Schwinger, Fähnchen und unendlich viele Kühe

«Eidgenössisches» gibt Zug einen Folkloreschub

Steinhausen: Daniel Züslis Skulptur aus Sturmholz. (Bild: mam)

Je näher das «Eidgenössische» rückt, desto mehr putzt sich die Umgebung von Zug mit allerlei Dekorativem heraus. Das meiste kommt nach dem Fest wieder weg. Aber vieles bleibt bestehen – Kunst, aber auch viel Kitsch.

Wenn am 9. August in den Zuger Stierenstallungen der Gabentempel fürs Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (ESAF) eröffnet wird, dann stehen dort auch zwei Schwinger, auf die das Organisationskomitee (OK) mächtig stolz ist.

Die beiden klobigen Gestalten sind aus Holz geschnitzt. Geschaffen wurden sie vom aus Baar stammenden Bildhauer Stephan Schmidlin, der einst als Komiker im Duo Schmirinski bekannt geworden ist.

Tännler überzeugt

Sie stellen eine Extra-Ausgabe des OKs dar. Wie die «Zuger Zeitung» rapportierte, musste sich nämlich OK-Chef Heinz Tännler erst breit schlagen lassen, um für den Preis der Skulptur Platz im Budget zu schaffen – liess sich aber schliesslich für die Schnitzerei begeistern.

Bärenplatz in Cham: Es grüsst Pirmin Reichmuth als Pappkamerad. (Bild: mam)

Nun gibt Schmidlins Arbeit stilistisch die Richtung bei den Dekorationen fürs ESAF vor. Im öffentlichen Raum ist dieser Stil seit geraumer Zeit in Steinhausen sichtbar. Dort zieren zwei «Böse» aus Sturmholz einen Kreisel im Zentrum – erschaffen vom Bildhauer Daniel Züsli.

Bitte um Festschmuck

Den Anstoss zur Dekoration gegeben haben die Organisatoren des ESAF: «Das OK hat mit den elf Zuger Gemeinden Kontakt aufgenommen und beliebt gemacht, dass man Kantonsfahnen aufhängt und Kreisel schmückt», sagt Medienchef Freddy Trütsch. Aber jede Gemeinde habe selber entschieden und eigene Ideen umgesetzt.

«Die Stadt Zug hatte bisher noch keine Festbeflaggung.»

Martin Würmli, Zuger Stadtschreiber

Cham zum Beispiel hat an neuen Installationen gespart. Schliesslich besitzt man auf dem Rabenplatz schon reale Kreiselkunst. Dafür wurden die Holzbären in der Nähe der Gemeindeverwaltung, die das Wappentier von Cham verkörpern, mit Sennenhemden und Zwilchhosen bekleidet. Auf den Bärenplatz selbst hat die Gemeinde Pappfiguren von Schwingern gestellt, mit denen auch die Zuger Kantonalbank ihre Schaufenster dekoriert.

Eine Menge neuer Fahnen

Wieder andere Gemeinden begnügen sich mit Fahnenschmuck und mit Blumen und Schwingerhosen bestückten Infoständen wie Baar oder Walchwil. Auch der Austragungsort selber hat viele Kantons- und Gemeindefahnen gekauft und damit die Ausfallachsen nach Arth und Cham geschmückt.

«Die Stadt Zug hatte bisher noch keine Festbeflaggung», sagt Stadtschreiber Martin Würmli. «Deswegen wurde die Gelegenheit genutzt, eine solche anzuschaffen.»

Zug will übersichtliche Kreisel

Auf dem Rigiplatz in Seenähe wird ausserdem das ESAF Fahnenburgen installieren. Das Festgelände selbst wird ebenso beflaggt und mit vielen Blumen geschmückt, die fünf Eingänge zum Areal speziell dekoriert. Auf der zur «Schwinger-Allee» verwandelten Allmendstrasse wird dann auch Schmidlins Skulptur umgesetzt.

Von rustikalen Holzschnitzereien auf Kreiseln bleiben die Bewohner von Zug indes verschont. «Dies, weil der Stadtrat beschlossen hat, auf Kreiselkunst generell zu verzichten», sagt Nicole Nussberger, Departementssekretärin in der städtischen Bauabteilung. Im Interesse einer besseren Übersichtlichkeit und Verkehrssicherheit auf Kreuzungen würden keine Bewilligungen dafür erteilt.

Züsli: «Keine Kunst»

So bleibt den Zugern auch die Diskussion erspart, ob der öffentliche Raum nun mit Kunst aufgewertet oder mit Kitsch zugestellt wird.

Zwei Sachverständige haben dazu übrigens eine klare Meinung. «Das Kreiselprojekt ist super und eine sehr gute Übung. Aber es zählt für mich nicht als Kunst», sagt etwa der Bildhauer Daniel Züsli zu seiner eigenen Skulptur, die in Steinhausen steht (zentralplus berichtete). «Dieser Einschätzung kann ich beipflichten», meint Kunstwissenschaftler Marco Obrist, der als Kurator fürs Kunsthaus Zug arbeitet.

Wie der EVZ feierte

Weil es sich um einen Dekoartikel handle, der nur vorübergehend genutzt werde, müsse das Ganze relativ günstig und darum auch nicht aufwendig gearbeitet sein, meint Züsli, der unter anderem mit einer Motorsäge ans Werk ging.

Stierenkreisel in Zug: Der EVZ durfte die einzige dekorierte Kreuzung in Zug schmücken. (Bild: zVg)

Permanent stehen bleibt indes die einzige Ausnahme an bewilligtem Kreiselschmuck in Zug – zwei vom Eissportverein Zug angelieferte bronzefarbene Stiere beim Arenaplatz. Damit zelebrierte der Verein vor zwei Jahren sein 50-jähriges Bestehen.

So funktionieren Tierparaden

Vorangegangen war die Zuger «Stierparade» – eine Kunstaktion in der Tradition der sogenannten Tierparaden. Eine solche fand 1996 das erste Mal mit Polyesterkühen in Zürich statt und ist seither weltweit in Dutzenden von Städten mit unterschiedlichen Tieren nachgeahmt worden.

«Stierparade»-Muni an der Ägeristrasse in Zug. (Bild: mam)

Dabei geht es darum, Hunderte von normierten Tiermodellen zu bemalen, sie öffentlich sichtbar zu machen und anschliessend zu versteigern. So trifft Pop Art auf Eventmarketing, Hobby auf Avantgarde, Kunst auf Werbung und Kommerz. Und weil – wie auch im Fall von Zug – oft noch ein karitativer Zweck gefördert wird, ist der Wohltätigkeitsgedanke mit eingebunden.

Vieh aus Kunststoff

Von den Zuger Stieren wurden 2017 insgesamt 120 Rohlinge bemalt und verkauft, an der «Cow Parade» in Zürich waren rund 800 ausgestellt gewesen. Aus beiden Aktionen sind zahlreiche Werke – darunter auch solchem mit künstlerischem Anspruch – in Zuger Gärten und Vorplätzen aufgestellt worden. Sie bilden nun so etwas wie das folkloristische Grundrauschen in Zug. Nicht nur fürs ESAF, sondern auch darüber hinaus.

«Stierparade»-Muni an der Chamerstrasse in Zug. (Bild: mam)
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