Kinderlesung, Dragqueens und Podiumsgespräch

Die wohl kleinste Pride der Welt findet in Zug statt

Am 21. August wird in Zug das erste Pride-Festival gefeiert. Organisiert wird der Anlass von der «Galvanik» unter der Leitung von Geschäftsführerin Eila Bredehöft. (Bild: zvg)

Zwei Monate nach dem internationalen Pride-Monat geht in Zug das erste und vielleicht kleinste Queer-Festival der Welt über die Bühne. Dass der Anlass rund einen Monat vor einer brisanten Abstimmung durchgeführt wird, ist kein Zufall. Auch wenn beim Event nicht die Politik im Vordergrund stehen soll.

Die Zuger LGBTQ+-Szene ist klein. Die Community orientiert sich eher an Luzern und vor allem Zürich, wo das Angebot für Queers deutlich grösser ist. Nun aber bekennt die Zuger «Galvanik» mit der «wohl weltweit kleinsten Pride» Farbe.

Die Geschäftsleiterin Eila Bredehöft sagt zu den Beweggründen: «Im Rahmen des 25-Jahre-Jubiläums wollten wir bewusst mehr auf Kooperationen setzen und auf Veranstaltungen, die bei uns bisher kaum Platz fanden.» Bis heute habe die Galvanik die LGBTQ+-Szene noch kaum bewusst im Programm berücksichtigt.

«Wir sind jeweils zurückhaltend darin, uns zu politischen Themen zu äussern. Bei diesem Thema, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Abstimmung zur Ehe für alle, ist es uns jedoch sehr wichtig, Farbe zu bekennen.» Denn, so Bredehöft weiter, «wir wollen offen sein für alle, wollen die Queer-Szene nicht nur ansprechen, sondern diese nun auch sichtbar machen».

Pride? Unbedingt, aber mit Dragqueens!

Mit im Organisationskomitee ist der Zuger Filmemacher und Kulturschaffende Remo Hegglin. Dieser sagt: «Die Idee einer Zuger Pride ist bei ausnahmslos allen Involvierten gut angekommen. Das hat mich sehr gefreut.» Doch nicht nur das: «Das Galvanik-Team befand, wenn schon ein Anlass dieser Art, dann unbedingt unter Einbezug von Dragqueens. Diesem Wunsch bin ich gerne nachgegangen und habe meine Netze ausgeworfen, worauf ich sehr viele Anfragen erhalten habe.»

«Dass wir in Zug nun die erste und vielleicht kleinste Pride feiern, stösst auf sehr viel Sympathie.»

Remo Hegglin, Mitorganisator der Zuger Pride

Dass man in Zug eine winzige Pride veranstaltet, kommt in der queeren und gut vernetzten Szene positiv an. «Normalerweise sind Städte stolz darauf, gigantisch grosse Prides durchzuführen. Dass wir in Zug nun die erste und weltweit wohl kleinste Pride feiern, stösst jedoch ebenfalls auf sehr viel Sympathie», so Hegglin.

Etwas erstaunt, sagt der Zuger: «Bereits vor einem Monat, noch bevor der Anlass überhaupt öffentlich gemacht wurde, haben mich Leute auf die anstehende Pride angesprochen und ihre Freude darüber bekundet. Es ist lustig, wie sich das in gewissen Kreisen bereits herumgesprochen hat.»

Wichtig ist den Veranstaltern, eine gute Mischung aus Party sowie Sensibilisierungsarbeit zu bieten. Dies soll unter anderem mit einem Podiumsgespräch passieren, welches Hegglin gleich selber moderiert. «Uns liegt am Herzen, dass wir auf Grundlage persönlicher Geschichten und Erlebnisse zum Denken anregen und urmenschliche Bedürfnisse beim Namen nennen werden», sagt er und fügt an: «Es ist uns bewusst, dass jeder Anlass, der in diesem Rahmen stattfindet, politisch ist. Das liegt in der Natur der Prides. Sie sollen eine politische Aussagekraft haben. Den Leuten diese in Erinnerung zu rufen, ist wichtiger denn je, wie mir scheint. Sonst müssten die Menschen in Berlin, in New York, in Zürich und überall sonst nicht immer wieder auf die Strasse dafür.»

Queers und Nonqueers sollen gemeinsam feiern

Auch sei der Zeitpunkt der Zuger Pride – einen Monat vor der nationalen Volksabstimmung zur «Ehe für alle» – nicht zufällig gewählt. «Die Abstimmung ist nicht die Hauptmotivation, doch sicherlich ein wesentlicher Bestandteil des Anlasses. Herr und Frau Schweizer sollen verstehen, dass mit einem Abstimmungs-Ja niemandem etwas weggenommen wird. Wir möchten einfach als gleichberechtigte Menschen gelten, die aktuell gleiche Pflichten, nicht aber gleiche Rechte haben.»

«Die Zuger Pride soll kein Minoritäts-Selbsthilfe-Gruppenabend werden.»

