Trotz vielen Spielen im Kopf und in den Beinen

Dieser FC Luzern ist eine Wucht

Varol Tasar zeigt bei seinem Torjubel zum zwischenzeitlichen 1:2 an, was kommen sollte: Die Luzerner machten die Brust breit und drehten die Partie in ein 4:2. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Wehe, wenn der FC Luzern seinen Motor startet: Trotz einem 0:2-Rückstand haben die Mannen von Fabio Celestini den FC St. Gallen innerhalb von 30 Minuten plattgemacht. Das 4:2 war ein Sieg des Willens der zweitbesten Super-League-Mannschaft in diesem Jahr.

Ja, der FCL besass Schlachtenglück. St. Gallen hätte schon zur Halbzeit als Sieger feststehen müssen. Oder dem Gastgeber in den ersten 20 Minuten nach der Pause zumindest einen weiteren und vielleicht vorentscheidenden Schlag aufs Gemüt verpassen müssen. Aber das schafften die Ostschweizer nicht und wurden vom FCL in der Folge dafür gnadenlos bestraft.

War es aus ihrer Sicht Pech? Oder doch auch etwas Unvermögen dabei? Und vor allem: Wie will man Glück und Pech überhaupt messen?

Schliesslich weiss jeder Fussballer: Über eine lange Saison heben sich Glück und Pech die Waage. Und er weiss auch: Mit Kampf und Willen kann man das Glück bisweilen auf die eigene Seite zwingen.

Faktor Glück reicht als Erklärung nicht aus

In der Arbeitswelt von Fabio Celestini gibt es kein Glück oder Pech. Das hat er seit seinem Jobantritt im Januar 2020 bei jeder Gelegenheit klar gemacht.

Redete er bei einem Spielausgang von Glück, wertete er die Leistung seiner Mannschaft ab. Redete er von Pech, gäbe er seinen Spielern ein Alibi. Deshalb existieren die beiden Begriffe in Celestinis Terminologie nicht.

«Wir waren nicht frisch im Kopf, die zwei Tage Erholung nach dem Sieg in Zürich reichten dafür nicht aus.»

FCL-Trainer Fabio Celestini

Und Glück hätte längst nicht dafür ausgereicht, um zu erklären, was sich in diesem Wahnsinnsspiel auf energetischer und mentaler Ebene abspielte (zentralplus berichtete).

Dazu muss man wissen: Der abstiegsbedrohte FCL hatte in den letzten vier Wochen schon neun Ernstkämpfe in den Beinen – die Corona-Quarantäne der Luzerner in der Winterpause zog ein solches Mammutprogramm nach sich. Und dann lag er gegen den FC St. Gallen nach zehn Spielminuten schon 0:2 im Hintertreffen.

Zum ersten Mal nach Zweitore-Rückstand gepunktet

Natürlich wussten die Luzerner um die Spielweise der St. Galler mit ihrem hohen Pressing. «Aber wir waren nicht frisch im Kopf, die zwei Tage Erholung nach dem Sieg in Zürich reichten dafür nicht aus», erklärte Fabio Celestini hinterher eine einseitig verlaufene Halbzeit, die ihm bis auf die paar Minuten vor der Pause «kein gutes Gefühl» gab.

Aber dann machte Varol Tasar mit einer Einzelleistung das 1:2 und löste dabei in den Köpfen seiner Mitspieler Zuversicht aus. Zuversicht, dass da noch etwas gehen könnte.

«Wir haben Zeit gebraucht, um als Team zusammenzuwachsen. Jetzt sind wir aber so weit, um unseren Fussball zu spielen.»

FCL-Doppeltorschütze Varol Tasar

Die Luzerner schüttelten die mentale Müdigkeit aus den Dresses, schmissen sich ins Zeug und schenkten den St. Gallern zwischen der 65. und 81. Minute drei weitere Tore ein. Zum ersten Mal überhaupt punktete der FCL in dieser Saison, nachdem er mit zwei Längen in den Miesen gelegen hatte.

