Immer mehr Fälle im Kanton Zug – wegen #Metoo?

«Die Zunahme von häuslicher Gewalt ist nicht unbedingt negativ»

Häusliche Gewalt nimmt im Kanton Zug zu.

(Bild: Adobe Stock)

Mehr als einmal täglich rückt die Zuger Polizei wegen häuslicher Gewalt aus. Die Zahl der Fälle hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert. Die Regierung räumt ein, dass der Kanton mehr dagegen unternehmen müsse. Bei der Opferberatungsstelle findet man diese Entwicklung gar nicht mal so schlecht.

Häusliche Gewalt ist im Kanton Zug ein Problem. Eines, das grösser wird. Dies belegen Zahlen, die der Zuger Regierungsrat auf Anfrage der SP-Fraktion herausgesucht hat.

Sage und schreibe 439 Mal musste die Zuger Polizei letztes Jahr allein wegen häuslicher Gewalt ausrücken. Davon hatten 147 Fälle eine Strafanzeige zur Folge. In 292 Fällen wurde keine Anzeige erhoben.

Das entspricht einer Zunahme der Einsätze um fast 14 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. 2017 waren es 386 Einsätze, welche 138 Anzeigen zur Folge hatten. Entsprechend wurden also nur fast 6 Prozent mehr Anzeigen gemacht. In 211 Fällen bestand gemäss Regierungsrat eine familiäre Beziehung. Letztes Jahr liessen sich insgesamt 310 Personen bei der Opferberatungsstelle Eff-Zett beraten.

Der Regierungsrat räumt Ressourcenmangel ein

Die Zunahme der Fälle beschäftigt auch den Regierungsrat. Er räumt ein, dass die Fachstelle häusliche Gewalt derzeit über zu wenig personelle Ressourcen verfüge.

«Die Fälle von häuslicher Gewalt haben in den letzten Jahren um 25 Prozent zugenommen, die personellen Ressourcen sind aber gleichgeblieben.»

Zuger Regierungsrat

«Während die Fälle von häuslicher Gewalt und die polizeilichen Interventionen in diesem Bereich zwischen den Jahren 2009 und 2016 um rund 25 Prozent zugenommen haben, sind die personellen Ressourcen gleichgeblieben», so die Antwort der Regierung. Konkret werden aktuell 100 Stellenprozente für das Thema eingesetzt.

Entsprechend habe die Fachstelle im Jahr 2017 erstmals nicht mehr alle Fälle zeitnah bearbeiten können, «was insbesondere bei den Kontaktaufnahmen mit den Opfern und beschuldigten Personen zu immer grösseren Verzögerungen führte».

Ebenso sei die proaktive Kontaktaufnahme nur in Fällen nachweislich erfolgter häuslicher Gewalt gemacht worden. In den anderen Fällen wurden den Betroffenen Informationen per Post zugestellt. Aus diesem Grund müsse nun im Rahmen des Budgetprozesses eine Personalerhöhung, respektive -verschiebung geprüft werden, so der zuständige Zuger Regierungsrat Beat Villiger auf Anfrage.

Gemäss Strafgesetzbuch kein Strafbestand

Der Anstieg im Bereich häuslicher Gewalt ist auch der Zuger Opferberatungsstelle Eff-Zett nicht entgangen. «Zwar ist es schwierig, diese Fälle in der Statistik festzuhalten», so Markus Noser, der Abteilungsleiter Beratung und Prävention, «da häusliche Gewalt gemäss Strafgesetzbuch kein Strafbestand ist. Das ist ähnlich wie beim Stalking.» In den Bereich der häuslichen Gewalt gehören verschiedene Gewaltstraftaten wie einfache Körperverletzung, Freiheitsberaubung oder Drohung.

Dennoch bestätigt er, dass die Zahl der Menschen, die sich wegen häuslicher Gewalt ans Eff-Zett gewendet haben, zugenommen habe. «Es macht sich kein drastischer, sondern vielmehr ein kontinuierlicher Anstieg bemerkbar», sagt Noser.

#Metoo mitunter Grund für Zunahme

«Auch, wenn dieser nur bedingt aussagekräftig ist.» Will heissen? «Die Zunahme an Fällen ist nicht unbedingt nur negativ. Bewegungen wie #Metoo sorgen dafür, dass Themen wie Gewalt an Frauen enttabuisiert werden. Es kann also gut sein, dass sich Menschen deshalb vermehrt getrauen, sich zu melden», sagt Noser. Was sich wiederum in den Zahlen niederschlage. Er betont, dass es sich dabei lediglich um Annahmen handle.

«Es kann in den eigenen vier Wänden zu Affektausbrüchen kommen, in denen sich gesellschaftlicher Druck entlädt.»

Markus Noser, Abteilungsleiter Beratung und Prävention, Eff-Zett

Und Noser relativiert: «Wir stehen in der heutigen Zeit unter grossem Druck. Die Leute sind häufig überfordert. Da kann es in den eigenen vier Wänden zu steuerungslosen Affektausbrüchen kommen, in denen sich der Druck entlädt.»

Fokus soll vermehrt aufs Thema gerichtet werden

Die Regierung beteuert jedenfalls, dass ihr das Thema häusliche Gewalt am Herzen liegt. «Aufgrund der Zunahme von Fällen häuslicher Gewalt soll bei deren Bekämpfung ein Schwerpunkt gesetzt werden», schreibt sie in ihrer Antwort. So würden in der Sicherheitsdirektion Abklärungen zu verschiedenen Massnahmen zur Prävention und Intervention laufen.

Konkret wolle man beispielsweise an der Zuger Messe mit einem Stand auf das Thema aufmerksam machen. Auch die Opferberatungsstelle Eff-Zett plant vermehrt Aktionen dazu. Generell sei ein engeres Zusammenwirken mit der Polizei vorgesehen, weiter gedenkt man, den Austausch mit Schulen, sozialen und kirchlichen Diensten sowie Zuger Einrichtungen zu stärken.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Frapedi
    Frapedi, 17.05.2019, 14:02 Uhr

    «Die Zunahme an Fällen ist nicht unbedingt nur negativ. » Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Noser sich darüber freut, dass es mehr Fälle von häuslicher Gewalt gibt! Er hätte besser sagen sollen, dass es mehr MELDUNGEN solcher Fälle gibt, und dass dies ein Zeichen zunehmender Sensibilisierung sein könnte.

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