Remo Hegglin

Auch wenn die Regenbogenflagge ganz gross über dem Event wehen wird, seien natürlich auch Menschen willkommen, die nicht der queeren Szene zugehören. «Erstrebenswert ist eine Durchmischung, so wie im richtigen Leben», sagt Hegglin und fügt lachend an: «Am Eingang müssen wir zwar die Covid-Zertifikate prüfen, doch nach der sexuellen Orientierung werden wir bestimmt nicht fragen.»

Er freue sich auf einen bunten Anlass, den es so in Zug noch nie gegeben hat. «Die Zuger Pride soll kein Minoritäts-Selbsthilfe-Gruppenabend werden, sondern ein Fest für alle, die sich über eine offene und vielfältige Gesellschaft freuen.»

Natürlich seien auch kritische Geister an der Zuger Pride willkommen.«Das ist okay, denn immerhin nehmen wir uns ja auch das Recht heraus, diesen Anlass durchzuführen und Diversität zu feiern. Es ist doch viel besser, eine gesittete und begründete Diskussion zu führen anstatt sich in der eigenen Bubble gegenseitig auf die Schultern zu klopfen und auf heile Welt zu machen.» Eines jedenfalls ist für Hegglin klar: «Es lohnt sich, jungen, queeren Menschen Mut zu machen, indem wir sichtbar sind und zeigen, dass wir ein unverzichtbarer und verantwortungsbewusster Teil unserer Gesellschaft sind.»

Eine Kindergeschichte für mehr Offenheit

Neben dem Abendprogramm, das sich an Erwachsene wendet, haben die Organisatorinnen der Zug Pride auch Programmpunkte für die ganze Familie eingebaut. Am Nachmittag etwa findet eine Lesung des Buches «Lou's bunte Nachbarschaft» für Kinder zwischen vier und acht Jahren statt. «Dabei lernen Kinder, dass die Welt bunt ist und es verschiedene Familienmodelle gibt. Wer mit Offenheit auf seine Umwelt zugeht, erlebt viele tolle Momente», erklärt Eila Bredehöft. Daneben findet ein themenbezogener Zeichenworkshop mit einer Kunstpädagogin statt. Währenddessen können Eltern dem Konzert der Singer-Songwriterin Sam Julie lauschen. Infostände von Queer Zug sowie der Bibliothek Zug – beide sind Partner der Veranstaltung – ergänzen das Angebot. Ebenso werde für Verpflegung gesorgt.

«Nach dem Podiumsgespräch am Abend findet eine Party statt, um 23 Uhr gibt es zudem eine Drag-Show. Was ich besonders toll finde: Die Dragqueens schminken sich zuvor öffentlich. Die Gäste können ihnen also während des gesamten Verwandlungsprozesses über die Schultern gucken», so die Galvanik-Geschäftsleiterin.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Kathrin Gut
    Kathrin Gut, 06.08.2021, 06:56 Uhr

    EHE FÜR ALLE, LESEBRIEF

    Die Ehe für alle sich liebenden, erwachsenen Menschen zu öffnen, ist ein wichtiger Schritt für die Gleichstellung aller homo- und bisexuellen Paare in der Schweiz. Die Ehe ist eine verbindliche Lebens- und Liebesgemeinschaft in guten wie in schlechten Zeiten. Sie ist älter als die Bibel. Die Schweiz ist eines der letzten Länder in Mitteleuropa, wo die Ehe nicht für alle offen ist. Durch ein «Ja» wird vielen Menschen geholfen, dies aus verschiedenen Gründen: Sie fördert die Akzeptanz in der Gesellschaft, die Suizidalität sinkt und Vorurteile nehmen ab, wie Studien in Dänemark, Schweden und der USA bestätigen.

    Sie bietet besseren rechtlichen Schutz für Familien und ihre Kinder. Kinder wachsen schon lange bei gleichgeschlechtlichen Paaren auf, werden geliebt, gefördert und unterstützt. Beziehungen zu beiden Geschlechtern finden nicht nur in der Elternschaft statt, sondern auch im Beziehungsnetz, etwa mit Onkeln oder Tanten. Die sexuelle Orientierung hat sicher keinen Einfluss auf die Qualität der Eltern und ist zweitrangig. Wichtig sind verlässliche und liebevolle Bezugspersonen.

    Ein Ja ebnet den Weg für eine wichtige Weiterentwicklung einer Institution, die sich der Realität und dem gesellschaftlichen Wandel anpasst.

    Auch bei einem Ja bleibt die Leihmutterschaft in der Schweiz für alle verboten. Heterosexuelle Paare sowie Frauenpaare erhalten den gleichen Zugang zur Samenspende in der Schweiz. Sie müssen nicht mehr ins Ausland reisen, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen.

    Durch die jetzige Form der eingetragenen Partnerschaft ist das Paar nur schon durch den Zivilstand automatisch geoutet. Dies kann in nicht so fortschrittlichen Ländern und auch in anderen Situationen zu Diskriminierungen führen. Die Gesellschaft spaltet sich in heterosexuelle und homosexuelle Paare. Ist es nötig, dass Menschen auf die sexuelle Orientierung reduziert werden? Nein. Grundsätzlich sind alle Formen der Natur «natürlich» und ein Teil der Schöpfung.

    Kathrin Gut, Einwohnerrätin SP, Kriens

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