Vor dem Hintergrund der hohen Wettkampf-Belastung ist das Aufstehen der Luzerner nicht hoch genug einzuschätzen. Seit nunmehr fünf Spielen sind die wackeren Mannen von Fabio Celestini ungeschlagen und stellen mit 18 Punkten in den ersten zehn Meisterschaftsspielen dieses Jahres die zweitbeste Mannschaft – hinter Liga-Dominator YB (22).

FCL strampelt sich allmählich von Abstiegssorgen frei

Und noch wichtiger: Die Luzerner strampeln sich allmählich von ihren Abstiegssorgen frei. Es ist dies eine bemerkenswerte Parallele zum letzten Jahr. Damals verscheuchte der FCL in den ersten fünf Spielen unter der Ägide Celestinis das Abstiegsgespenst mit 13 Punkten.

Erst recht, weil sich der FCL seit Sommer neu erfand, indem er sich einem offensiveren Fussball, der sich in erster Linie an spielerischen Lösungen orientiert, verschrieb. Doppeltorschütze Varol Tasar sagte hinterher: «Wir haben Zeit gebraucht, um als Team zusammenzuwachsen. Jetzt sind wir aber so weit, um unseren Fussball zu spielen.»

Was wie eine Drohung an die Konkurrenz klingen mag, lässt sich aktuell mit der Anzahl geschossener Tore illustrieren. Sogar Liga-Dominator YB hat nach 24 Partien ein Tor weniger erzielt als der Klassenprimus FCL (43).

Celestinis Beleg für eine klare Spielidee und Identität

Allerdings gibt die Balance im Spiel einer Mannschaft oft den Ausschlag zum Erfolg oder Misserfolg. Allmählich wendet sich auch hier das Blatt zu Gunsten des FCL: In den zehn Spielen 2021 kassierte er 15 Tore. Servette (16), Zürich und Sio (je 17) und Basel als auch St. Gallen (19) weisen höhere Werte auf.

Der aktuelle Bestwert bei den erzielten Toren liess Fabio Celestini erstrahlen. Er sagte: «Es macht mich stolz, dass wir 43 Tore geschossen haben. Diese belegen, dass wir eine klare Spielidee und eine Identität besitzen.»

Es ist dies eine offensive Durchschlagskraft, die sich definitiv nicht mit dem Faktor Glück erklären lässt.

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7 Kommentare
  • Profilfoto von montanara
    montanara, 08.03.2021, 22:32 Uhr

    Wie man aktuell beim FCL von einem Abstiegskandidaten schreiben kann weiss wohl nur der Schreibende Leser selbst. Offensiv ist ein enormes Potenzial vorhanden, welches seit Januar auch regelmässig in Toren mündet. Die «Last» Tore zu erzielen war nie auf so viele Schultern verteilt. Siege und ein Aufstieg in der Tabelle stehen und fallen aber mit der Defensive. Auch hier sind seit Jahresbeginn Fortschritte festzustellen (Ausnahme gegen SG). Der Ausfall von Schulz konnte bisher kompensiert werden. Mag sein, dass sich dies in Zukunft noch bemerkbar machen wird. In der Rückrundentabelle resultiert momentan Platz 1 (ich weiss eine Momentaufnahme). Ein Platz in den ersten vier ist mehr als realistisch mit dem aktuellen Teamspirit erst recht.

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  • Profilfoto von zwischenspieler
    zwischenspieler, 08.03.2021, 14:53 Uhr

    Ihr Artikel bringt es einmal mehr auf den Punkt, Herr Ineichen. Gut zu sehen, dass es zum «Monopol-Journalismus» vom Maihof Alternativen gibt…!
    @Michel von der Sch(w)and: Wer von den SuperLeague-Teams (ausser YB…) gehört aktuell nicht zu den Abstiegskandidaten? Zudem blenden Sie das Wichtigste aus – wahrscheinlich haben Sie nie Fussball gespielt: Ein Spiel dauert 90 Minuten. Wenn ein Team so «an die Wand gespielt wird» wie der FCL in den ersten 30 Minuten, sich aber reinbeisst und das Spiel schlussendlich noch dreht, dann stimmt einiges, sei es innerhalb des Teams oder in der Arbeit des Trainers. Glück hatte der FCL gestern definitiv, aber das hat er sich nicht gekauft, sondern erkämpft.

