Luzerner Gericht ordnet «kleine Verwahrung» an

Dieb nutzt frühzeitige Haftentlassung für Verbrechensorgie

Er kann es nicht lassen: Immer wieder stiehlt ein Luzerner, nun wird er hart bestraft. (Symbolbild)

(Bild: giw)

Ein 27-jähriger Luzerner bricht über Jahre hinweg in weit über 60 Automaten ein. Er wird wiederholt gefasst und verurteilt. Dennoch wird er vorzeitig entlassen und schlägt prompt wieder zu. Nun wird er für eine lange Zeit weggesperrt.

Das Luzerner Kriminalgericht musste sich im Mai mit dem Fall eines notorischen Diebes beschäftigen. Allein zwischen Juni und August 2016 hat er insgesamt 24 Automaten aufgebrochen, hinzu kommen eine Reihe gescheiterter Diebstahlversuche. Er brach vornehmlich Wasch-, Staubsauger- und Gebläseautomaten in Tankstellen auf, um das darin enthaltene Geld zu stehlen.

Dabei verursachte er insgesamt einen Sachschaden von über 55’000 Franken – konnte jedoch lediglich 1140 Franken Bargeld stehlen. Ausserdem hat sich der Sozialhilfebezüger für eine Reihe von Strolchenfahrten mit dem entwendeten Auto der Mutter sowie dem Konsum und Besitz von Cannabis und Amphetamin vor dem Kriminalgericht zu verantworten.

Das Kriminalgericht verurteilt den 27-jährigen Mann für seine Taten zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 2 Jahren und 7 Monaten. Gegen das Urteil hat der Verteidiger Berufung eingelegt. Unter anderem fordert er eine ambulante statt einer stationären Behandlung für seinen Mandanten.

Da der bereits mehrfach vorbestraft ist, erhöhte das Gericht die Strafe um ein halbes Jahr. Der Beschuldigte muss ausserdem die Verfahrenskosten von 21’000 Franken bezahlen. Der Vollzug der Gefängnisstrafe wird jedoch zugunsten einer stationären psychiatrischen Behandlung aufgeschoben. Sprich, schliesst er die im Volksmund «kleine Verwahrung» genannte Massnahme erfolgreich ab, muss er seine Gefängnisstrafe nicht antreten.

Täter leidet unter Persönlichkeitsstörung

Seine Diebeskarriere reicht weit zurück. Bereits in den Jahren 2011 und 2012 beging der Mann insgesamt 40 Diebstähle. Dafür wurde er im Jahr 2014 vom Luzerner Kantonsgericht bereits zu 22 Monaten Haft verurteilt. Hinzu kommt ein jüngeres Urteil der Staatsanwaltschaft Innerschwyz im Dezember 2017 für Autofahrten ohne Führerausweis und Kontrollschilder. Vier Monate Haft muss er dafür verbüssen.

Pikant: Seine ausschweifende Diebestour im Sommer 2016 konnte er lediglich begehen, weil die Luzerner Behörden ihn im Frühjahr desselben Jahres frühzeitig aus der Haft entlassen hatten. Zum Zeitpunkt der Freilassung hätte der Mann von der verhängten Gesamtstrafe aus dem Jahr 2014 noch 269 Tage im Gefängnis vor sich gehabt.

Offensichtlich hat der Mann eine ziemlich grosse kriminelle Energie. Zwei unabhängige Gutachten und Therapieberichte halten fest: Der Mann leidet unter einer schweren Persönlichkeitsstörung von antisozialem Typ. Ein Gutachten stammt aus dem Jahr 2013 – also vor der Freilassung und anschliessenden Diebstahlorgie. Dort steht unter anderem: «Unbehandelt ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Beschuldigte auch weiterhin Vermögensdelikte und Widerhandlungen begehen wird.»

Dieb widersetzt sich stationärer Behandlung

Aufgrund der Schwere der Störung und der ungünstigen Prognose erscheine lediglich ein intensiver Behandlungsansatz unter Einbezug einzeltherapeutischer wie auch gruppentherapeutischer und allenfalls milieu-therapeutischer Interventionen geeignet, das Rückfallrisiko zu senken, schreibt eine Psychologin im jüngsten Gutachten. Da sich der Mann weigerte, mit der Expertin zu kooperieren, stützten sich ihre Befunde lediglich auf bestehende Dokumente.

Die Behandlung erscheint laut dem Gutachten schwierig, aber nicht aussichtslos, obwohl der Verurteilte sich einer stationären Behandlung widersetzt. «Was soll ich sagen? Ich finde, es hat keinen Sinn», sagte der junge Mann dem Gericht auf die Frage, ob er im Rahmen der Therapie kooperieren würde. Die Hoffnung der Gutachterin ist, dass der Beschuldigte, wenn er sich allenfalls mit der Realität konfrontiert sehe, dass ihm eine baldige Entlassung verwehrt bleibt, einlenke und sich auf eine Behandlung einlasse.

Vorzeitige Haftentlassung ist die Regel

«Es ist der Regelfall, dass nach Verbüssung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe eine Person aus der Haft entlassen wird», sagt Stefan Weiss, Leiter der Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug. So steht es im Strafgesetzbuch. Die Ablehnung einer vorzeitigen Haftentlassung muss demzufolge begründet werden. Gründe, die gegen eine vorzeitige Entlassung sprechen, sind unter anderem eine hohe Rückfallgefahr. Auch bei gefährlichen Tätern sei man in der Regel sehr vorsichtig. «Bei Gewaltverbrechern oder Sexualdelikten sind wir viel zurückhaltender und lassen häufig auch ein Gutachten erstellen oder holen die Empfehlung einer Fachkommission ein», sagt Weiss.

Diese letzte Phase, in der die Personen die Haftanstalt verlassen können, dient in der Regel der Bewährung des Delinquenten. «Es handelt sich um eine Probezeit, während derer die Person eng begleitet wird», sagt Weiss. Das können unter anderem regelmässige Gespräche mit Bewährungshelfern sein oder das Delikt wird in dieser Phase noch einmal aufgearbeitet. Auch die Unterstützung bei der Job- und Wohnungssuche oder anderen Problemen kann Bestandteil der Bewährungshilfe sein, wie auch die Kontrolle von Bewährungsauflagen.

Die Rückfallrate innerhalb von drei Jahren nach einer Verurteilung für ein Vergehen oder ein Verbrechen ist in der Schweiz seit Jahrzehnten rückläufig. Begingen 1987 noch 30 Prozent der Verurteilten wieder eine Straftat, waren es laut dem Bundesamt für Statistik 2013 etwas weniger als 20 Prozent. Bei Tätern mit Vorverurteilungen steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass sie erneut straffällig werden. Für den Kanton Luzern werden die entsprechenden Zahlen nicht erhoben.

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