Kunsthalle bläst zum grossen Löwendenkmal-Jubiläum

Direktor des Zentrums Paul Klee zurück in Luzern

Peter Fischer, langjähriger Direktor des Kunstmuseums Luzern, ist Projektleiter des Kunstprojekts «Löwendenkmal 21».

(Bild: gwa)

2021 wird das Löwendenkmal 200 Jahre alt. Für die Kunsthalle Luzern Anlass genug für ein Grossprojekt. Mit künstlerischen Mitteln wird das historisch zwiespältige Kunstwerk während fünf Jahren thematisiert. Projektleiter Peter Fischer verspricht internationales Renomee und zahlreiche Veranstaltungen im öffentlichen Raum.

Die Kunsthalle liegt nur einen Katzensprung von einem der meistfotografierten Denkmäler der Schweiz, dem Löwendenkmal, entfernt. Ab 2017 wird man mit verschiedenen Ausstellungen, Aktionen, Veranstaltungen und Publikationen fünf Jahre lang diese zwiespältige Gedenkstätte thematisieren. Für die Projektleitung dieses Monsterprojektes hat man den erfahrenen Luzerner Museumsmann und Kulturvermittler Peter Fischer an Bord geholt. Er war während 10 Jahren bis 2011 Direktor des Kunstmuseums und anschliessend fünf Jahre Direktor des Zentrums Paul Klee in Bern. Wir trafen ihn vor dem Löwendenkmal zum Interview.

zentralplus: Peter Fischer, was interessiert Sie persönlich am Löwendenkmal?

Peter Fischer: Das Löwendenkmal ist eines der meistbesuchten Monumente der Schweiz und wird jedes Jahr von 1,5 Millionen Touristen frequentiert. Eben habe ich dort entzückte chinesische Touristen gesehen, aber vermutlich kennt kaum jemand von ihnen die Bedeutung des Denkmals. Ich habe auch den Eindruck, dass die Luzerner selbst die Geschichte des Monuments gar nicht so gut kennen. Ausserdem ist der Standort ausserhalb des Stadtzentrums aussergewöhnlich. Von einem Park umgeben und in einer Felswand liegend, hat der Ort eine geheimnisvolle Atmosphäre. Das sind alles spannende Ingredienzen für das Projekt.

Ich bin als Kind in der Nähe aufgewachsen und fragte mich damals, ob man in die angeblichen Gänge hinter dem Denkmal eindringen kann.

zentralplus: Sie werden sich fünf Jahre intensiv mit dem Löwendenkmal auseinandersetzen: Weshalb investieren Sie derart viel in das Projekt?

Fischer: Ich bin als Kind in der Nähe aufgewachsen und fragte mich damals, ob man in die angeblichen Gänge hinter dem Denkmal eindringen kann. Das sind aber nur kindliche Abenteuerfantasien. In erster Linie übernehme ich dieses Mandat, da ich mich hier an einem längeren Prozess beteiligen kann. Diese offene Art der Kunst- und Kulturvermittlung hat mir immer sehr zugesagt. Es ist eine sehr unvoreingenommene Art, wie man sich einem Thema annähern kann. Dieses Monument hat ja durchaus Aspekte, die zwiespältig sind, und die Kunst eignet sich besonders, sich aus verschiedenen Perspektiven mit der Komplexität eines Denkmals wie diesem von Bertel Thorvaldsen auseinanderzusetzen.

Kunstprojekt «Löwendenkmal 21»

Die Kunsthalle Luzern nimmt das 200-Jahr-Jubiläum des Löwendenkmals im Jahr 2021 zum Anlass, das Werk des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen mit künstlerischen Mitteln zu thematisieren und zu erforschen. Zwischen 2017 und 2021 widmen sich Ausstellungen, Performances, Veranstaltungen und Publikationen den verschiedenen Aspekten des Denkmals.

Das Fünf-Jahres-Projekt «Löwendenkmal 21» wird verschiedene Partner aus Kultur, Politik, Wirtschaft, Tourismus, Bildung und Forschung miteinbeziehen. Höhepunkt des Projekts wird der Jubiläumssommer 2021 sein. Das Projekt wird dabei stets dokumentiert und zum Abschluss in einer Publikation münden.

zentralplus:  Weshalb wird gerade das Löwendenkmal so ausgeprägt thematisiert in der Kunsthalle?