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    • Profilfoto von Michel von der Schwand
      Michel von der Schwand, 09.03.2021, 09:45 Uhr

      In der zweiten Halbzeit war der FCL erfolgreich, weil St. Gallen mehr oder weniger ausgepowert war. Zeidler hat sein Team in der ersten Halbzeit wie ein Irrer forciert. Luzern hatte Glück, dass St. Gallen in der ersten Halbzeit zwei weitere Tore nicht erzielt hatte. Es müsste eigentlich 0:4 stehen. Aber egal. Träumen darf man in Luzern immer. Man beschwert sich dann über den Streit unter den Aktionären, die Schuld an der Misere in Luzern sind. Und glaubt dann jedem Wolf, dass es gleich besser wird. Luzern ist und bleibt ein durchschnittlicher Verein, der mehr oder weniger zufällig in der Super League bestehen kann. Auch das trifft auf ein paar andere Vereine in der Super League zu. In Luzern ist man nach jedem Sieg euphorisch und sieht sich in der Europa League spielen, wo dem Verein dann schonungslos aufgezeigt wird, wie durchschnittlich dieser FCL ist.
      Erkämpfen kann man sich Vieles, da haben Sie vollkommen recht. Nichts täuscht aber über die erste Halbzeit hinweg, welche sinnbildlich für den FC Luzern steht. Luzern ist nicht konstant und dies wird sicher so bleiben. Celestini ist ein überbewerteter Trainer, welcher noch keinen Erfolgsausweis vorzuweisen hat (einzig Aufstieg mit Lausanne, welcher vielleicht auch das vorhandene Geld des Investors zurückzuführen ist?). Natürlich freut man sich über den Sieg gegen St. Gallen. Es wird sich in den nächsten Runden zeigen, wohin sich die Reise des FC Luzern bewegt. Basel, Sion, Lausanne und wieder gegen Basel. Das wird interessant.

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    • Profilfoto von Andreas Ineichen
      Andreas Ineichen, 09.03.2021, 10:53 Uhr

      Dankeschön für die Blumen!

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  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 08.03.2021, 11:37 Uhr

    In der ersten Halbzeit agierte der FC Luzern wie ein Haufen «aufgeschreckter» Hühner. Kein Konzept, kein Plan und keine Strategie erkennbar. Celestini stand komplett überfordert an der Seitenlinie. Der FC St. Gallen muss zur Pause zwingend 0:4 führen. Was ganz genau in der Halbzeit in der Kabine von St. Gallen geschah, bleibt wohl das Geheimnis von Herr Zeidler. Für die Moral ist der Sieg von Luzern gut. Täuscht aber darüber hinweg, dass auch Luzern zu den Abstiegskandidaten gehört. Hört man dort nicht gerne, weil man sich immer noch anderswo sieht. Einige träumen immer noch. Egal. Kleiner Funfact: Ein Abstiegskandidat erzielt mehr Tore, als der Meister!
    Zudem hat der FC Luzern davon profitiert, dass Zeidler sein Team in der ersten Halbzeit zum Pressing angetrieben hat, wie ein Irrer. Die St. Galler waren in der zweiten Halbzeit praktisch platt. So gesehen relativert sich dieser Sieg wieder. Dennoch wichtige Punkte im Abstiegskampf.

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  • Profilfoto von Govolbeat
    Govolbeat, 07.03.2021, 21:02 Uhr

    Dieser FCL macht immer mehr Freude. Wer hätte heute gedacht, dass die Mannschaft den Rückstand noch umdrehen kann. Ich jedenfalls nicht, hätte nach 30 Minuten keinen Rappen darauf gewettet.
    Tolle 34 Tore geschossen, jetzt muss noch die Defensive stabil werden, damit Mülli endlich wieder mal zu Null spielen kann. Dann kommts richtig gut. Hou hou hopp Lozärn!

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    • Profilfoto von Govolbeat
      Govolbeat, 07.03.2021, 21:05 Uhr

      Sorry, Korrektur: natürlich 43 Tore, die der FCL geschossen hat.

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