersten Führungsebene recht gut», sagt Rebord. «Aber bis die Botschaften auch beim Personalchef angekommen sind, dauert es sehr lange.»

Auch in Zug geht es wieder darum, bei der Wirtschaft Goodwill für die Offizierslaufbahn und den Militärdienst zu schaffen. Die Teilnehmer des Lunch-Events erhalten Bundesziegel (Militärguezli) und einen Bund Prospekte mit Titeln wie «Ausbildung der höheren Armeekader – Mehrwert für die Wirtschaft».

Armeefans fast unter sich

Ein grosser Teil der Gäste sind Milizoffiziere aus Zug, Schwyz oder Uri, die im Wehrkleid erschienen sind und sich immer gleich mit ihrem militärischen Rang und ihrer Tätigkeit im Zivilleben vorstellen («Oberst Soundso, Inhaber eines Ingenieurbüros»).

Divisonär Lucas Caduff, Kommandant der Territorialregion 3.

Divisonär Lucas Caduff, Kommandant der Territorialregion 3.

(Bild: mam)

Einige sind indes unverkennbar auch Leute aus der Wirtschaft ohne kriegerische Ausbildung. Ob da die Top-Shots der internationalen Zuger Firmen dabei sind? Wir fragen Zwei-Sterne-General Lucas Caduff, den Kommandanten der Territorialregion 3 und Gastgeber. Der Verteidiger des Zugerlandes antwortet ausweichend.

Packen wir’s an

Aber vielleicht geht es in Parmelins, Rebords und Caduffs Armee auch gar nicht mehr um die präzise Zielerreichung nach einem Masterplan. Pragmatismus ist angesagt, eine Politik der vielen kleinen Schritte. Ein wenig ist immer noch besser als gar nichts. Erst macht man die Truppen wieder voll einsatzfähig, dann kümmert man sich um die grossen Brocken wie Flugzeugbeschaffung und Luftabwehr.

Entsprechend betreibt man nun Networking bei den anwesenden Gästen. Beim nächsten Anlass versucht man, es noch besser zu machen und mehr Leute aus der Wirtschaft zu mobilisieren. «Machen wir’s doch einfach», sei sein Motto, hat Philippe Rebord in seiner Rede gesagt. Eine Art schweizerisches Packen-wir-es-an oder «Yes we can».

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