Daniel Huppert von Zuger Sinfonietta im Interview

«Dirigieren kann man nicht lernen – man muss es in sich haben»

Impulsiv und emotional: Chefdirigent Daniel Huppert von der Zuger Sinfonietta.

(Bild: zvg)

Die neue Konzertsaison der Zuger Sinfonietta steht unter dem Zeichen des 20-Jahr-Jubiläums des Musikensembles. Die Gelegenheit für zentralplus, um Chefdirigent Daniel Huppert auf den Zahn zu fühlen – wobei der 36-Jährige auch im Gespräch so impulsiv und emotional wirkt wie am Dirigentenpult.

zentralplus: Herr Huppert, wie belastend ist der Job eines Dirigenten – Sie haben ja nie den Rücken frei?

Daniel Huppert: So ein Job ist natürlich sehr umfassend und erfordert viel mehr, als die Ansicht seitens des Konzertpublikums vermittelt, welches ja zumeist nur den Rücken des Dirigenten sieht. Ein Dirigent leitet Proben, hat viel Organisatorisches zu erledigen und muss bei all dem frisch bleiben im Kopf für die Musik. Er muss ja die ganzen Partituren studieren. Andererseits muss er Menschen motivieren und formen – das hat dann sehr viel mit Psychologie zu tun.

zentralplus: Aber Hand aufs Herz. Die Musiker im Orchester haben ja alle ihre Noten vor sich. Die könnten doch eine Symphonie auch ohne Sie aufführen…

Huppert: Die Musiker haben ihre Noten für ihre Stimmen vor sich. Aber es geht ja darum, aus einem Orchester eine Einheit zu formen, bei der in Sachen Variationen, Tempi und Dynamik alle Fäden in eine Richtung laufen. Diese Richtung muss jemand vorgeben. Und das bin ich als Dirigent.

«Dirigieren hat viel mit Persönlichkeit zu tun:» Seit 2016/17 ist Daniel Huppert Chefdirigent der Zuger Sinfonietta.

«Dirigieren hat viel mit Persönlichkeit zu tun:» Seit 2016/17 ist Daniel Huppert Chefdirigent der Zuger Sinfonietta.

(Bild: zvg)

zentralplus: Kommt es da auch vor, dass sich ein Musiker Ihren musikalischen Anweisungen entzieht?

Huppert: Das kommt Gott sei Dank nicht so oft vor.

zentralplus: Hören Sie denn genau, wenn einer im Ensemble nicht so will oder kann, wie Sie das gerne hätten?

Huppert: Aber sicher höre ich das sofort. Man empfindet das auch mit, wenn jemand beispielsweise nicht so einen guten Tag hat. Das kann natürlich auch private Gründe haben.

zentralplus: Und wie korrigieren Sie das dann während eines Konzerts?

Huppert: Man versucht die Aufmerksamkeit zu bündeln, indem man als Dirigent so präsent wie möglich agiert. Es muss klar sein, wem die Musiker zu folgen haben.

Zur Person

Daniel Huppert ist seit 2016/17 Chefdirigent der Zuger Sinfonietta. Zuvor, ab der Spielzeit 2012/13, arbeitete der 36-Jährige als Generalmusikdirektor und Chefdirigent der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin in Deutschland. Huppert studierte zuerst Violoncello und Dirigieren sowie Musikwissenschaft und Germanistik in Saarbrücken. Danach studierte er weiter in Weimar. 2010 gewann er den 2. Deutschen Operettenpreis für junge Dirigenten der Oper Leipzig und und siegte 2011 beim Internationalen Lutoslawski-Wettbewerb für junge Dirigenten in Polen.

zentralplus: Das hört sich sehr diktatorisch an. Sind Dirigenten denn Diktatoren? Bei Herbert von Karajan hatte man ja immer diesen Eindruck.

Huppert: Nein, Karajan war kein Diktator. Er hatte nur eine klare Vorstellung davon, wie die Musik klingen sollte. Manche Musiker haben gesagt, sie hätten noch nie so frei aufgespielt, wie unter Karajan. Beim Dirigieren muss man einfach eine stringente Vorstellung davon haben, wie man die Musik interpretieren will. Deshalb knistert es auch bei Proben immer wieder mal unter den Musikern ebenso, wie zwischen Musikern und dem Dirigenten, weil manches noch nicht ganz organisch ist. Doch solche reinigenden Gewitter braucht’s, um ein Orchester zu formen. Und wir setzen all unser Herzblut und unsere Leidenschaft ein, wenn wir klassische Musik aufführen.

zentralplus: Spielen Sie dabei auch manchmal eine Rolle als Dirigent oder versuchen Sie, stets authentisch zu sein?

Huppert: Man kann nur dirigieren, wenn man authentisch ist. Schliesslich strömt die Musik durch einen durch – durch den eigenen Körper und Geist. Ich bin beim Dirigieren höchst konzentriert, versuche aber gleichzeitig locker und spontan zu sein. Dirigieren kann mein eigentlich nicht lernen – man muss es in sich haben. Dirigieren hat viel mit Persönlichkeit zu tun.

Quasi der Heimathafen der Zuger Sinfonietta: Der Lorzensaal in Cham. Das Orchester schätzt die gute Akustik sehr, und neu finden hier rund 600 Zuhörer Platz.

Quasi der Heimathafen der Zuger Sinfonietta: Der Lorzensaal in Cham. Das Orchester schätzt die gute Akustik sehr, und neu finden hier rund 600 Zuhörer Platz.

