100 Jahre Parlamentserfahrung treten ab

Diese Wünsche haben die Zuger Gemeinderäte an ihre Kollegen

Susanne Giger: Eine populäre Stadtzugerin nimmt Abschied aus der Politik.

(Bild: Benni Weiss )

Heute tagt das Zuger Stadtparlament zum letzten Mal in der ablaufenden Amtszeit. Elf Gemeinderäte haben ihren «Letzten». Gibt es etwas, was sie schon immer sagen wollten und nicht mehr losgeworden sind? Bei einer Umfrage kristallisiert sich heraus, dass die Gemeinderäte drei Wünsche haben.

An die 100 Jahre Parlamentserfahrung bringen die elf Stadtparlamentarier zusammen, die am Dienstag zum letzten Mal im Zuger Kantonsratssaal tagen, um die Geschicke der Stadt mitzubestimmen. Sie werden sich im kommenden Jahr auf ihr politisches Altenteil zurückziehen oder im Kantonsparlament weiterpolitisieren und geben deshalb ihr Mandat auf.

Am längsten im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug (GGR) war Isabelle Reinhart-Engel, die bereits 2002 für die CVP gewählt wurde. Sie hat nicht nur 16 Jahre Parlamentserfahrung auf dem Buckel, sondern war auch schon höchste Zugerin, als sie 2009 und 2010 Präsidentin des Grossen Gemeinderats war. «Mir war es wichtig, Präsidentin aller zu sein. Mein Führungsstil war geprägt von Vertrauen und einem würdevollen Umgang miteinander», sagt sie.

1. Wunsch: Seid höflich zueinander

Im Vergleich zu ihren ersten Jahren im Zuger Stadtparlament sei das Geschehen in den vergangenen Jahren deutlich ruppiger geworden. Das mag sie nicht. «Ich wünsche mir, dass der Umgang wieder mehr von Respekt geprägt ist», sagt Reinhard. Und ausserdem, dass wieder mehr Sachpolitik betrieben werde. «Das dient der Stadt und das dient der Bevölkerung.»

Nur drei Legislaturen im Stadtparlament war ihr Parteikollege Martin Eisenring, der die CVP-Fraktion anführt. Er ist ein Freund der deutlichen Worte, einer, der auch mal aneckt. Gerade mit der unbequemen Frage, ob die Absperrung der Altstadt für die Zuger Jazz Night legitim ist, hat sich der Anwalt Feinde gemacht.

2. Wunsch: Bleibt kompromissfähig

Vielleicht redet er ja zum Abschluss Tacheles? Nun, auch Eisenring bleibt milde gestimmt. «Wichtig ist, dass sich der Grosse Gemeinderat nicht in Parteigeplänkel verliert.» Dass man über die Parteigrenzen hinausdenke und sich auf die Sache konzentriere. Deswegen wünsche er sich auch, dass künftige Stadtparlamentarier mit einer geistigen Offenheit in den Rat kämen und andere Argumente anhören würden, anstatt in Vorurteilen zu verharren.

Eisenring wird auch nach seinem Ausscheiden aus dem Rat für Gesprächsstoff sorgen. Denn mit einem Postulat will er erreichen, dass der seeseitige Garten des Zuger Regierungsgebäudes für die Öffentlichkeit zugänglich wird.

3. Wunsch: «Fasst euch kurz»

Zwei Amtsperioden hat auch der Freisinnige Rainer Leemann als Gemeindeparlamentarier absolviert. Er wurde im Oktober in den Kantonsrat gewählt und reicht deshalb sein Mandat im GGR weiter. Leemann ist jung, wurde bereits als Student gewählt und äussert sich entsprechend freimütig. «Bitte kommt bei den Voten auf den Punkt», appelliert er an die Politiker.

«Bei gewissen Parlamentariern wird nicht mehr hingehört, weil sie einfach zu viel sprechen.»

Rainer Leemann, FDP

Es sei ärgerlich, wenn jeder Fraktionssprecher immer wieder dieselben Argumente aufführe. «Dasselbe gilt, wenn Kommissionsberichte oder Vorlagen des Stadtrats nochmals wiederholt werden.»

Gregor R. Bruhin, Fraktionschef der SVP im GGR.

Gelten als äusserst debattierfreudig: Zuger Stadparlamentarier. Hier steht Gregor R. Bruhin, Fraktionschef der SVP am Rednerpult.

(Bild: mam)

Er gehe davon aus, dass jedes Mitglied sie gelesen habe, so Leemann. Auch die Lang- und Vielredner haben bei ihm nicht viel Kredit: «Bei gewissen Parlamentariern wird oft nicht mehr hingehört, weil sie einfach zu viel sprechen», sagt er.

Man muss Gedanken nicht auf der Zunge tragen

Barbara Stäheli sass seit 2004, über drei Amtsperioden, für die SP im Stadtparlament. «Im Rat habe ich alles gesagt, was mir wichtig war, also gibt es nichts, was ich nie losgeworden bin», sagt sie. Sicherlich habe sie während der Sitzungen auch viele Gedanken, Einwände und Emotionen gehabt, welche sie nicht geäussert habe. «Und das ist auch gut so», sagt die Schulleiterin. «Meiner Meinung nach sollte sich ein Ratsmitglied immer gut überlegen, ob die Meinungsäusserung zur Debatte über die Vorlage gehört oder nicht.»

