Nazi-Agenten in Zug: Teil 2

Die Zuger Nazi-Partei

Guisan im «Ochsen»

(Bild: Bibliothek Zug)

Auf der Suche nach den Spuren rund ums Zuger Funkgerät: Nazi-Sympathisanten in Zug.

Sie erinnern sich: Im letzten Teil dieser Reihe haben wir ein Funkgerät aus dem Dritten Reich gefunden, mitten in Zug, in einem geheimen Turmzimmer.

Noch nicht gelesen? Hier geht’s zu Teil 1.

Nun brauchen wir etwas Überblick. Und wollen wissen: Wie war das hier damals? Wir reisen ins Zug der Nationalsozialisten.

Leinwand auf, Augen zu. Wir stehen jetzt am Hirschenplatz, mitten in Zug, und spulen zurück. Wir lassen die ganzen Boomjahre bis zu den Siebzigern an uns vorbeiziehen und sehen zu, wie sich die halbe Stadt wie verschreckte Erdmännchen zurück in die Erde verkriecht. Bis schlussendlich im Jahr 1959 auch das Haus Zentrum, jenes so geliebte wie gehasste Stück Architektur des gefeierten Zuger Architekten Hans A. Brütsch, heute mit grosser Nase verziert und Teile der Stadtverwaltung beinhaltend, ebenfalls verpufft und Platz macht für den Gasthof Hirschen.

Demonstration gegen Nazis

Noch drei Jahrzehnte weiter zurück, und der Hirschen ist der Versammlungsort der Zuger Nationalsozialisten, damals toleriert von den Katholisch-Konservativen, denen das Haus gehört. Wir drücken auf Play in der Nacht vom 30.1.1934, dem Jahrestag der Machtergreifung Hitlers. Drinnen sitzen die Jungpolitiker der Liberalen und der Konservativen, und hören sich das mal an: Es ist die erste öffentliche Veranstaltung der Nationalen Front Zug. Draussen auf dem Hirschenplatz demonstrieren 150 Sozialdemokraten und werfen Schneebälle an den Hirschen.

Zug, am Hirschenplatz.
Zug, am Hirschenplatz.

(Bild: Bibliothek Zug)

Darunter ist auch der sozialdemokratische Landammann Heinrich Gallmann, der in der nächsten Regierungsratssitzung für seine Teilnahme an der Demonstration zur Rede gestellt wird, von niemand Geringerem als dem zukünftigen Bundesrat Philipp Etter: Ein Regierungsrat, beschliesst das Gremium nach dem Intermezzo, dürfe sich in Zukunft nicht mehr bei einer Versammlung aufhalten, wenn sein Ziel nur darin bestehe, zu stören.

Genug davon, zurück zu den Nazis. Die gibt es in Zug seit 1933, seit dem Aufflackern des Frontenfrühlings. Michael van Orsouw, der Zuger Historiker, liefert uns mit seiner Arbeit über die Zuger Gesellschaft von 1932 bis zum Ende des Kriegs den nötigen Hintergrund. Van Orsouw hat eine Recherche zum Thema Frontisten und Nationalsozialisten in Zug angetreten und ein scharfes Bild der damaligen Gesellschaft gezeichnet. Das sehen wir uns an.

Ermöglicht durch Förderfonds M.M.V.

Diese vierteilige Recherche wurde unterstützt durch den Verein M.M.V. Der als gemeinnützig anerkannte Verein setzt sich für die Förderung der Medienvielfalt in Luzern und Zug ein. Nebst dem regionalen Bezug sollen die geförderten Artikel Einblicke bieten, die über das journalistische Tagesgeschäft hinausgehen. Interessierte finden hier weitere Informationen.

Frontisten in Zug

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland fährt eine Welle der Begeisterung durch faschistisch eingestellte Gruppierungen in der Schweiz. Überall bilden sich Vereine und Parteien, sogenannte Frontisten schliessen sich zusammen und wollen in der Schweiz etwas Ähnliches erreichen wie die Nationalsozialisten in Deutschland: einen politischen Erdrutsch.

Der Frontenfrühling kulminiert in einem Wahlsieg der Nationalen Front in Zürich im September 1933: Knapp 20 Prozent der Sitze kann sie sich ergattern. Danach schlägt die Stimmung um, vielleicht, weil die Radikalität der NSDAP in Deutschland immer sichtbarer wird, die Nationale Front kann sich in der Schweiz nicht halten, vielleicht haben die Schweizer den Braten gerochen.

Auch in Zug bilden sich Vereine und Parteien und bleiben bis zum Ende des Krieges bestehen, trotz teilweise grossen Spannungen in der Bevölkerung. 1941 gab es in Zug laut van Orsouw zirka 600 Reichsdeutsche, die sich in verschiedenen Vereinen organisierten.

Die Ortsgruppe Zug der Reichsdeutschen Gemeinschaft zählte zwischen 1939 und 1945 rund 350 Mitglieder. Daneben gab es eine Deutsche Arbeitsfront, die 1945 noch 41 Mitglieder zählte, eine NSDAP Zug mit rund 10 aktiven Mitgliedern und eine NS-Sportgruppe mit 14 Mitgliedern, die sich für Märsche etwa mit der NS-Sportgruppe Zürich zusammenschloss.

Nazi-Gruss in der Metallwarenfabrik

Besonders aktiv war offenbar die Ortsgruppe der Reichsdeutschen Gemeinschaft, die laut van Orsouw bis zum Ende des Krieges Filmabende im Hirschen veranstaltete, Redner einlud, Poesieabende und Lesungen durchführte, und sich um die in Zug wohnenden Hinterbliebenen von gefallenen Reichsdeutschen kümmerte. Dabei beteiligten sich nicht nur einfache Leute, sondern Menschen aus allen Kreisen des gesellschaftlichen Lebens.

Unter den Nazi-Sympathisanten war etwa auch der damalige Direktor der Zuger Metallwarenfabrik, gegen den die Bundespolizei eine Untersuchung führte, weil er sich öffentlich für das Dritte Reich starkmachte. Offenbar begrüsste er Besucher in der Fabrik gerne mit dem Hitlergruss, was er später als Witz abtat. Die Untersuchung blieb für ihn folgenlos.

So weit zum Lokalkolorit. Jetzt brauchen wir glaubhafte Bösewichte. Wenn wir verurteilte Spione finden, die mit dem Funkgerät im Chalet Alpina etwas zu tun hatten, dann haben wir unseren Mann – oder unsere Frau. Und Verurteilte gibt es in Zug tatsächlich.

Hier geht es zu Teil 3

https://www.zentralplus.ch/zum-tode-verurteilt-und-in-hedingen-erschossen__trashed-857047/

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