Stadt Luzern debattiert über Tourismus der Zukunft

Drehkreuze wie in Venedig? Tourismus-Experte winkt ab

Lösung oder doch Diskriminierung: Karikatur einer Vision à la Venedig, auf dem Podium gezeigt.

(Bild: Luzern Tourismus)

Wenn selbst Touristen Luzern «zu touristisch» empfinden, wie soll es da an einem öffentlichen Podium am Donnerstagabend nicht heiss zu und her gehen? Zumal, wenn einer den Tourismus mit einem Esel vergleicht. Vorhang auf für eine weitere Diskussion zu Luzerns brisantestem Thema. 

«Geschlitzte», so nannte ein Mann aus dem Volk bei der Diskussionsrunde die asiatischen Touristen in Luzern. Er selber «wohnt schon seit immer in der Stadt». Und er berichtete, dass er die Chinesen nicht verstehe, und dass sie auch nichts von ihm wissen wollen. Ein anderer aus dem Publikum berichtete von seinem Besuch in Singapur, dort sei der Verkehr leise geflossen, er habe keinen Lastwagen gesehen und der öffentliche Verkehr sei sauber unterirdisch versorgt.

Das klang nach Verletzungen und Revierkämpfen, es waren die emotionalen Höhepunkte einer ansonsten ernsthaften Diskussion mit wenig neuen Erkenntnissen. Am Donnerstagabend hatten Luzern Tourismus und das Tourismus Forum Luzern in den Schweizerhof geladen, es war die Zweitauflage des Podiums mit dem Thema «Tourismus Luzern – wohin?»

Stadt und Region, Politiker und Volk

Verkehrschaos wegen Cars, Horden von Asiaten in der Luzerner Altstadt, Verdrängung der traditionellen Läden durch Uhrenshops – ja, wo führt der Tourismus in Luzern hin? Das treibt die Stadt und die Region, die Politiker und auch das Volk um. Schon seit langem, immer wieder. Auch jetzt: Rund 100 Interessierte hörten sich die Referate anlässlich der Informationsveranstaltung über die Zukunft im altehrwürdigen Hotelsaal an und mischten sich in der anschliessenden, leider viel zu kurzen Fragerunde ein. 

«Es ist halt schon verflucht hektisch in Luzern.»

Jürg Stettler, Touristikdozent der Hochschule Luzern 

Jürg Stettler, Theoretiker von der Hochschule Luzern, bekannt für Klartext, hetzte im ersten von zwei Inputreferaten durch seine Folien mit vielen Statistiken. Doch was bleibt, ist wie er spürt, dass «es halt schon verflucht hektisch in Luzern» sei.

Dozent Stettler schilderte, wie ihm bei seinem Besuch in Venedig unlängst imponierte, dass die Touristen neuerdings mittels Drehkreuzen reguliert werden. «Es hat ungleich mehr Besucher als bei uns, doch die Stimmung ist in der Lagunenstadt weitaus entspannter als in Luzern.»

«Enjoy and respect»-Plakate in Venedig

Drehkreuze könne er sich für Luzern dennoch nicht wünschen, aber die «Enjoy and respect»-Plakate in Venedig, auf denen man aufgefordert werde zu geniessen und die Einheimischen zu respektieren, machten ihm Eindruck.

Fast voller Schweizerhofsaal: Rund 100 Interessierte verfolgten die Diskussion, rechts Moderator Eiholzer.

Fast voller Schweizerhofsaal: Rund 100 Interessierte verfolgten die Diskussion, rechts Moderator Eiholzer.

(Bild: hae)

Luzern ist neuerdings nicht alleine mit seinen emotionalen Tourismus-Diskussionen. Diesen heissen Sommer regte sich Widerstand allenorten in Europa: Barcelona, Mallorca und Venedig erlebten hitzige und auch aggressive Protestaktionen.

