50 Fragen an Regula Mühlemann

«Die Zeit der Diven ist vorbei»

Regula Mühlemann (Bild: Esther Michel)

Die junge Opern-Sopranistin Regula Mühlemann wird als neue Entdeckung gefeiert. Die 27-jährige Adligenswilerin ist mittlerweile auf Bühnen in ganz Europa unterwegs. Wir trafen die Sängerin ganz klassisch zum Tee in Luzern. Ein Gespräch über Musik, über Ego und über Fanpost.

Wir treffen Regula Mühlemann an einem verregneten Morgen in der Café Bar Salü in Luzern. In dem kleinen, gemütlichen Café sitzen ein paar ältere Herren und lesen die Zeitung. Als die junge Sopranistin strahlend zur Tür hereinkommt, sehen sich nicht wenige Gäste zweimal um. Sie bestellt einen Ingwer-Tee, wirft ihre grosse, schwere Lederjacke über die Stuhllehne und ist bereit – für 50 Fragen.

1.    Sich selbst singen zu hören ist für die meisten Leute ein Graus. Hoffentlich geht es dir da anders?

Ich finde meinen Gesang auf Aufnahmen auch nicht besonders toll. Meine Sprechstimme ist für mich aber schlimmer als meine Singstimme. 
Gut hört sich beides nicht an.

2.    Singen als Beruf. War das der Plan?

Also als Kind wollte ich auf der Post arbeiten. Das schnelle Stempeln hat mich total fasziniert. In der 2. Klasse habe ich aber einer Schulkameradin ins Freundebüchlein geschrieben, ich wolle Sängerin werden. Das wusste ich bis vor ein paar Monaten gar nicht mehr.

3.    Welche Musik fandst Du denn damals toll, als Du zur Post wolltest? Die Backstreet Boys?

lacht Nein. So richtig Fan war ich nie von etwas. Aber ich erinnere mich an meine erste CD – die war von Mr. President.

4.    Versteckst Du als Musikerin solche CDs vor Besuchern?


Ich habe gerade erst bei meinen CDs ausgemistet. Momentan müsste ich keine verstecken.

5.    Theoretisch sollen hohe Stimmen Glas zerstören können. Wie viele Gläser hast Du schon zerspringen lassen?

lacht Keines. Ich weiss gar nicht, ob das überhaupt jemand kann.

6.    Kannst Du dann vielleicht rappen?

Nein, das kann ich überhaupt nicht. Aber ein Fan hat mir mal einen Rap gewidmet. Er hatte den selbst geschrieben und für mich aufgenommen.

7.    Schreibst Du denn selbst auch eigene Lieder, oder lässt Du nur die Fans für dich schreiben?

Ich hatte ein Phase, in der ich es versucht habe. Ich musste mir aber eingestehen, dass ich darin nicht wirklich talentiert bin.

8.    Du hast ja auch die Möglichkeit, zu singen, was andere Komponisten geschrieben haben. Welche zählen zu deinem Repertoire?

Vor allem Mozart. Momentan möchte ich mein Repertoire bei seinen Opern auch weiter ausbauen.

9.    Da bist Du bestimmt nicht die Einzige. Wie gross ist eigentlich der Konkurrenzkampf in der Opernwelt? Ist er vergleichbar mit der Populärmusik?

Bei den Vorsingen war es besonders am Anfang hart. Wenn vierzig Mädchen für dieselbe Rolle vorsingen, und man bloss eine in der grossen Masse ist. Da ist es etwas ganz anderes, wenn man sich bereits etwas etabliert hat. Bei den grossen Vorsingen wird einem noch ein fieser Kommentar zugeflüstert, kurz bevor man die Bühne betritt. Man gönnt sich gar nichts.
Mittlerweile erlebe ich diesen Konkurrenzkampf kaum mehr, da ich direkt von den Häusern engagiert werde.

10.    Du bist also schon ein Treppchen weiter hochgestiegen. Welche Allüren hast Du entwickelt?

lacht Allüren hab ich keine. Die Zeit der Diven ist vorbei. Man kann sich das als Sängerin gar nicht mehr leisten. Meist ist mit dem Regisseur und dem Dirigent schon genug an Ego im Saal.

«Kunst soll nicht nur lauwarm runtergehen.»

11.    Was müsste sich aus deiner Sicht in der Oper ändern?

Ich finde, sie dürfte ruhig etwas jugendlicher und moderner werden. Kunst soll ja nicht nur lauwarm runtergehen, sondern auch herausfordern dürfen. Und dabei aber weder seicht, noch zu provokativ und grotesk inszeniert werden.

12.    Welche Geschichte würde sich denn deiner Meinung nach gut als Oper eignen? Welcher Film sollte zum Beispiel als Oper komponiert werden?

überlegt Der Film «Chocolat». 
Schokolade und Musik. Die zwei schönsten Dinge, die es gibt, vereint.

