Das sagt die Präsidentin des Arbeitsgerichts Luzern

Druck auf Ungeimpfte: Was erlaubt ist und was nicht

Doris Wobmann ist die Präsidentin des Arbeitsgerichts Luzern. (Bild: ber)

Wegen der Corona-Pandemie stellen sich im Arbeitsrecht neue Fragen. Zum Beispiel: Kann mich meine Chefin zum Impfen zwingen? Doris Wobmann, die Präsidentin des Arbeitsgerichts Luzern, sagt, was der aktuelle Kenntnisstand ist – und welche Fragen im Moment offen bleiben.

zentralplus: Ich habe kürzlich ein Job-Inserat einer Luzerner Firma entdeckt. Da stand, dass sie nur Geimpfte einstelle. Verstösst das gegen das Diskriminierungsverbot?

Doris Wobmann: Als private Arbeitgeberin kann ich einstellen, wen ich will. Also suche ich eine Person, die für den eigenen Betrieb optimal ist. Im Pflegebereich kann ich mir vorstellen, dass es einiges erleichtert, wenn die Mitarbeitenden geimpft sind. Eine so klare Formulierung ist sehr transparent. Ob sie zulässig ist, müsste im Einzelfall geprüft werden. Aktuelle Beispiele finden sich bereits bei verschiedenen Fluggesellschaften.

zentralplus: Aber in der Bundesverfassung heisst es doch unter anderem, es dürfe niemand wegen seiner «weltanschaulichen oder politischen Überzeugung» diskriminiert werden.

Wobmann: Trotzdem kann die Frage nicht allgemein beantwortet werden. Arbeitsrechtlich geht es wohl weniger um das Diskriminierungsverbot als um den Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmerin, des Arbeitsnehmers. Art. 328 des Obligationenrechts verlangt, dass der Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers achtet und schützt. Zudem muss er Massnahmen zum Gesundheitsschutz seiner Mitarbeitenden treffen, soweit ihm dies zugemutet werden kann.

«Es dürfte in der Praxis kaum vorkommen, dass eine Entlassung ausdrücklich mit einer Impfverweigerung begründet wird.»

zentralplus: Darf mich meine Chefin überhaupt fragen, ob ich geimpft bin?

Wobmann: Ich denke, das ist in der aktuellen Situation legitim. Es ist Aufgabe der Arbeitgeberin, ein funktionierendes Schutzkonzept für die Mitarbeiter zu erarbeiten.

zentralplus: Kann mich mein Chef auf die Strasse stellen, wenn ich mich nicht impfen lassen will?

Wobmann: Es dürfte in der Praxis kaum vorkommen, dass eine Entlassung ausdrücklich mit einer Impfverweigerung begründet wird. Da werden in der Regel andere Gründe vorgeschoben. Der Nachweis, dass es sich um eine missbräuchliche Kündigung handelt, ist relativ schwierig zu erbringen. Die Antwort ist also: Theoretisch zurzeit nein, praktisch möglicherweise schon.

«Im Vergleich zur Impfung ist der Eingriff in die persönliche Freiheit bei einem Spucktest deutlich geringer.»

zentralplus: Gerade im Pflegebereich ist die Angst vor einem Impfzwang weit verbreitet. Ist diese berechtigt?

Wobmann: Letztlich werden Gesellschaft, Politik und Rechtsprechung über diese Frage entscheiden. Es gibt auch Alternativen zur Impfung, wie Maskenpflicht oder Abstandsvorschriften, die im Zusammenhang mit einem konkreten Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind. Gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft ist es nur möglich, eine Impfung zu verlangen, wenn eine hohe Gefährdung mit diesen Mitteln nicht eingedämmt werden kann (zentralplus berichtete).

zentralplus: Wenn wir bei Alternativen zur Impfung sind: Darf der Arbeitgeber verlangen, dass ich mich regelmässig auf Corona testen lasse?

Wobmann: Ich persönlich finde klar: Ja. Ich denke, wir sind uns einig, dass das nicht angenehm ist. Im Vergleich zur Impfung ist der Eingriff in die persönliche Freiheit bei einem Spucktest aber deutlich geringer. Der Effekt, wenn symptomfreie Erkrankungen frühzeitig erkannt werden, ist aber gross. Testen scheint mir daher verhältnismässig zu sein. Das Seco vertritt die Haltung, dass das Testen für bestimmte, besonders exponierte Arbeitnehmergruppen angeordnet werden kann. In der Regel muss der Test aber freiwillig erfolgen.

«Die Kosten für die Tests hat aus meiner Sicht der Arbeitgeber zu tragen.»

zentralplus: Der Bundesrat will die Corona-Tests bald kostenpflichtig machen. Muss ich als Arbeitnehmerin dann dafür zahlen?

Wobmann: Nein, diese Kosten hat aus meiner Sicht der Arbeitgeber zu tragen. Er ist es, der sich entscheidet, regelmässige Tests durchzuführen, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Da wird wohl noch so manche Firma eine neue Buchhaltungsziffer für Ausgaben im Zusammenhang mit Corona einführen müssen.

zentralplus: Die Sommerferien-Saison ist nun vorbei. Habe ich Anspruch auf Lohn, wenn ich nach der Rückkehr aus den Ferien in Quarantäne muss?

Wobmann: Wenn bereits vor der Abreise klar war, dass es sich um ein Risikoland handelt, ist der Ausfall von der Mitarbeiterin selbst verschuldet und es besteht kein Lohnanspruch. Wenn sich die Quarantäneregeln während dem Aufenthalt ändern, ist es wohl ein Fall der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.

zentralplus: Verschiedene Medien haben Mitte August berichtet, dass der Grosskonzern Google Homeoffice-Arbeitern das Salär empfindlich kürzen will – weil die Mitarbeiterinnen mehr Zeit für sich haben, wenn das Pendeln wegfällt. Wäre so ein Modell in der Schweiz denkbar?

Wobmann: Das kann ich mir schwer vorstellen. In der Schweiz ist der Arbeitsweg in aller Regel nicht bezahlt. Schon deshalb kommt eine Lohnkürzung nicht in Betracht.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Ercolani Enrico
    Ercolani Enrico, 30.08.2021, 13:25 Uhr

    Es ist so einfach und gratis! Man lässt sich impfen und die Probleme sind gelöst.

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    • Profilfoto von Groucho
      Groucho, 30.08.2021, 19:14 Uhr

      Genau, es ist so einfach; nehmen wir Polio als Beispiel: nicht auszudenken, wo wir heute stünden, gäbe es diese Impfung nicht – Polio ist zu 99,9 % ausgerottet.

      Also: impfen lassen – auch den Mitmenschen zuliebe !

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