Fischer: Ein Grund ist natürlich die direkte Nachbarschaft der Kunsthalle. Sie liegt im Gebäude des Bourbaki-Panoramas und bildet mit diesem, dem Alpineum und dem Löwendenkmal einen touristischen Hotspot in Luzern. Es ist ein geschickter Schachzug der Kunsthalle, sich mit dem so publikumsträchtigen Denkmal zu beschäftigen. Ausserdem haben die Verantwortlichen erkannt, welch ein reichhaltiger Fundus an Themen und Geschichten hier schlummert.

Kunst ist ein Betätigungsfeld, das sich für die Befindlichkeit seiner Zeit, für Hintergründe und für komplexe Angelegenheiten interessiert. Sie sucht ausserdem immer nach neuen Gefässen, wie sie sich ausserhalb der traditionellen Form einer Ausstellung ausdrücken kann. Für eine sonst eher starre Kulturinstitution ist dieser mehrjährige Prozess eine sehr anregende und auch innovative Sache.

Wir wollen nicht einfach einen Super-Jubiläumsevent im Jahr 2021 auf die Beine stellen.

zentralplus: Vom Direktor des Zentrums Paul Klee zurück in Luzern als Projektleiter der Kunsthalle: Ist das nicht ein Abstieg?

Fischer: Es spielt für mich überhaupt keine Rolle, ob ich für eine grosse oder eher kleine Institution arbeite. Meine Arbeit muss einfach Sinn machen. Die Kunsthalle hat im richtigen Moment erkannt, dass ich interessiert bin an einem längerfristigen Kunstprojekt. Mir geht es dabei nicht um meine Karriere, sondern um die Sache, welche ich als hoch spannend empfinde.

zentralplus: Denken Sie, dass sich die Luzerner der kontroversen Symbolik des Denkmals bewusst sind?

Fischer: Das kann ich jetzt noch nicht sagen, aber das werde ich im Verlauf des Projekts sicher herausfinden. Gerade deshalb wollen wir uns im Zeitraum von rund viereinhalb Jahren im Austausch mit verschiedenen Interessengruppen und der Bevölkerung mit dem Denkmal beschäftigen.

zentralplus: Man hat den Eindruck, das Löwendenkmal interessiert die Touristen mehr als die Luzerner selbst. Möchten Sie das ändern?

Fischer: Natürlich habe ich auch das Ziel, diesen Ort in den kommenden Jahren stärker zu beleben und zu bespielen. Es ist ein etwas beschützter und auch geheimnisvoller Ort am Rande der Altstadt, der sich für kulturelle Veranstaltungen gut nutzen liesse. Das können spezielle Aktionen, Performances, Musik, Theater sein, da sind wir offen für Vieles.

zentralplus: Geht es auch um eine historische Einordnung des Denkmals, sehen Sie sich in der Rolle des Aufklärers?

Fischer: Die historische Dimension ist ein Aspekt, aber ich verstehe mich definitiv nicht in der Rolle des Aufklärers. Mein Engagement hat keine moralischen Hintergründe. Der Prozess der Befragung des Denkmals ist offen, kann also auch zu konträren Ergebnissen führen. Aber die historischen Aspekte des Löwendenkmals sind natürlich spannend und werden in vielfältiger Weise von Kunstschaffenden und Fachleuten thematisiert werden.

zentralplus: Das Löwendenkmal heroisiert den Opfertod für einen absolutistischen Herrscher und wurde von reaktionären Kräften aus dem In- und Ausland finanziert: Wie passt dieses zwiespältige Denkmal zur Kunsthalle?

Fischer: Das ist eine sehr gute Frage. Auf den ersten Blick besteht vielleicht eine Diskrepanz, etwas vermeintlich Verkrustetes untersuchen zu wollen. Man darf sich aber nicht täuschen, auch wenn das Denkmal fest in den Stein gemeisselt ist, hat es eine Geschichte. Und diese Geschichte setzt sich fort in die Gegenwart und in die Zukunft und unterliegt deshalb auch möglichen Veränderungen, besonders, was die Bedeutung des Werkes betrifft. Ein Kunstwerk ist nie fertig, wenn der Künstler seine Arbeit beendet hat, sondern beginnt dann erst richtig zu leben, wenn es betrachtet und diskutiert wird. Es erhält in neuen Kontexten und unter verschiedenen Betrachtungsweisen auch neue Bedeutungen.

zentralplus: Kommen wir auf Bertel Thorvaldsen zu sprechen. Das Löwendenkmal ist das Werk des damals europaweit bekannten dänischen Bildhauers. Ist das Löwendenkmal repräsentativ für sein Schaffen oder fällt es aus der Rolle?

