Galvanik Zug zwischen Punk, Pädagogik und Promoaktion

Dominic Deville liest aus seinem Buch und spuckt alkoholfreies Bier

Dominic Deville war am Freitag in der Galvanik zu Besuch, mit Buch und Bier. (Bild: Roger Meier)

In der Galvanik stellte der aus dem Fernsehen bekannte Comedian Dominic Deville seinen literarischen Erstling «Pogo im Kindergarten» vor. Ein Einblick in die chaotischen Seiten der Pädagogik und gleichzeitig ein verführerischer Aufruf, das Buch – seinen Kindern zuliebe – zu kaufen.

Am Freitagabend gab es in der Galvanik nebst Pogo für einmal auch Kindergarten. Angekündigt war das neue Programm zu Dominic Devilles nicht mehr ganz so neuem Buch «Pogo im Kindergarten» (Mai 2018).

Comedy also? «Nein. Das ist eine Lesung», stellte der Autor gleich zu Beginn klar. Lesungen fände einfach niemand «geil», und deshalb habe er bewusst auf den Begriff verzichtet.

Wer von Deville allerdings eine konventionelle, staubtrockene Lesung erwartete, kennt ihn möglicherweise ausschliesslich als handzahmen Moderator der gleichnamigen Sendung im Schweizer Fernsehen. Doch Dominic Deville ist und kann mehr. Und er passt in keine Schubladen.

Unterhaltsame Promoaktion

Deville ist Unterhalter, Bühnenautor und -künstler ebenso wie ehemaliger Plakatierer und professioneller Schneeräumer. Und er ist diplomierter Kindergärtner mit einigen Jahren Erfahrung. Am Freitagabend in der Galvanik aber war er immer wieder der erfrischende Punkrocker der Luzerner Combo «Failed Teachers», der früher leidenschaftlich sein Schlagzeug auf der Bühne zerlegt hat – unberechenbar, provokativ, witzig.

Aus dem ersten Teil seiner «Lesung» machte Deville kurzerhand eine einstündige, überaus unterhaltsame Promoaktion. Selten hat jemand literarische Nebensächlichkeiten wie einen Titel auf dem Buchrücken derart komisch und fantasievoll angepriesen. Sofort wurde klar, der Autor verfolgte eine deutliche Verkaufsstrategie und überliess nichts dem Zufall. Im Publikum hatte er – so ist zumindest zu hoffen – einen derjenigen nervigen Zuschauer platziert, die ständig mit unnötigen Zwischenrufen stören und den Protagonisten zu Reaktionen zwingen.

Zudem war Deville offensichtlich schon vor der Vorstellung klar, dass ein Grossteil der rund 60 Anwesenden in der Galvanik Frauen und/oder Erzieherinnen sein werden. Er hatte deshalb vorsorglich 25 Exemplare seines Erstlings mit dem typischen Kindergärtnerinnen Namen «Annegret» versehen.

Reich-Ranicki hätte seine Freude

So penetrant Devilles charmante Versuche waren, dem Publikum sein Buch anzudrehen, so überzeugend und nachvollziehbar war das Konzept für diesen gelungenen Abend. Gemäss eigenen Aussagen hat Deville von den 10'000 gedruckten Exemplaren seines Erstlings laut Vertrag 6'000 selbst aufkaufen müssen. Spätestens als er davon erzählte, wie er für seine Bücher das Kinderzimmer leerräumen musste und dass er es eigentlich vor Wintereinbruch gerne wieder leer haben würde, wurde auch dem letzten Zuschauer klar: Dieser Herzensmensch macht das hier allein für seine Kinder. Die campieren zurzeit nämlich im Garten.

Natürlich erntete Deville nicht nur in diesem bewegenden Moment des Abends eine Menge Applaus und viele herzhafte Lacher. Eine geschlagene Stunde lang schaffte er es, keine einzige Zeile aus seinem Buch vorzulesen, ohne dass der Abend auch nur eine Sekunde langweilig wurde.

Muss Bücher loswerden: Dominic Deville in der Galvanik Zug. (Bild: Roger Meier)

Gekonnt, mit viel Wortwitz und bunt ausgeschmückten Anekdoten verlieh der Autor seinem Erstling eine Aura, die das Buch wohl selbst für einen Reich-Ranicki unwiderstehlich gemacht hätte – und sei es nur zur Verwendung als Putzlappen, Schleifpapier-Ersatz oder Duftbäumchen. Das Klientel der Fernfahrer jedenfalls hätte den praktischen Nutzen seines Buches aus japanischem Blütenpapier schon längst erkannt, so Deville.

Er lebt, was er erzählt

Zwischendurch gab es zur Auflockerung Musik vom Plattenspieler, Punkrock der rohen, lärmigen, ungeschliffenen Sorte. Punkrock für den «gescheiterten Punkrocker», wie er sich selbst nennt und als der er in der Luzerner Subkultur eine Zeitlang bekannt war.

Und dann las er plötzlich doch noch vor, «für die neugierigen Gwundernasen», für diejenigen sozusagen, die trotz unermüdlichen Bemühungen keinen Sinn für die praktischen Features des Buches entwickelt hatten. 

Wie Deville schreibt und ob sich das Buch gut liest ist ohne die Lektüre kaum zu beurteilen. Wie aufgrund des Titels nicht anders zu erwarten, sei sein Buch ein Gemisch aus gelebtem Punkrock und Pädagogik. Genauso las Deville seine drei Geschichten aus seinem Werk – eine davon seine Biografie – auch vor: lebhaft, wild gestikulierend und mit spürbarer Freude. Als er mit alkoholfreiem Bier Kindergärtner beim gemeinsamen Zähneputzen – respektive beim Ausspucken ins Lavabo – imitierte, wurde deutlich: Der Typ lebt das, was er erzählt.

Wo ausgediente Sofas hingehören

Aber Deville wäre wahrscheinlich nicht Deville, wenn er auch während dem Lesen nicht mehr kommentiert als gelesen hätte. Immer wieder unterbrach er seine Lektüre und entführte die Anwesenden bildlich in die Welt von Punkrock und Kindergarten, in seine Welt. Den Kindergarten verglich er mit einem Schützengraben, sich selbst inszenierte er als Speerspitze der Pädagogikfront. Er sprach über den Hang von Kindergärtnerinnen, alles zu sammeln. Er gab Tipps, wie sich aus Fusseln aus dem Bauchnabel Frisuren für kleine Puppen basteln lassen, und empfahl, ausgediente Sofas oder abgelaufene Medikamente ungeniert Sonntag nachts vor dem nächsten Kindergarten zu entsorgen.

Nur davon, wie er als Pädagoge im Gewand eines «Samichlaus» ein ganzes Dorf voll Kinder desillusioniert hat, erzählte er nicht. Auch diese Geschichte gibt’s in seinem Buch «Pogo im Kindergarten». Dem in der Galvanik anwesenden Publikum jedenfalls hat der Autor seine witzig verpackten, bisweilen bitterbös vorgetragenen Geschichten, die nicht nur Erzieher aus dem eigenen Leben kennen dürften, durchaus schmackhaft gemacht.

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