13.    Hast Du heute einen Ohrwurm?

Ja, das ist «Happy» von Pharrell Williams. Aber da bin ich momentan bestimmt nicht die Einzige.

Regula Mühlemann

Die Adligenswilerin Regula Mühlemann studierte klassischen Gesang an der Hochschule für Musik in Luzern und schloss 2010 mit Auszeichnung und Bestnote ab. Ihre ersten Erfahrungen auf der Opernbühne sammelte die junge Sopranistin am Luzerner Theater. Seither führten sie ihre Engagements unter anderem nach Salzburg, nach Genf, ans Teatro la Fenice in Venedig und in die Opéra de Paris.

2013 hat sich als richtig gutes Jahr für Mühlemann erwiesen. Die 27-Jährige entwickelte sich zu einer der führenden Sopranistinnen ihrer Generation. Als Papagena in Mozarts Zauberflöte und als Waldvogel in Wagners Siegfried bringt sie die Kritiker zum Schwärmen. In der Schweiz wurde sie medial durch die Auftritte bei «Glanz & Gloria» und im «Persönlich» bekannt. Ihren nächsten Auftritt - ein Liedrezital -  hat Mühlemann am Muttertag im Theater Casino Zug.

14.    Welche Musik hörst Du dir privat an? Immer Klassik?

Ich höre in der Freizeit sehr wenig Musik, da ich auch mal Abstand und Ruhe brauche. Wenn man den ganzen Tag schon Musik um sich herum hat, ist man manchmal froh um Stille. Aber wenn, dann hör ich vor allem Indie-Rock.

15.    Was singst Du unter der Dusche? 


Meist übe ich unter der Dusche. Dann gehe ich schwierige Stellen automatisch immer und immer wieder durch. Diese Form von Üben passiert zum grössten Teil unbewusst.

16.    Wann übst Du denn richtig bewusst?

Meistens übe ich zwischen Mittag und Mitternacht.

17.    Gibt das nicht Streit mit den Nachbarn?

Wir wohnen zum Glück in einem sehr musikalischen Haus. Da stört es niemanden, soweit ich weiss. Es hat sich auf jeden Fall noch keiner beschwert.

18.    Wie viel ist bei dir Talent und wie viel Fleiss? Wie schätzt Du das ein?

Ich denke das liegt bei fünfzig zu fünfzig. Ohne eines von beiden wäre ich sicher jetzt nicht da, wo ich heute bin.

19.    Hast Du denn trotz deiner Übungen in der Dusche schon mal den Text auf der Bühne vergessen?

Ja. Das ist mir tatsächlich schon passiert. Ich baute dann andere Worte oder Textpassagen ein, die mir gerade einfielen. Das merkte glücklicherweise kaum jemand.

20.     Sind denn die Zuschauer nicht oft Opern-Experten?

Doch schon. Aber da muss einer sehr aufmerksam sein und die Texte genau auswendig kennen.

21.    Dein Lieblingssong?

Das Schilflied von Mendelssohn-Bartholdy.

22.    Und zu welchem Lied tanzt Du am liebsten?

Zu «Hey Ya!» von Outkast.

23.    Spannend wäre natürlich, wie das dann ausschaut.

lacht Das sieht ziemlich wild aus. Ich komme auf jeden Fall immer ins Schwitzen bei diesem Song.

24.    Bei welchem Song verlässt Du das Lokal?

Das Lokal würde ich wahrscheinlich nicht gleich verlassen, aber «Timber» von Kesha und Pitbull nervt mich schon ziemlich.

25.    Metal oder Punk?

Metal.

26.    Welche Musikrichtung hörst Du allgemein gar nicht gern?

Punk und Metal. lacht Aber Metal ist das kleinere Übel.

27.    Dann lassen wir Punk und Metal mal weg. Dein Kinderlied?

Die erste Videoaufnahme von mir, die zeigt mich mit ungefähr drei Jahren in der Badewanne, mit einem Reifen auf dem Kopf, während ich «Alli mini Äntli» singe. Und ich treffe keinen Ton. Ich hatte als Kind auch ganz viele Lieder-Kassetten. Die habe ich ständig gehört und mitgesungen. Ich hatte also bestimmt ein ziemliches Repertoire.

28.    Hast Du denn nicht das absolute Gehör?

Nein. Das habe ich nicht.

29.    Puccini oder Mozart?

Mozart

30.    DJ Bobo oder Gölä?

überlegt Schwierig. Gölä. Aber es gehören ja beide irgendwie zu meiner Jugend.

31.    Warst Du ein Mädchen mit Puppenhaus oder mit Baumhütte?

Baumhütte.

«Die Nummer eins bleibt Luzern.»

32.    In welcher Stadt würde denn heute deine Baumhütte stehen? Hast Du eine Lieblingsstadt?

Ich hatte immer gemeint, es sei Berlin. Mittlerweile habe ich mich aber für Paris entschieden. Diese Stadt hat alles, was Berlin hat und dazu noch Charme und eine gewisse Leichtigkeit. Aber die Nummer eins bleibt natürlich Luzern. Hier bin ich zuhause.