Fischer: Mit der Werkgenese und spezifischen Kunstgeschichte habe ich mich noch nicht näher befasst. Es wird eine meiner ersten Aufgaben sein, mit dem Thorvaldsen-Museum in Kopenhagen Kontakt aufzunehmen und eine Partnerschaft zu initiieren, denn was wir hier machen, ist durchaus auch in dessen Interesse. Thorvaldsen hat das Löwendenkmal wegen knapper finanzieller Mittel ja nicht selbst ausgeführt, das waren lokale Bildhauer.

Spannend ist insbesondere die Frage nach der Bildidee des sterbenden Löwen. Sie soll vom patrizischen Auftraggeber Carl Pfyffer von Altishofen stammen, in der Umsetzung gab es aber viele Kontroversen. Auch aus zoologischer Sicht tut sich bereits ein Widerspruch auf: Vordergründig scheint der männliche Löwe perfekt als Symbol für Heldentum zu dienen, tatsächlich bekämpfen sich die Löwenmännchen aber hauptsächlich selbst, töten nicht selten die Jungtiere ihrer Sippe, überlassen die Jagd gerne den Weibchen und verbringen den Grossteil des Tages schlafend.

«Die Kunst sollte keine Berührungsängste kennen, im Gegenteil, sie soll Risiken eingehen, sich weit zum Fenster hinausbeugen.»

zentralplus: Bei der Fertigung des Denkmals kam es zu einem tödlichen Unfall: Gleich zu Beginn der Ausführungsarbeiten fiel der Solothurner Bildhauer Urs Pankraz Eggenschwiler vom Gerüst und erlag später seinen Verletzungen. Kunst kann gefährlich sein, haben Sie Angst, sich mit dem Löwendenkmal 21 die Finger zu verbrennen?

Fischer: Nein, da habe ich überhaupt keine Angst. Es zeichnet meinen Werdegang aus und liegt in meiner Biographie, dass ich keine Berührungsängste habe. Auch die Kunst sollte keine Berührungsängste kennen, im Gegenteil, sie soll Risiken eingehen, sich weit zum Fenster hinausbeugen. Kunst soll schliesslich Erkenntnisse generieren, zu denen man ansonsten nicht gelangt.

zentralplus: Die Anschubfinanzierung ist gesichert, jetzt sucht die Kunsthalle Sponsoren. Wie läuft die Suche nach Geldquellen?

Fischer: Wir stehen ganz am Anfang. Bis im Sommer wollen wir das Projekt und das Vorgehen skizzieren. Davon hängt dann auch der Mittelbedarf ab. Wie sich das Projekt aber entwickelt, das wollen wir noch gar nicht so genau vorausplanen. Es soll ein Prozess mit offenem Ausgang werden. Ich bin überzeugt, dass wir Unterstützung finden.

zentralplus: Was können wir für das erste Jahr von Löwendenkmal 21 erwarten?

Fischer: Neben der Suche nach Partnern geht es auch darum, das Projekt zu öffnen. Das heisst, dass die Vorbereitungsarbeiten nicht nur im stillen Kämmerlein stattfinden, sondern wir wollen Künstlerinnen, Künstler, alle Interessierten, ja die ganze Bevölkerung und vielleicht auch die Touristen einladen, sich zu beteiligen. Eine Art öffentliches kollektives Brainstorming. Wenn es klappt, dann gibt es ausserdem eine erste Überraschung am 10. August 2017: Dann jährt sich der Tuileriensturm, an den das Löwendenkmal ja erinnert, zum 225. Mal.

zentralplus: Inwiefern ist das Löwendenkmal auch für internationale Kunstschaffende und Kunstliebhaber von Interesse?

Fischer: Denkmäler sind eine klassische Gattung der Kunst und deshalb per se interessant für Kunstschaffende. Das Löwendenkmal ist weltweit bekannt und Thorvaldsen gilt als einer der bedeutenden Bildhauer der Kunstgeschichte. Ich bin überzeugt, dass unsere innovative Art der Auseinandersetzung auch international auf Interesse stossen wird. Das Projekt will ganz bewusst eine Brücke schlagen zwischen den Polen lokal und global.  

zentralplus: Welche Künstlerinnen und Künstler haben bereits eine Teilnahme am Mehrjahresprojekt zugesagt? Was können wir von ihnen erwarten?

Fischer: Ich habe viele gute Ideen für Kunstschaffende, mit denen ich schon zusammengearbeitet habe, will aber noch keine Namen nennen, da ich mit ihnen noch nicht gesprochen habe. Und auch, um nicht mit Name-Dropping das Gesamtprojekt zu dominieren oder seine Vielfalt zu überschatten.

zentralplus: In der Pressemitteilung ist von einem «innovativen Forschungsvorhaben» die Rede. Arbeiten Sie auch mit der Universität und der Hochschule Luzern zusammen und wie sieht das aus?

Fischer: Diese Bildungs- und Forschungsinstitutionen sind Partner, die weit oben auf unserer Liste stehen. Sie haben bereits viel wichtige Forschung und inhaltliche Vorarbeit zum Löwendenkmal geleistet. Wir hoffen, dass diese Institutionen weitere eigene Projekte zum Löwendenkmal planen und wir hier Synergien nutzen können. Auch die Hochschule für Design und Kunst mit ihrem Schwerpunkt «Art in Public Spheres» sollte ein direktes Interesse an einem Monument wie dem Löwendenkmal haben. Ausserdem werden wir sicher auch mit den Luzerner Museen und mit Vertretern anderer Kunstsparten zusammenarbeiten.

Das Löwendenkmal wird Peter Fischer für viele Jahre beschäftigen.

Das Löwendenkmal wird Peter Fischer für viele Jahre beschäftigen.

(Bild: gwa)

zentralplus: Auf was können sich Luzernerinnen und Luzerner mit Löwendenkmal 21 freuen?

Fischer: Sie können sich freuen, dass wir alle zusammen ein besonderes Denkmal der Stadt feiern. Wir wollen die Bevölkerung teilhaben lassen und miteinbeziehen. Die Auseinandersetzung mit dem Löwendenkmal wird nicht einfach nur bierernst wissenschaftlich, sondern durchaus auch anregend, unterhaltsam sein. Es sind auch Veranstaltungen vorgesehen, die Festcharakter haben. Das hat Tradition in Luzern. Ich verstehe Löwendenkmal 21 ausserdem als Pilotprojekt mit internationaler Ausstrahlung, das Luzern gut ansteht. Ich bin überzeugt, dass Luzern sehr viel Positives aus dieser kritischen und vielfältigen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ziehen kann.

zentralplus: Fünf Jahre dauert das Projekt, geht einem da nicht die Puste aus?

Fischer: Das ist tatsächlich eine lange Zeit, und deshalb ist auch eine geschickte Dramaturgie notwendig: Man kann nicht über fünf Jahre permanent die gleiche Intensität aufrechterhalten. Das Thema ist aber derart vielfältig und komplex, dass es sehr wohl mehr hergibt als einfach eine einzige 200-Jahr-Feier.

zentralplus: Was wird in den Räumen der Kunsthalle selbst gezeigt im Rahmen von Löwendenkmal 21?

Fischer: Man wird den prominent gelegenen Raum natürlich nutzen. Es ist vorgesehen, dass das Projekt permanent sichtbar ist in der Kunsthalle. Das kann beispielsweise eine laufende Dokumentation sein, welche die bisherigen Aktivitäten rund um das Projekt aufzeigt. Mindestens einmal pro Jahr werden aber auch grössere thematische Ausstellungen zum Löwendenkmal in das Kunsthallenprogramm integriert.

zentralplus: Welche Projekte werden Sie neben Löwendenkmal 21 in den nächsten Jahren verfolgen?

Fischer: Neben museologischen Beratungen und klassischen kunsthistorischen Projekten werde ich meine Beschäftigung mit der iranischen Gegenwartskunst intensivieren und mein diesbezüglich erarbeitetes Netzwerk für die Realisierung von transkulturellen Projekten nutzen.

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