(Bild: zvg)

zentralplus: Sind Sie eher der Typ, der nach dem Konzert klatschnass geschwitzt ist oder der , der anschliessend immer noch recht trocken ist?

Huppert: Ich bin eher normal: Zumeist weder total verschwitzt, noch ganz trocken. Dennoch zeige ich sicher viele Emotionen durch meine Körperbewegungen.

zentralplus: Spüren Sie denn auch, was hinter Ihrem Rücken im Publikum vor sich geht?

Huppert: Selbstverständlich. Ich spüre, wie konzentriert das Publikum ist, ob es bei der Sache ist. Ob eine Unruhe herrscht oder ob man nach dem Musikstück quasi eine Nadel vor lauter Anspannung hören könnte. Beim Haydn-Violoncellokonzert etwa im letzten Herbst haben wir das Publikum, glaube ich, regelrecht mitgerissen.

«Das von vielen Seiten prognostizierte Aussterben der Klassik ist noch nicht eingetreten.»

zentralplus: Apropos Publikum. Wie sexy ist denn Klassik heutzutage noch – der Altersdurchschnitt der Konzertbesucher liegt sicher nicht bei 23?

Huppert: Das ist sicher so. Und doch ist das von vielen Seiten prognostizierte Aussterben der Klassik noch nicht eingetreten. Es werden riesige neue Konzerthäuser gebaut wie etwa die Elbphilharmonie in Hamburg und die Klassik scheint doch ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur zu sein. Andererseits kann ich es verstehen, dass man als Familie oder als Berufstätiger vielleicht nicht so viel Zeit hat, sich klassische Konzerte anzuhören. Meinen Eltern geht das genauso, die haben erst jetzt in der Pension richtig Zeit gefunden, Klassik zu geniessen. Klar ist andererseits aber auch: Man darf nicht nachlassen, Kindern und Jugendlichen klassische Musik näherzubringen.

Das Sinfonietta-Jubiläumsjahr mit vielen Zuger Solisten

Im November 1998 führt die Zuger Sinfonietta ihr erstes Konzert im Theater Casino Zug auf. 20 Jahre später spielt das Orchester aus 24 Berufsmusikern, von denen mehr als 50 Prozent einen persönlichen Bezug zu Zug haben, am 29. September zum ersten Abo-Konzert der Saison 2018/19 auf. Das Motto der Jubiläumssaison: «Zugerinnen und Zuger feiern mit der Zuger Sinfonietta».

Der Konzertbetrieb der Zuger Sinfonietta kostet jährlich gegen 600’000 Franken und wird finanziert durch den Kanton, die Stadt Zug, die Gemeinden Cham, Risch und Steinhausen, durch zahlreiche Firmen und Gönner sowie durch den Ticketverkauf.

Zuger Stargeigerin Esther Hoppe

Im ersten Abo-Konzert am 29. September im Chamer Lorzensaal tritt die Zuger Violinistin Esther Hoppe auf, die als Aushängeschild der Zuger Musikszene gilt. Sie spielt unter anderem Beethovens Meisterwerk, das Violinkonzert D-Dur, op.61.

Zum Lunchkonzert am 5. Oktober in der Reformierten Kirche Zug sowie am Abend in der Bibliothek Rotkreuz singt die gebürtige Zugerin und Mezzosopranistin Anna Nero Werke von Barber, Verdi und Respighi.

Am 3. November tritt in der Pfarrkirche in Unterägeri die Zuger Sinfonietta zusammen mit dem Chor Audite Nova Zug auf und führt das Requiem von John Rutter auf.

Im zweiten Abo-Konzert, im Chamer Lorzensaal am 16. Dezember, spielt der in Zug geborene Klarinettist Reto Bieri mit der Zuger Sinfonietta Werke von Janacek, Copland und Dvorak.

Musik aus einem klanglichen Guss zu formen: das ist die Herausforderung eines Dirigenten.

Musik aus einem klanglichen Guss zu formen: das ist die Herausforderung eines Dirigenten.

(Bild: zvg)

Im dritten Abo-Konzert, am 23. Februar 2019 im Lorzensaal, gibt es die ganz grosse Überraschung: der Zuger Cyrill Schürch, stellvertretender Leiter der Musikschule der Stadt Zug, führt eine Auftragskomposition auf, die noch niemand kennt. Eine Weltpremiere quasi. Zudem spielt Louis Schwizgebel am Klavier mit der Zuger Sinfonietta ein Klavierkonzert von Chopin.

Ehemaliger Zuger Pfadfinder dirigiert

Der ehemalige Zuger Pfadfinder Mario Venzago, heute Dirigent und Pianist, leitet am 24. März im Theater Casino Zug die Zuger Sinfonietta. Dabei kommen Mozarts «Prager Sinfonie», Martinu und Haydn zur Aufführung. Mit von der Partie ist das Klavierduo Soós-Haag.

Am 5. April beim Lunchkonzert Frühling ist in der Reformierten Kirche Zug die Zuger Geigerin Deborah Marchetti zu hören. Sie spielt Brahms.

Im vierten Abo-Konzert im Chamer Lorzensaal am 12. Mai tritt die Cellistin Tanja Tetzlaff auf. Sie führt Elgar und Holst auf.

Am 7. Juni schliesslich beim Lunchkonzert Sommer in der Reformierten Kirche Zug ist am Klavier der Zuger Pianist Tobias Rütti mit Rubtsov und Gershwin zu hören.

Weitere Informationen unter: www.zugersinfonietta.ch

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