In Emmenbrücke wird der Schweizer Verkehr gelenkt

Die Wächter des Verkehrs

An den Schaltern der Macht: Martin Buoite übermittelt die Staumeldung. (Bild: Sandro Portmann)

Auf der Autobahn passiert nichts, ohne dass es jemand in Emmenbrücke sieht. Hier überwacht die Verkehrsmittelzentrale des Bundes das Schweizer Strassennetz. Mit ein paar Klicks können die Manager den Verkehr drosseln oder stoppen. Die Technik könnte schon bald mehr möglich machen.

72 Kamerabilder leuchten auf, wenn Martin Buoite seinen Arbeitsplatz am Morgen einrichtet. Auf vier Flachbildschirmen überblickt er in der Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) in Emmenbrücke den Verkehr auf den Schweizer Autobahnen. Dabei hat er Zugriff auf 4’000 Kameras. «Bis jetzt das Übliche», sagt er um 7.20 Uhr. Er hat vor gut einer Stunde mit seiner Schicht begonnen. An den Knotenpunkten verdichtet sich der Verkehr und es kommt an mehreren Orten zum stockenden Kolonnenverkehr. Dieser macht sich beispielsweise im Bereich Rathausentunnel bemerkbar oder im Raum Zürich. «Es hat einfach zu viel Blech und zu wenig Strasse», so das Fazit von Buoite. Seine Aufgabe ist es nun, den Verkehr zu leiten und die nötigen Verkehrsmeldungen zu redigieren.

«Ahnungslose Autofahrer werden nervös»

Es brennt immer Licht im Büro der Verkehrsmanagementzentrale des Bundes. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche sitzen mindestens zwei Personen hier an den Computern. Die Autofahrer über den Zustand auf der Strasse zu informieren, ist eine der Aufgaben der Zentrale in Emmenbrücke. «Wenn im Radio von stockendem Verkehr auf meiner Strecke die Rede ist, kann ich mich als Autofahrer danach richten», sagt Jörg Dreier, Leiter der VMZ Schweiz. Das sei anders, wenn es unerwartet zu einem Stillstand auf der Strasse komme. «Wenn ich als Autofahrer nicht weiss, was los ist, werde ich nervös. Unser Ziel ist, die Autofahrer zeitgerecht und richtig zu informieren.»

Stau beim Rathausentunnel

Wie das funktioniert, zeigt sich nur wenige Minuten später. «Unfall auf der A3 bei Richterswil», sagt der Kollege Alessandro Zamunder am anderen Pult. Damit beginnt ein Prozess mit mehreren Schritten. Hektik kommt bei den Verkehrsmanagern aber keine auf. Sie melden den Unfall «Viasuisse», der Schweizer Verkehrsinformationszentrale und Schnittstelle zu den Radiostationen. Jeweils auf die halbe und volle Stunde bringen diese Verkehrsmeldungen. Buoite muss sich beeilen, als sich um 8.35 Uhr ein Stau nach dem Rathausentunnel bei Buchrain bildet. «Es kann etwa zehn Minuten dauern, bis die Meldung bestätigt ist und die Radiostationen erreicht hat.» Die Meldung wird also um 9 Uhr die Autofahrer erreichen. Doch bis dann ist der Verkehr meist wieder abgeflacht. «Am schlimmsten ist der Verkehr von 6 bis 9 Uhr und von 16.30 bis 19 Uhr am Feierabend», sagt Buoite. Am Freitag verschiebe sich die Verkehrsbelastung während des Abendverkehrs um jeweils etwa eine Stunde nach vorne.

«Rot bedeutet Stillstand»

Die Aufgaben gehen aber weit über das Informieren hinaus. Von hier aus wird der Verkehr gesteuert. Dazu braucht es viele Informationen über den Verkehr. Diese kommen neben der Webcam-Überwachung hauptsächlich von den sogenannten Verkehrszählern. Diese Technik ist im Autobahnboden eingebaut und übermittelt Daten an die Zentrale. Auf einer interaktiven Schweizer Karte wird so ersichtlich, ob es sich um Autos oder Lastwagen handelt und mit welcher Geschwindigkeit diese die Strecke passieren. Rote, gelbe und grüne Punkte symbolisieren die Schlaufen auf der Karte. «Gelb ist ein Zeichen, dass der Verkehrsfluss gestört ist», erklärt Buoite. «Rot bedeutet Stillstand.»

Eingriff in den Verkehr

Ab Gelb und spätestens bei Rot müssen die Verkehrsmanager reagieren. «Die Arbeit braucht Überblick und Verständnis für den Verkehr», so Buoite. Nachdem die Meldung weitergeleitet ist, greift er aktiv in den Verkehr ein. Dazu hat er Zugriff auf diverse Signalisationen entlang verschiedener Autobahnabschnitte. Den aktuellen Stau kündet er beispielsweise mit einem Hinweistext bei der vorgängigen Verzweigung an. Es scheint, als kenne er den Verkehr und sein Verlauf wie seine Westentasche. Im Computer klickt er sich schnell durch Ortschaften und aktiviert den Hinweis. Anschliessend drosselt er die Verkehrsgeschwindigkeit für die Strecke. «Geschwindigkeitsharmonisierung», nennt er den Prozess.

Im Zeichen der Technik

Seit letztem Mai hat die Leitzentrale ein neues System. Es heisst INA und führt die verschiedenen kantonalen Überwachungs-Tools und Kommunikationsplattformen zusammen. Die Kantone arbeiten heute mit unterschiedlichen Systemen. «Leider können die Systeme nicht alle untereinander kommunizieren. Das macht es manchmal ein wenig kompliziert», sagt Buoite. Noch ist der Prozess nicht abgeschlossen, ergänzt Dreier. «Das dürfte noch ein paar Jahre dauern.» Das führt in der Praxis heute zu komplizierten Abläufen.

Die VMZ ist für die ganze Schweiz zuständig und integriert laufend die übergeordneten Massnahmen in seiner Zentrale. Die Kantone Genf und Zürich haben hier einen Sonderstatus und erledigen die Massnahmen im Auftrag der VMZ vor Ort selber. «Dies, weil die örtliche Vernetzung mit dem übrigen Verkehr lokal besser und effizienter erledigt werden kann», wie Dreier erklärt. Die Vorgaben erhalten sie aber auch von der VMZ.

Kampagne gegen Stau geplant

Modernere Technik schwebt Dreier für die Zukunft vor. Er wünscht sich ein System, wie es in Holland bereits in Betrieb ist. «Dem Autofahrer werden neben dem Stauhinweis auch Alternativrouten vorgeschlagen, inklusive Reisezeitverlust.» Dies sei in den Strategien und Konzepten vorgesehen und soll auch schrittweise umgesetzt werden.

Die Bundesstelle prüft derzeit, eine Kampagne zu lancieren. Die Idee dahinter sei, Autofahrer auf einen Fahrstil hinzuweisen, der dem Verkehrsfluss dient. «Oft hat Stau nicht mit Kapazitätsgrenzen der Strasse zu tun, sondern unter anderem mit falschem Fahrverhalten», so Dreier. Mit ein bisschen mehr Rücksicht und Anstand könnten Staus teilweise verhindert und verkürzt werden. Konkret sei die Kampagne allerdings noch nicht.

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