33.    In welchen Städten warst Du in der letzten Woche unterwegs?

Regula überlegt kurz, dann kramt sie ihr Handy heraus, um nachzuschaun.

In Berlin, Zürich und hier in Luzern. Ohne Handy und Kalender könnte ich mir meine Termine niemals alle merken.

34.    Du bist in Wien mit Cecilia Bartoli aufgetreten. Wie ist sie privat?

Sie ist eine tolle Person und extrem auf dem Boden geblieben. Sehr lieb und ruhig. Und sie hat eine ganz leise Sprechstimme. Sie war sehr offen und hat mir einige Tipps gegeben.

35.    Was machst Du kurz vor einem Auftritt? Hast du ein Ritual?

Nein. Ich vertraue lieber nur auf mich. Sonst hat man den Talisman oder sein Ritual einmal nicht dabei und verfällt vor einem Auftritt in Panik.

36.    Apropos Panik: Dein grösster Albtraum?

Auf der Bühne wäre das, wenn ich einen hohen, exponierten Ton so richtig versemmeln würde. Da würde ich im Boden versinken. Wenn man singt und merkt: Das ist jetzt voll daneben.

37.    Bei einer solchen Panne braucht es sicher ziemlich viel schauspielerisches Talent, um das zu überspielen. Wie viel von deiner Arbeit ist eigentlich Schauspiel?

Ich würde sagen fünfzig Prozent. Bei den Aufführungen ist oft sogar noch mehr Schauspiel dabei. Manchmal konzentriere ich mich bei den ersten Proben so sehr aufs Spiel, dass ich das Singen fast vernachlässige. Je nach Dirigent kann man dann bei Aufführungen mehr oder weniger spielen. Bei einem Dirigenten, der meine komplette Aufmerksamkeit verlangt, steht das Schauspielerische hinten an. Andere Dirigenten lassen mehr Freiheit und sich voll auf die Darsteller ein.

38.    Was wäre dein Plan B?

Da gibt es ganz viele. Schneiderin oder Designerin fände ich sehr interessant. Oder Floristin.

39.     Und wo würdest Du dich hinterher zur Ruhe setzen?

Auf der spanischen Insel Formentera oder in der Luzerner Neustadt.

40.    Du bist ja mittlerweile in vielen Städten und Ländern aufgetreten. Woher und von wem kriegst Du Fanpost?

Gerade habe ich eine Autogrammanfrage aus Russland bekommen. Meine Fans sind in allen Altersgruppen – von Kindern bis zu älteren Leuten. die meisten Autogrammkarten schicke ich nach Deutschland, Frankreich und Italien. In der Schweiz habe ich mehr Fans, kriege aber weniger Post.

41.    In welcher Rolle sehen dich deine Fans am meisten? Welches ist derzeit deine Paraderolle?

Die Papagena singe ich momentan landauf, landab. Wahrscheinlich bis sie mir zu den Ohren rauskommt. lacht

42.    Und welches wäre deine Traumrolle?

Gerade ist das die Pamina in der Zauberflöte von Mozart.

«Fahr oder stirb.»

43.    Was ist das gefährlichste, das Du bisher getan hast?

Bei der Bastille in Paris hat es einen Kreisel. Dort drin mit dem Velo, da denkst du nur noch «Fahr oder stirb».
Hmm.. Und das andere weiss meine Mutter bisher noch gar nicht. Ich habe mit einem Schulfreund mal die Zuggeleise überquert, obwohl die Barrieren schon unten waren. Das war ziemlich knapp.

44.    Was bringt dich so richtig in Rage?

Ungerechtigkeit. Wenn Menschen schlecht behandelt werden. Vor allem die, die sich weniger wehren können, wie Menschen mit Handicap.

45.    Und was holt dich dann wieder runter?

Musik. Die hilft immer. Obwohl mich die Musik manchmal auch ärgern kann – wenn es nicht so läuft, wie ich will.

46.    Kannst Du eigentlich Klavier spielen?

Ja, das kann ich.

47.    Und bist Du besser im Klavierspiel oder im Zehnfingersystem?

Mittlerweile leider im Zehnfingersystem. Gerade wenn ich unterwegs bin, hat es selten ein Klavier zum Üben.

48.    Musical oder Performancekunst?

Performancekunst.

49.    Wen empfindest Du derzeit als grössten Künstler oder als grösste Künstlerin?

Der Sänger Christian Gerhaher ist liedertechnisch grossartig. Aber ich kann nicht eine Person nennen, die alles überstrahlt. Ich habe in allen Bereichen einige Favoriten.

50.    Muss für dich denn ein Mann singen können?

Nein, mein Freund kann zum Beispiel überhaupt nicht singen. Aber dafür ist er ein toller Tänzer.

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