Umstrittene Rolle der Privaten bei digitalem Ausweis

E-ID: Luzern wirbt für Ja – das kritische Zug bleibt still

Wer soll online unsere Identität bestätigen? Das ist umstritten – und kommt am 7. März an die Urne. (Bild: zvg)

In der Schweiz soll bald jeder eine digitale Identität haben. Dass nicht der Staat diese ausstellen soll, sondern private Akteure, ruft Kritik hervor. Besonders in Zug – einem der Vorreiter in dieser Sache – hegt man Bedenken. Der Luzerner Regierungsrat legt das Augenmerk hingegen auf eine andere Sorge.

Die Steuererklärung im Internet ausfüllen, beim Weinkauf im Onlineshop das Mindestalter vorweisen oder im eigenen elektronischen Patientendossier einen Arztbericht einsehen: Für all das sollen Bürger künftig einen digitalen Ausweis verwenden können. Statt Dutzende Logins bräuchte es nur noch die eine, gesetzlich geregelte elektronische Identifizierung.

Am 7. März stimmt die Schweiz über die Details des neuen E-ID-Gesetzes ab. Die Vorlage ist umstritten, weil nicht der Staat die E-ID ausstellen wird, sondern private Firmen. Besonders auf linker Seite ein No-Go.

«Ich möchte gerne Staatsbürgerin bleiben und nicht Konzernbürgerin werden», sagte Rahel Estermann diese Woche im Luzerner Kantonsrat. Die Digitalisierungsforscherin und grüne Politikerin wird am 7. März ein Nein einlegen. Von der Regierung wollte sie in einer dringlichen Anfrage wissen, ob sie ihre Bedenken teilt.

Kritik an der Rolle der Privaten

Der bürgerliche Luzerner Regierungsrat, der sich nur selten zu nationalen Vorlagen äussert, hat zu dieser Abstimmung ausdrücklich Stellung bezogen: Er empfiehlt ein Ja zur E-ID. Auch die anderen bürgerlichen Parteien im Luzerner Kantonsrat, inklusive einer Mehrheit der Grünliberalen, schlossen sich dem an.

«Wir vertreten den Standpunkt, dass die Herausgabe elektronischer Identitäten eine hoheitliche Aufgabe des Staates sein muss.»

Heinz Tännler, Zuger Regierungsrat

Anders im – ebenfalls bürgerlichen – Kanton Zug. Er, der in Sachen Digitalisierung zu den Vorreitern zählt, steht dem neuen Gesetz kritisch gegenüber. «Wir vertreten den Standpunkt, dass die Herausgabe elektronischer Identitäten eine hoheitliche Aufgabe des Staates sein muss», sagt Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) auf Anfrage.

Das nun vom Bund vorgesehene System mit privaten Anbietern führe zu höheren Kosten für die Kantone, die Firmen über ihre Betriebskosten an die Kantone weitergeben würden. «Die Kantone werden auf diese Weise vom Kosten- und Ertragsmodell dieser Dienstleistenden abhängig, was wir ablehnen.»

Luzern befürchtet Verzögerung

Ähnlich klingt es aus der Stadt Zug, die mit einer neuen App kürzlich bereits einen weiteren Schritt Richtung digitale Verwaltung getan hat (zentralplus berichtete). «Der Stadtrat ist der Ansicht, dass die Herausgabe einer E-ID eine staatliche Aufgabe sein sollte», heisst es auf Anfrage. Ihr Stadtschreiber Martin Würmli ist gar Mitglied im Komitee «Nein zum E-ID-Gesetz». Er hat sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch dazu geäussert, dass Private in diesem Bereich mitmischen. Es sei naiv zu glauben, dass sie ohne kommerzielles Interesse agierten, sagte er beispielsweise gegenüber der NZZ.

«Wie beim Pass oder der Identitätskarte, die durch akkreditierte Unternehmen hergestellt werden, ist der Staat weiterhin für die amtliche Bestätigung einer Identität zuständig.»

Luzerner Regierungsrat

Die Kritik an der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Privaten teilt die Luzerner Regierung nicht. Sie betont vielmehr die Vorteile dieser Privat-Public-Partnerschaft. Indem das bestehende Know-how von Schweizer Unternehmen genutzt werde, lasse sich die E-ID rasch umsetzen, ohne dass die Kontrollfunktion des Staates geschwächt oder hoheitliche Rechte beschränkt würden.