Gleich hält es Astrid Estermann, seit 12 Jahren grüne Parlamentarierin. «Natürlich wäre es schön gewesen, wenn ich auch öfter mal die Mehrheit von meiner Meinung hätte überzeugen können», sagt sie. Aber eigentlich habe sie alles gesagt, was ihr wichtig gewesen sei.

Aus dem Wahlkampf in den politischen Ruhestand

Dass Estermann als alternative Politikerin nicht mehr weitermacht, kommt eher überraschend, nachdem sie sich in den letzten Jahren sehr aktiv für den Erhalt der Gartenstadt eingesetzt hatte. Und im Oktober auch um einen Sitz in der Zuger Stadtregierung kämpfte. «Ich habe mir das sehr lange und genau überlegt», sagt Estermann zu ihrem Rückzug aus der Legislative.

«Ich wünsche mir, dass sich SP und Alternative – die Grünen zusammenraufen.»

Susanne Giger, parteilos

Ebenfalls viele Jahre im Stadtparlament verbracht hat die engagierte Buchhändlerin Susanne Giger. Nach drei Legislaturen zieht sie einen Schlussstrich. Sie habe alles Nötige gesagt, meinte sie gegenüber zentralplus. Doch eines wolle sie doch noch loswerden: «Ich wünsche mir, dass sich SP und Alternative – die Grünen zusammenraufen, um mit gemeinsamen Kräften gute Politik zu machen!»

Ein sicherer Wert auch ohne Parteibuch

Damit spielt die Parteilose nicht nur auf das Dilemma der Linken an, die sich für Exekutivwahlen im Majorz zusammentun müssen, wenn sie je wieder den Sprung zurück in den Regierungsrat und wohl künftig auch in den Stadtrat schaffen wollen. Sondern auch auf ihre persönliche Laufbahn: Giger wurde 2006 erst auf einer Liste der Sozialdemokraten gewählt, schloss sich später aber der ALG-Fraktion an.

Stabil blieb ihre enorme Popularität: Susanne Giger auf der Liste bedeutete immer ein sicheres Mandat im Parlament. 2011 wurde sie deshalb gar in die Nationalratswahlen geschickt, wo sie die Wahl des damaligen Mandatsträgers Josef Lang unterstützen sollte.

Höchster Zuger tritt ab

Quasi zum Denkmal geworden ist ein anderer Politiker, der heute seinen «Letzten» hat. Hugo Halter (CVP) ist seit dem Vorjahr amtierender Präsident des GGR und damit höchster Stadtzuger. Wie es seiner Stellung entspricht, leitet er vorab das Parlament und gibt sich weniger mit Parteipolitik ab.

Natürlich hätte zentralplus auch vom Vize-Kommandanten der Zuger Polizei gern erfahren, was er schon immer gern losgeworden wäre. Doch Halter, der der letzte Kommandant der Zuger Stadtpolizei war, bevor sie mit der Kantonspolizei zusammengelegt wurde, und der auch schon drei Legislaturen im GGR absolviert hat, gibt sich – der Würde seines Amtes entsprechend – unverbindlich. Für ihn stünden «Sachlichkeit und Respekt gegenüber dem Menschen im Vordergrund, nicht Polemik».

Was wirklich wichtig ist

Zwei Legislaturen hat Willi Vollenweider hinter sich, der für die SVP in die Politik einstieg, aber als Unabhängiger aufhört. Der Zuger Kantilehrer und Ingenieur verabschiedet sich «um einige Erfahrungen reicher, aber ohne Groll – auch wenn sich ein paar Dinge nicht so entwickelt haben, wie ich mir dies gewünscht habe.»

Er hat die Erkenntnis gewonnen, dass das Zuger Stadtparlament eigentlich gar nicht so wichtig sei, wie einige denken. «Die grossen Herausforderungen der Schweiz liegen nicht auf gemeindlicher oder kantonaler, sondern auf eidgenössischer Ebene», findet Vollenweider. Dort werde «das Thema Sicherheit seit geraumer Zeit von allen Parteien sträflich vernachlässigt».

Dafür werde er seine Zeit weiterhin einsetzen, so Vollenweider. Sein letzter politischer Vorstoss beschäftigt sich übrigens mit der Einrichtung einer Zuger Nationalgarde auf kantonaler Ebene.

Drei Senkrechtstarter verschwinden

Neben den genannten gibt es noch ein paar politische Senkrechtstarter, die nicht lange im Stadtparlament verweilten. Peter Rüttimann war von einem hinteren Listenplatz der FDP in den GGR gewählt worden, hört aber nach nur vier Jahren als Politiker auf. Eliane Birchmeier sass für die FDP sechs Jahre im Rat und schaffte im Herbst sogleich die Wahl in die Stadtregierung.

Am kürzesten gehörte Anna Spescha dem GGR an. Die Co-Präsidentin der Zuger Juso rutschte während der letzten Amtsperiode nach, weil Louis Bisig zurücktrat. Im Oktober hat Spescha aber neben dem GGR-Sitz auch ein Mandat im Zuger Kantonsrat gewonnen und gibt deshalb ihren Sitz im Gemeindeparlament weiter.

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