Dahingegen ist es bei uns sittsam: Obwohl die Fragen zum Tourismus in Luzern Bürger und Medien seit Jahren schon beschäftigen. «Wie viel Tourismus verträgt Luzern?», fragte man beispielsweise bei der Podiums-Erstauflage vor gut einem Jahr in ähnlichem Rahmen, was schon damals die Massen ins Hotel Palace trieb (zentralplus berichtete).

«Eine Besucherlenkung ist nicht einfach, was wir brauchen ist Qualitätstourismus.»

Marcel Perren, Luzerner Tourismusdirektor 

Marcel Perren, der im Gegensatz zum Experten Stettler für die Praxis verantwortliche Luzerner Tourismusdirektor, war dahingegen bei seinem Referat vergleichsweise trockener, und so auch weniger unterhaltsam. «Eine Besucherlenkung ist nicht einfach. Was wir brauchen ist Qualitätstourismus.»

79 Prozent Individualtourismus

Was von Perrens Vortrag blieb, war die rasante Entwicklung hin zum Individualtourismus, der derzeit 79 Prozent ausmacht. Wohingegen gefühlt alle glauben, die Mehrheit der Touristen käme immer noch in den Cars nach Luzern.

Doch was stutzig machte bei Marcel Perrens Ausführungen: Im Vergleich mit Umfragen in der Gesamtschweiz fühlen sich Touristen in Luzern doppelt so abgeschreckt durch das teure Angebot. Und am störendsten wird von den Besuchern aus dem Ausland empfunden, dass unsere Stadt so arg touristisch sei. Wie man das mit dem angestrebten Qualitätstourismus in Einklang bringen wollte, das konnte auch Perren nicht klarmachen.

Auch die Podiumsdiskussion brachte da keine neuen Erkenntnisse. Moderator Stefan Eiholzer, Leiter des SRF-«Regionaljournals» Luzern, bat folgendes Quartett an Stehtische auf die Bühne: André Bachmann, Co-Präsident «IG für ein weltoffenes Luzern», Korintha Bärtsch, Grüne Luzern, Bruno Heini, Heini Conditorei AG, und Ferdinand A. Zehnder, Hotelier und Präsident Luzern Tourismus.

«Bahnen, Schiffe und Museen entstanden erst aufgrund des Tourismus in diesem Ausmass.»

Ferdinand Zehnder, Hotelier und CVP-Politiker

Die Unternehmer betonten einmal mehr, wie wichtig der Tourismus für unsere Region sei und kantonal sechs Prozent des Umsatzes einbrächte. Nicht zu vergessen, dass «Bahnen, Schiffe und Museen erst aufgrund des Tourismus in diesem Ausmass entstanden», so Zehnder. Und dass schon 1969 der Verkehr als grosses Problem der Touristenscharen erkannt worden sei. Man solle also endlich Sach- und nicht mehr Parteipolitik machen, gerade bei diesem brisanten Thema.

Rekordjahr mit fast 6 Prozent Zuwachs

Grundsätzlich hat man ja, so betrachtet, Grund zur Freude: Gemäss Bundesamt für Statistik wurden im vergangenen Jahr in der Stadt Luzern 1‘343‘229 Übernachtungen gezählt, was eine Zunahme von 5.8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein Rekordjahr bedeutet (zentralplus berichtete).

Doch die Problemdiskussion solle bitte nicht bei den Stadtmauern, also im Tribschen und beim Verkehrshaus, enden, forderte Korintha Bärtsch. Kurz: Man solle das Problem doch endlich klar diskutieren. Doch da brach Radiomann Eiholzer ab, schliesslich gab es einen Apéro. Und man will ja in dieser Stadt, «in der wir leben dürfen, während andere um die halbe Welt zu uns herreisen» (Heini), sich doch noch vergnügen.

Wie hatte Ferdinand Zehnder einleitend doch so treffend gesagt: «Der Tourismus wird behandelt wie ein Esel, mal wird er gestreichelt und dann wieder getreten.»

Wie viele dürfen’s sein? Touristen am Schwanenplatz.

Wie viele dürfen’s sein? Touristen am Schwanenplatz.

(Bild: Aura)

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