Seit Heineken-Übernahme 2008 boomt «Heimat-Faktor»

Eichhof hat rund 30 Beizen an die Brauerei Baar verloren

Ein Biermuseum soll für diesen Herbst am Sternenplatz, im Gebäude des Stadtkellers, realisiert werden.

(Bild: flickr.com)

Zehn Jahre ist es her, dass der Global-Player Heineken die Eichhof-Brauerei übernommen hat. Das hat auch Auswirkungen für den Zuger Biermarkt gezeitigt. Nur in einem Bereich ist das Luzerner Bier in Zug nicht zu toppen.

Ginge es um die Jagd, könnte man von Wildern in fremden Revieren sprechen. Wenns um die Gastronomie und ums Bier geht, spielen sich solche Prozesse nicht ganz so dramatisch ab. Gleichwohl hat sich seit der Übernahme der Eichhof-Brauerei in Luzern 2008 durch den holländischen Bier-Giganten Heineken einiges auf dem Zuger Biermarkt verändert.

Denn je näher man früher Richtung Rotkreuz fuhr, desto eher konnte man davon ausgehen, dass auf den Beizen-Schildern vor allem das Logo von Eichhof-Bier prangte. Tempi passati.

130 bis 150 Beizen im Kanton Zug

«Der Kanton Zug ist fest in unserer Hand, wir konnten den Ennetsee quasi dazu erobern», sagt Martin Uster, Geschäftsführer der Brauerei Baar. Man habe insgesamt schätzungsweise 30 Beizen von Eichhof im Kanton Zug und im Kanton Luzern übernehmen können – selbst habe man an Eichhof dagegen nur etwa fünf Beizen im Kanton Zug abgegeben. «Und es gibt keine Gebietsabsprachen zwischen uns», versichert der 38-jährige Brauereichef.

Wobei Baarer Bier als Gastro-Vollsortimenter bei Getränken nur sieben Gaststätten im Kanton Luzern innehat – unter mehr als rund 200 Beizen in der gesamten Zentralschweiz. Im Kanton Zug inklusive Säuliamt und Freiamt bis Muri seien es zwischen 130 bis 150 Betriebe, aus deren Zapfhähnen der Baarer Bier fliesse. «Der Schwerpunkt unserer Aktivitäten liegt also nach wie vor im Kanton Zug», sagt Uster.

«Die Konsumenten wollen heutzutage einfach wissen, woher das Bier kommt.»

Martin Uster, Geschäftsführer Baarer Brauerei

Dieser Erfolg in Sachen Bierexpansion führt man in Baar vor allem auf die Betonung der Faktoren Heimat und Lokalbier zurück. Die Anzahl Hektoliter an gebrautem Baarer Bier hat sich in den vergangenen zehn Jahren so um rund 220 Prozent gesteigert – auf 2,1 Millionen Liter Bier im letzten Jahr. Eine Menge Bier.

Er hat gut lachen: Martin Uster, Geschäftsführer der Brauerei Baar. In den letzten zehn Jahren, seit der Übernahme der Luzerner Eichhof-Brauerei durch Heineken, hat sich der Bierausstoss in Baar um das Zweieinhalbfache, auf 2,1 Millionen Liter Bier im letzten Jahr, erhöht.

Er hat gut lachen: Martin Uster, Geschäftsführer der Brauerei Baar. In den letzten zehn Jahren, seit der Übernahme der Luzerner Eichhof-Brauerei durch Heineken, hat sich der Bierausstoss in Baar um das Zweieinhalbfache, auf 2,1 Millionen Liter Bier im letzten Jahr, erhöht.

(Bild: Archivbild: Daniela Kienzler)

«Die Konsumenten wollen heutzutage einfach wissen, woher das Bier kommt, woher die Zutaten stammen, wo das Bier gebraut wurde», erklärt der Baarer Brauer. Im Fall der Bierexpansion im Ennetsee habe die Baarer Brauerei auch davon profitiert, dass etwa das Hirsebier mit der Hirse aus Cham produziert wurde. Zudem habe man in die eigene Braukapazität und in den Maschinenpark am Standort Baar in den vergangenen Jahren viel investiert.