«Wie beim Pass oder der Identitätskarte, die durch akkreditierte Unternehmen hergestellt werden, ist der Staat weiterhin für die amtliche Bestätigung einer Identität zuständig», schreibt der Regierungsrat in seiner Stellungnahme auf Rahel Estermanns Anfrage.

Wieso sich Zug zurückhält – und Luzern nicht

Trotz ihrer Bedenken halten sich in Zug sowohl der Kanton als auch die Stadt – im Unterschied zum Kanton Luzern – im Abstimmungskampf zurück. Es sei in erster Linie Sache der Parteien und weiterer privater Akteure, die Stimmberechtigten von den Vor- und Nachteilen einer Vorlage zu überzeugen, begründet der Zuger Regierungsrat Heinz Tännler.

Der Luzerner Regierungsrat macht hingegen ein «besonderes Interesse» des Kantons an dieser Vorlage geltend. Denn gerade die Kantone und Gemeinden seien – noch stärker als der Bund – auf den direkten Kontakt mit den Einwohnern ausgerichtet. Luzern will die E-ID insbesondere beim geplanten Einwohnerportal einsetzen. Über diesen digitalen Schalter können die Bürger künftig alle Amtsgeschäfte erledigen – beispielsweise einen Betreibungsauszug bestellen oder die offenen Steuerrechnungen überblicken.

Doch dazu braucht es einen digitalen Ausweis. Und ein Nein am 7. März würde nach Ansicht der Luzerner Regierung zu massgebenden Verzögerungen führen. Denn in diesem Fall müsste der Kanton eine Alternative finden.

Welche Seite am 7. März jubeln kann, ist derzeit ungewiss. Gemäss der neusten, am Freitag veröffentlichten SRG-Umfrage kommen die Befürworter auf eine knappe Mehrheit von 52 Prozent. Und: Nicht nur bei SP und Grünen, sondern auch unter den SVP-Wählern und den Parteiungebundenen finden sich viele skeptische Bürger.

Macht der Kanton Zug den privaten Firmen Konkurrenz?

Der Kanton Zug kennt mit seinem «Zuglogin» bereits eine elektronische Identifikation. Bis heute sind dort insgesamt über 21’500 Konten registriert, davon 144 Unternehmen, wie Finanzdirektor Heinz Tännler sagt. Die können auch in Zukunft genutzt werden, verspricht die Regierung.

«Bei einem Ja zur E-ID-Vorlage werden wir zusätzliche Vorgaben für die Nutzung von Zuglogin machen, damit auch die bereits registrierten Benutzerkonten den Anforderungen des E-ID Gesetzes entsprechen.» Das könnte beispielsweise erfolgen, indem die Betroffenen einmalig bei der Einwohnerkontrolle vorbeigehen müssten.

Der Kanton Zug könnte sich gar vorstellen, selber als einer der Anbieter einer E-ID aufzutreten. «Da Zuglogin eine E-ID ist, die von Staat herausgegeben wird, ist ein gesamtschweizerisches Angebot der Lösung zu gegebener Zeit durchaus möglich», sagt Tännler.

Ob das möglich sein wird, ist allerdings ungewiss. Eine Sprecherin des Bundesamts für Justiz äusserte sich kürzlich dahingehend, dass die Lösung aus Zug vom Bund nicht als geregelte E-ID anerkannt würde. Auf diese Aussage verweist derzeit auch die Stadt Zug. «Da die Verordnung zum E-ID-Gesetz und die entsprechenden Details nicht bekannt sind, können wir aktuell auch noch keine Stellung beziehen.»

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Miss Trauen
    Miss Trauen, 03.02.2021, 05:39 Uhr

    Mein Tipp: Hüte dich davor, Deine persönlichsten und heikelsten Daten in die Hände von privaten Grosskonzerne zu geben! Wenn ihr wüsstet, was heute schon für einen Adress- und Datenhandel besteht……. oder was denkt ihr? Warum kloppen sich all die Grosskonzerne so sehr darum? Hier darf es nur ein NEIN geben.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon