Zürcher dürfen Zuger Gemeinde doch nicht beheizen

Drei Jahre nach Ankündigung: Wärmeverbund Cham wird zu Grabe getragen

Die Firma Pavatex neben der Papierfabrik ist nicht am Projekt beteiligt.

(Bild: zvg)

2014 kündigte Cham seinen Wärmeverbund mit dem Elektrizitätswerk Zürich gross an – nun ist das Projekt gestorben. Lokale Hausbesitzer sind enttäuscht und sprechen von «Etikettenschwindel» punkto der Umweltfreundlichkeit und der Energiepolitik der Gemeinde.

«Cham will in den nächsten Jahren die gemeindeeigenen Bauten an den neuen Wärmeverbund anschliessen», heisst es auf der Webseite der Gemeinde Cham, die immer wieder die Werbetrommel für das Projekt rührte.

Schliesslich trägt Cham die Auszeichnung «Energiestadt mit Goldlabel». Nicht nur die Gemeinde, auch private Hausbesitzer hatten Abnehmerverträge für die umweltfreundliche Heizart unterschrieben.

Das Netz hätte zum Beispiel von der Abwärme der Pavatex SA und der Kläranlage Schönau oder aus anderen lokalen Wärmequellen, die aus ökologischen Gesichtspunkten Sinn machen wie Seewasser und Erdsonden gespiesen werden sollen.

Offiziell zu wenig Abnehmer

Passiert ist aber nie etwas. Der ursprüngliche Baubeginn war für 2016 vorgesehen. Die potentiellen Kunden wurden immer wieder vertröstet, wie Recherchen von zentralplus zeigen. Schnell kamen deshalb Vorwürfe von Intransparenz an die Gemeinde und falschen Versprechungen an die Adresse des EWZ auf.

Boten WWZ billiges Erdgas an?

Die offizielle Begründung für die Sistierung des Wärmeverbund-Projekts sind fehlende Abnehmer. Ein weiterer Grund könnte wirtschaftlicher Natur sein. Die Wasserwerke Zug (WWZ) sollen Hausbesitzern im Perimeter des geplanten Wärmeverbunds Erdgas zu einem «unschlagbaren Preis» angeboten haben, hat zentralplus aus zuverlässiger Quelle erfahren. zentralplus konfrontierte die WWZ-Geschäftsleitung bereits am Dienstag per Mail mit dem Vorwurf, erhielt jedoch keine Antwort. Eine WWZ-Sprecherin verwies auf die von der Gemeinde Cham verschickte Medienmitteilung. Diese werde alle offenen Fragen klären – was sie aber keineswegs tut.

Nun ist die Sache ganz gestorben: Das EWZ sistiere die Planungsarbeiten am Projekt, teilte die Gemeinde Cham am Mittwoch mit. «Aufgrund des attraktiven Preismodells für die potenziellen Wärmekunden erhielt im Dezember 2014 das EWZ den Zuschlag», sagt Lena Harm von der EWZ-Medienstelle in Zürich. «Trotz des vorhandenen Potenzials gelang es nicht, genügend Wärmekunden zu gewinnen, um mit den Bauarbeiten am Wärmeverbund beginnen zu können». Deswegen habe man entschieden, die Planungsarbeiten am Chamer Wärmeverbund zu sistieren.

Kampf der Elektrizitätswerke

Begonnen hat alles, als Cham den Zürchern den Zuschlag für das Projekt gab. Das EWZ hatte sich auf eine öffentliche Ausschreibung beworben. Es begründete die Verzögerungen gegenüber reklamierenden Hausbesitzern jeweils mit den juristischen Verfahren, welche die Wasserwerke Zug (WWZ) gegen ihre Konkurrenz angestrengt hatten. Das bestätigt die Gemeinde jetzt indirekt in ihrer Mitteilung: «Die notwendigen Akquisitions- und Projektierungsarbeiten wurden jedoch aufgrund einer Einsprache verzögert.»

Die Gemeinde Cham preist sich gerne als Energiestadt mit Goldlabel an.

Die Gemeinde Cham preist sich gerne als Energiestadt mit Goldlabel an.

(Bild: Screenshot Cham.ch)

Juristisches Verfahren

Die WWZ reichten zuerst eine Verwaltungs- und Aufsichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht ein, und erhielten teilweise Recht. Der Grund für das Vorgehen: Die WWZ will in Cham drei Wärmenetze betreiben und diese verbinden; der geplante Wärmeverbund hätte demnach die Ausbaupläne übermässig eingeschränkt. Die Beschwerden hatten zur Folge, dass der Konzessionsvertrag zwischen der Gemeinde und dem EWZ angepasst wurde.

Dann doppelten die WWZ mit einer Verwaltungsbeschwerde nach. Diese ist inzwischen zurückgezogen worden.

Offiziell sind also zu wenig Kunden der Grund, dass sich EWZ zurückzieht. Im April 2015 war von 150 Offerten die Rede, welche die EWZ an interessierte Eigentümer versandt hätten. Gegenüber der «Zuger Zeitung» sprach Christoph Deiss, Leiter Energielösungen des Zürcher Elektrizitätsunternehmens, in einem Betrag vor einem Jahr von bloss zwei Kündigungen. «Infolge der Verunsicherung dürften zahlreiche Offerten aber gar nicht erst unterschrieben worden sein», sagte Deiss.

Hausbesitzerin enttäuscht

Was sagen betroffene Hausbesitzer zum Tod des umweltfreundlichen Projekts? Die ehemalige grünliberale Kantonsrätin Michèle Kottelat ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses an der Hünenbergerstrasse in Cham, in dem auch die Gemeinde eingemietet ist. «Ich bin konsterniert und enttäuscht», sagt Kottelat, als zentralplus sie mit der schlechten Neuigkeit konfrontiert. «Für mich machte das Projekt Sinn.»

Kottelat hatte einen Abnehmervertrag für Erdwärme unterschrieben. Sie hat bereits Solarpanels auf dem Dach und hatte das Haus energetisch saniert. «Seit eineinhalb Jahren haben wir vom EWZ nichts mehr gehört», erklärt sie. Ein Liefertermin sei nie genannt worden. «Wir wollten die Ölheizung, die sanierungsbedürftig ist, auf umweltfreundliche Erdwärme umstellen», sagt Kottelat.

Das Label der Energiestadt Cham bezeichnet die Stadtzugerin als «Etikettenschwindel». «Alle reden von Nachhaltigkeit, doch ist nichts dahinter», fügt Kottelat hinzu. Sie sei der Meinung, dass die Gemeinde Cham den Lead in dieser Sache hätte übernehmen sollen.

Fossile Energieträger als Alternative?

Die Gemeinde Cham hat sich jedoch vornehm zurückgehalten. Sie hat keinen Rappen in die geplante neue Infrastruktur investiert wollen. Der Zürcher Stadtrat hatte bereits einen Kredit von 19,3 Millionen Franken für das Projekt in der Innerschweiz bewiligt.

Und wie gehts jetzt weiter? Nachdem die Gemeinde mit unseren Recherchen konfrontiert wurde, publizierte sie ihre Medienmitteilung vor dem geplanten Termin. «In Cham haben Liegenschaftsbesitzer viele Alternativen zur Wärmeversorgung bezüglich des Energieträgers. Ob Abwärme, erneuerbare Energien oder Erdsonden, Holz, Gas oder Heizöl verwendet werden, liegt im Ermessen der einzelnen Liegenschaftsbesitzer», schreibt die Gemeinde schwammig.

WWZ-Energiezentralen springen in die Lücke

Der Berg hat überdies eine Maus geboren: Laut Mitteilung der Gemeinde wird momentan durch die WWZ und die Pavatex SA geprüft, ob die Pavatext-Abwärme wenigstens im Chamer Dorfzentrum genutzt werden kann. «Angestrebt wird, dass die bestehenden WWZ-Energiezentralen im Gebiet Neudorf und Cham-Zentrum sowie weitere Kunden ökologisch versorgt werden können.»

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