Neues ÖV-Billet-System

Ein bisschen Privatsphäre gegen uneingeschränkte Mobilität

Die Urheber des Pilotprojekts BIBO (v.l.n.r.): Regierungsrat Matthias Michel, Jeannine Pilloud, Leiterin Personenverkehr SBB und Cyrill Weber, Unternehmensleiter der ZVB (Bild: wia)

In Zug startet nächstes Jahr ein Pilotprojekt für ein neues Ticketsystem im öffentlichen Verkehr. Geworben wird mit dem «GA-Komfort für alle», dafür zahlen muss der Passagier jedoch mit einem Stück der eigenen Privatsphäre.

Wer nicht mit einem Generalabonnement gesegnet ist, kennt die Situation: Der Zug fährt in fünf Minuten ab, das Billet ist noch nicht gelöst und am Billetautomaten steht ein älterer Herr, der technisch überfordert ist und die richtigen Tasten nicht findet. Mit solchen Episoden soll bald Schluss sein.

Heute Donnerstag wurde in Zug das entsprechende Projekt BIBO vorgestellt. BIBO steht hier für «be in be out». Mit dem Slogan «Der GA-Komfort für alle» startet nächstes Jahr in Zug das Pilotprojekt, das sich in ein paar Jahren landesweit etablieren sollte. Urheber in der Sache sind der Kanton Zug, die Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) und die SBB. Doch, was genau soll sich ändern?

Eine Karte, die sich die Fahrstrecke merkt

Anstatt dass ein Passagier für jede Strecke ein Billet zahlt, soll eine elektronische Karte realisiert werden. Mittels Antennen in den Fahrzeugen wird gespeichert, wo man ein- und aussteigt. «Wenn ein Fahrgast beispielsweise einen Bus betritt, wird die Karte quasi geweckt. Die Strecke, die man zurücklegt, wird aufgezeichnet und in einer Datenbank gespeichert.» Zahlungsmöglichkeiten gibt es verschiedene. So soll es ein Prepaid-Modell geben, bei dem jeweils Geld auf die Karte geladen werden kann. Auch ist eine Zahlung auf Rechnung per Ende Monat oder eine Kreditkartenbelastung denkbar.

Freiheit gegen Datenfreigabe

Diese Freiheit hat ihren Preis: Das Nachverfolgen der Bürger wird immer einfacher, jede Bewegung im ÖV wird gespeichert. Jeannine Pilloud, Leiterin Personenverkehr bei der SBB sagt dazu: «Diese Datenerfassung wird während der Phasen bestimmt ein Thema sein. In naher Zukunft bleibt die ursprüngliche Art des Billetkaufs sicherlich noch bestehen. Wenn es jedoch immer Leute gibt, die sich gegen das BIBO-System wehren, braucht es mehrere Möglichkeiten.» Man wolle niemanden zwingen, das neue System anzunehmen. Dennoch ergänzt Regierungsrat Matthias Michel: «Schon heute gibt es das Problem des gläsernen Bürgers. Wenn wir an der Tankstelle mit Karte zahlen, im Tunnel gefilmt werden, künftig in Cham per Schleuse in die Innenstadt fahren – immer werden wir registriert.»

Unabhängig von BIBO nimmt nächstes Jahr der sogenannte «Swiss Pass» den Betrieb auf. Diese Chip-Karte kann anstelle von GA oder Halbtax genutzt werden. Die Frage der Verfügbarkeit persönlicher Daten wird also bereits dort zum Thema. Parallel dazu sollen die IT-Vertriebssysteme der SBB modernisiert werden. Nur so ist eine flechendeckende Einführung von BIBO möglich.

Erste Pilotphase startet Ende nächsten Jahres

Ende 2015 beginnt eine erste Pilotphase in Zug. 500 Personen testen das neue System jeweils auf zwei Buslinien. Damit sollen erste Kinderkrankheiten erkannt und ausgemerzt werden. Mitte 2017 soll das System im ganzen Kanton getestet werden.

Noch ist unklar was die Umsetzung von BIBO kosten wird. Cyrill Weber, Unternehmensleiter der ZVB schätzt jedoch, «dass sich die Kosten auf einen zweistelligen Millionenbetrag belaufen, wenn der ganze Kanton mitmacht.» Diese ersten Kosten werden zu je einem Drittel von Kanton, SBB und ZVB getragen. Wer das Projekt nachher finanziert, muss allerdings noch geklärt werden.

«Das noch nicht alles perfekt ist, wissen wir. Darauf kommt es jetzt auch noch nicht an.»

Cyrill Weber, Geschäftsleiter der Zugerland Verkehrsbetriebe

«Wir verstehen uns als ÖV-Labor»

Aber warum wird der Test überhaupt in Zug gestartet? «Wir verstehen uns als ÖV-Labor», so Michel. «Wir haben vor zehn Jahren mit den Flirt-Zügen angefangen, auch lancierten wir als erste eine holografische Anzeige im Bahnhof.»

Falls der Pilotversuch in Zug erfolgreich ist, soll BIBO schweizweit ausgedehnt werden. Ein Vorhaben, das wohl nicht so einfach umsetzbar ist. Pilloud sagt: «Derzeit haben wir in der Schweiz einen Tarifdschungel. So ist beispielsweise die Mitnahme von Velos in der Westschweiz anders geregelt, als in der Deutschschweiz. Auch sind die Fahrpreise verschiedener Zonen unterschiedlich festgelegt. Diese müssen für das BIBO-System angepasst werden.» Dafür werde eine Harmonisierungsgruppe eingesetzt, welche sich der Anpassungen der verschiedenen Tarifverbunde annimmt.

Ein erster BIBO-Bus ist in Zug bereits für Demonstrationszwecke in Betrieb. Noch ist die Karte dick und sperrig, noch funktioniert nicht alles perfekt. Dessen ist sich Cyrill Weber aber bewusst: «Das noch nicht alles perfekt ist, wissen wir. Darauf kommt es jetzt auch noch nicht an. Wichtig ist, dass wir nun erst einmal starten, um zu sehen, ob BIBO erfolgsversprechend ist.»

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