Theatersport Improphil im Casineum Luzern

Dschibuti – oder «wo die Menschen noch leidenschaftlich sind»

Improphil sind Schweizer Meister im Improvisationstheater im 2016/17.

(Bild: Katharina Wolf)

Mit ganz wenig Ausstattung und ohne Vorbereitung ganz viel Entertainment anbieten: So lautet das angestrebte Ziel des Luzerner Ensembles für Improvisationstheater Improphil. Vom Minimusical über existenzielles Theater bis zum Westernsketch wurde dem Publikum im Casineum Luzern diesen Donnerstag ein bunter Mix «Theatersport» aufgetischt.

Es hätte wohl schwierig werden können, einer typischen Szene zu folgen, wäre man zu spät zur Veranstaltung gestossen. Da steht etwa wild gestikulierend und mit expressiver Intonation Schauspielerin Monika Nänni gemittet und konzentriert im Bühnengeschehen, um ein Gedicht in phantasie-sri-lankisch vorzutragen. Währenddessen wird das Gedicht vom Schauspielkollegen Gunter Lösel fortlaufend auf Deutsch übersetzt. Das Werk trägt den Titel «Der Apfel», der von einer Zuschauerin ausgesucht wurde, und entpuppt sich im Laufe der Performance als kleine Coming-of-Age-Story.

So funktioniert das Konzept des Theaters

Vier Darsteller bekommen unter der Moderation von Reto Bernhard und musikalischer Begleitung sowie Inspiration durch Christian Riesen am Klavier vom Zuschauerraum auf spielerische Weise Inputs für immer wieder neu beginnende und sich frei von der Leber weg konstituierende Minitheaterstücke. Dabei treten die Bühnenkünstler in Zweierformationen gegeneinander an und so wird die ganze Angelegenheit zum Wettkampf, der sich Theatersport nennt. Kampfrichter spielt natürlich auch das Publikum.

Ort der Spontaneität und Hemmungsfreiheit

Überhaupt fällt auf, wie leicht und ungezwungen sich die Zuschauer in die Rolle der aktiven Mitgestalterin überführen lassen. Die für die hiesige Bevölkerung bekannten Klischees der Zurückhaltung treffen für einmal nicht zu. Das Publikum ist laut, hält sich nicht mit Zwischenrufen für Spielideen zurück und honoriert das Gebotene regelmässig mit tobendem Applaus und La-Ola-Wellen.

Der Theaterabend scheint auf diese Weise eine Art Zwischenwelt zu erschaffen, in der die sonst geltenden Normen zumindest in Sachen Spontaneität und Gehemmtheit ein bisschen ausgeschaltet bleiben. Sicherlich ist es dabei die Spielfreude und Leidenschaft der Theatergruppe, mit der zum Beispiel vier Songs von Reggae bis Jazz zum Thema Magenbrennen angegangen werden. Oder die Ausgelassenheit, wenn in einer Szene einem nichtsahnenden Mitarbeiter aufgrund seines unerträglichen Achselschweisses gekündigt werden muss, die auf die Zuschauer ansteckend wirkt.

Die Szenen sind ohne Drehbuch und mit Input aus dem Publikum improvisiert.

Die Szenen sind ohne Drehbuch und mit Input aus dem Publikum improvisiert.

(Bild: Katharina Wolf)

Gleichzeitig gelingt es Improphil aber auch zwischen den einzelnen kleinen Stücken, den Unterhaltungswert ihrer Produktion nicht ablaufen zu lassen. So geht Lösel nochmals zum Bühnenrand nach einem gespielten Intermezzo zwischen einem Ehepaar, das seine Leidenschaft im heissen Dschibuti unter ebensolch heissblütigen Afrikanern neu entfachen möchte. Ganz förmlich und politisch korrekt entschuldigt er sich für seine political incorrectness und wird vom Moderator hochoffiziell verdankt, bevor es weitergeht in der Improvisation.

«Am Ende aller Tage ist dann auch noch ein Tag und auch der ist am Abend fertig.»

Randulf Lindt

Poetische Zwischenklänge oder Wettkampfgeist

Zwischen all dem Klamauk glitzert manchmal ein fast poetischer, gefühlvoller Moment hervor, von dem man sich auch noch das eine oder andere mehr wünschen möchte. Besonders Nicole Erichsen zeigt ihr schauspielerisches Talent in ein paar sehr überzeugend sehnsuchtsvollen Sekunden bei einer kleinen Geschichte um ein steinaltes Pärchen. Dieses träumt davon, vor dem Tod bloss noch einmal gemeinsam Pilze sammeln zu gehen.

Erichsens Gegenüber Randulf Lindt formuliert dazu bedeutungsschwanger: «Am Ende aller Tage ist dann auch noch ein Tag und auch der ist am Abend fertig.» Bei solch genussvollen Theateraugenblicken, die ohne Drehbuch zustande kommen, fragt man sich zwischendurch, ob der Wettkampfmodus wirklich unabdingbar ist.

<p>Die Szenen sind ohne Drehbuch und mit Input aus dem Publikum improvisiert.</p>

(Bild: Katharina Wolf)

Zweiter wird immer erster

Obendrein ist festzustellen, dass praktisch immer jenes Team die Runde gewinnt, das als zweites an der Reihe war. Es darf darum hier angemerkt werden, dass das Erinnerungsvermögen ohnehin fast immer die zuletzt gesehene Szene als die Beste in den Vordergrund des Publikum’schen Bewusstseins rückt und den Wettkampf eigentlich obsolet macht.

Nichtsdestotrotz – das Prinzip scheint mehr als zu gefallen, die Abstimmzettel werden jeweils eifrig in die Höhe gereckt. Und vielleicht passt ja in einer Zeit das Konkurrenzdenken auch ganz gut ins Theater, wo Improvisationsschauspieler in der wettbewerbsvernarrten Wirtschaftswelt Arbeit bei Veranstaltungen und Workshops finden.

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