Rund 20 Mikrobrauereien in Zug keine Konkurrenz

Aber apropos lokales Bier: Machen da nicht gerade die wie Pilze aus dem Boden schiessenden Mikrobrauereien und neuen Zuger Craft-Biere der Baarer Brauerei wiederum ihr eigenes Revier streitig? Denn rund 20 solcher Craft-Bier-Marken tummeln sich inzwischen auf dem Zuger Biermarkt. Alleine in Menzingen gibt es mittlerweile fünf solcher Kleinstbrauereien.

«Solche Biere sind sicher sehr trendy, aber gleichzeitig auch nicht für den Massenmarkt geeignet.»

Martin Uster

Uster schüttelt den Kopf. «Dadurch, dass wir nur untergäriges Bier wie Lager und Spez brauen, kommen wir mit den Mikrobrauereien nicht ins Gehege, die ja nur obergäriges Bier wie etwa Indian Pale Ale produzieren.» Diese Art von hippen Spezialitäten-Bieren mache derzeit in der Schweiz einen Marktanteil von etwa zehn Prozent aus. «Solche Biere sind sicher sehr trendy, aber gleichzeitig auch nicht für den Massenmarkt geeignet.» Und die Hünenberger Einhorn-Brauerei sei um einiges kleiner als die in Baar. Also, keine gelbe Gefahr.

Beizensterben macht zu schaffen

Was der Brauerei Baar viel mehr zu schaffen macht als die Craft-Beer-Konkurrenz ist laut Uster das Beizensterben in der Gastronomie. «Da verzeichneten wir ein Minus von 0,3 Prozent im letzten Jahr.» Der direkt belieferte Gastrobereich macht noch einen Anteil von rund 15 Prozent in der Ausstossstatistik aus.

Hier überall kann man in Gastrobetrieben Baarer Bier trinken.

Hier überall kann man in Gastrobetrieben Baarer Bier trinken.

(Bild: zvg)

Partys und der freie Getränkehandel kompensieren solche Einbussen jedoch, ebenso wie die Lohnabfüllung des Zürcher Amboss-Biers in Baar. Auch der eigene Getränkemarkt, der «Braui»-Markt, boome. Insgesamt verzeichnet die Brauerei Baar ein Gesamtplus von knapp sechs Prozent 2017 – nicht schlecht, vergleicht man diese Bilanz mit der nationalen Bierproduktion (siehe Box).

«Die Bierbranche versucht diesen Trend zu stoppen, indem sie immer leichtere Biere produziert.»

Martin Uster

Zum anderen reduziert das zunehmende Gesundheits- und Fitnessbewusstsein der Bevölkerung den allgemeinen Bierkonsum. Wurden in der Schweiz in den 90-er Jahren rund 70 Liter Bier pro Person pro Jahr getrunken, sind es im letzten Jahr nur noch gut 54 Liter Bier gewesen.

«Die Bierbranche versucht diesen Trend zu stoppen, indem sie immer leichtere Biere produziert. Künftig will man auch in Baar die Kalorien im Bier auf den Flaschen ausweisen – Eichhof ist da schon vorbildlich. Zudem wollen wir noch mehr die weibliche Kundschaft durch neue Biergeschmacksrichtungen gewinnen», sagt Uster. Denn Bier sei eben noch immer vor allem ein Männergetränk.

In allen Zuger Coop-Filialen vertreten

Auch die Expansion des Baarer Biers im Detailhandel-Revier ist offenbar gelungen. Erhielt man beispielsweise früher in der Chamer Coop-Filiale kein Baarer Bier, ist der Baarer Gerstensaft inzwischen in allen Zuger Coop-Filialen vertreten. «Natürlich haben wir auch den Lokalpolitikern viel zu verdanken, die immer viel Werbung für uns machen», sagt Martin Uster. Und grinst. Dafür würde man dann von der Brauerei oft erwarten, als Co-Sponsor oder Hauptsponsor bei Veranstaltungen einzusteigen.

Eichhof-Werbung an der Bande in der Bossard-Arena: Das könnte sich die Brauerei Baar als «Gerstensaft-Lokalmatador» nicht leisten.

Eichhof-Werbung an der Bande in der Bossard-Arena: Das könnte sich die Brauerei Baar als «Gerstensaft-Lokalmatador» nicht leisten.

(Bild: evz)

In ein klassisches Eichhof-Bier-Revier hat es die Brauerei Baar aber seit Jahren noch nicht geschafft einzudringen – in jenes des EVZ. EVZ und Eichof sind eine verschworene Allianz. Seit Jahrzehnten.

Martin Uster lacht: «Darauf werden wir oft angesprochen. Ich glaube aber nicht, dass dieses Manko für uns einen Imageverlust bedeutet.» Zumal die Brauerei Baar im Vergleich zum EVZ einfach in einer anderen Liga spiele. «Der EVZ spielt halt sehr erfolgreich in der National League A und wir allenfalls in der National League B», sagt Uster und schmunzelt.

EVZ ist zu teuer für Baarer Brauerei

Wobei es die Baarer Brauerei heutzutage durchaus schaffen würde, mengenmässig den Trinkkonsum der Zuger Hockeyfans zu stillen. «Das wäre früher gar nicht möglich gewesen», räumt Uster ein. Trotzdem könnte die Brauerei Baar auch heute noch kein Engagement beim EVZ finanziell stemmen. «Das dafür nötige, sechsstellige Werbebudget würde sofort 50 Prozent unseres Werbebudgets verschlingen», skizziert Uster die Konsequenzen.

Martin Uster, Geschäftsführer der Brauerei Baar, kann sich über ein sechsprozentiges Wachstum freuen. «Der Kanton Zug ist fest in unserer Hand.»

Martin Uster, Geschäftsführer der Brauerei Baar, kann sich über ein sechsprozentiges Wachstum freuen. «Der Kanton Zug ist fest in unserer Hand.»

(Bild: woz)

Dafür fliesst Baarer Bier durch zahlreiche Kickerkehlen. «Wir unterstützen sieben Fussballvereine mit unserem Bier, der grösste Club ist Zug 94», sagt Uster. Und wenn nun der Zuger Fussballklub plötzlich die «Apollo-Rakete» zünden würde und in höhere sportliche Sphären aufsteigen würde? «Die 1. Liga-Promotion wäre für uns noch machbar in Sachen Werbebudget. Ab der Challenge League wirds eng.»

«Wir befinden uns in einem sehr dynamischen Marktumfeld, und es ist völlig normal, dass es immer wieder Verschiebungen gibt.»

Martin Wyss, Communication Specialist Heineken

Und was meint eigentlich die Luzerner Eichhof-Brauerei angesichts der Revierverschiebungen und angesichts des Vormarsches der Baarer Brauerei im Kanton Zug?

«Wir befinden uns in einem sehr dynamischen Marktumfeld, und es ist völlig normal, dass es immer wieder Verschiebungen gibt – mal in die eine, mal in die andere Richtung», sagt Martin Wyss, Communications-Specialist von Heineken ausweichend und bestätigt damit indirekt den Erfolgszug des Baarer Biers. Konkrete Zahlen zu Eichhof will er nicht verraten.

Mit Baarer Bier pflege man zudem ein sehr freundschaftliches Verhältnis. «So sind etwa unsere beiden Unternehmen Vorstandsmitglieder im Schweizer Brauereiverband SBV, und wir besuchen uns auch gegenseitig», sagt Wyss. «Ausserdem begrüssen wir es sehr, wenn die Zentralschweizer Brauereien im eigenen Kernland Erfolge feiern, und sich somit erfolgreich gegen die Mitbewerber von ausserhalb zur Wehr setzen können.»

Schweiz weist weltweit die grösste Dichte an Brauereien auf

Der schweizerische Gesamtbiermarkt verzeichnete im Braujahr 2016/17 ein leichtes Minus von 0,2 Prozent. Der Bierausstoss verringerte sich von 4,62 Millionen auf 4,61 Millionen Hektoliter. Wobei nach wie vor auch das Wetter einen erheblichen Einfluss auf den Bierkonsum hat. Der seit Messbeginn zweitheisseste Juni im letzten Jahr sorgte auch in der Brauerei Baar für Rekordzahlen.

833 Braustätten in der Schweiz

Und trotzdem gibt es immer mehr Brauereien in der Schweiz: Per September 2017 wurden schweizweit 833 Braustätten im «Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien« der Eidgenössischen Zollverwaltung gezählt – das sind 99 mehr als im Vorjahr. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weist die Schweiz damit die grösste Dichte an Braustätten weltweit auf. Allerdings wird 99,2 Prozent des Schweizer Biers von 49 Brauereien gebraut.

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