Zuger Stadtparlament kehrt frühere Entscheide um

Die unendliche Geschichte ums leere «Turmzimmer»

Besucher aus Zuger Politik und Verwaltung besichtigten im Juli den Raum im 24. Stock des Hochhauses Parktower.

(Bild: PHCB)

Der Grosse Gemeinderat Zug (GGR) schickt den Stadtrat auf Feld 1 zurück. Er überweist nach langer Debatte eine Motion, die eine Rückgabe des öffentlichen Nutzungsrechts für den Raum im Parktower verlangt. Und eine neue Vorlage.

An der ersten Sitzung des GGR nach den Sommerferien ging es temperaturmässig und politisch heiss zu und her: Das dominierende Thema war der sogenannte «Gesellschaftsraum» im 24. Stock des Hochhauses Parktower beim Bahnhof Zug. Der Raum soll ein Zugeständnis an die Öffentlichkeit werden, die damals dem Bebauungsplan für das Hochhaus zustimmte.

An der Ratssitzung ging es einerseits um den vom Stadtrat beantragten Objektkredit für den Ausbau dieses Raums: Die Exekutive wollte eine Summe von 436’000 Franken investieren. Andererseits ging es um eine Motion von Eliane Birchmeier (FDP), Gregor Bruhin (SVP), Karen Umbach (FDP) und Hugo Halter (CVP). Die bürgerlichen Politiker verlangten, auf das Nutzungsrecht zu verzichten und einen Mehrnutzen für die Bevölkerung zu schaffen. Alles andere sei eine «teure, konfliktträchtige Zwängerei».

 Lange Geschichte zu Ende?

«Mit dem Kredit findet eine lange Geschichte vielleicht ein Ende», sagt Bauvorstand André Wicki (SVP). Der Stadtrat habe in den Verhandlungen viel für die Stadt herausgeholt und eine nachhaltige Lösung ausgehandelt. Statt für 30 wolle er einen Raum für 50 Personen. «Wenn wir es machen, dann richtig», sagte Wicki.

«Wir können uns nicht leisten, einen sechsstelligen Betrag aus dem 24. Stock des Parktowers zu werfen.»

Eliane Birchmeier (FDP)

Mit dieser Meinung blieb er aber allein. Von bürgerlicher Seite hagelte es Kritik am Ergebnis der Verhandlungen. Die Kosten für den Ausbau seien doppelt so hoch, meinte etwa SVP-Gemeinderat Bruno Zimmermann. Das Reglement sehe starke Einschränkungen vor, und der Raum könne nie ausgelastet und kostendeckend betrieben werden. Ins gleiche Horn blies Eliane Birchmeier (FDP). «Wir sind am Sparen und können es uns nicht leisten, einen sechsstelligen Betrag aus dem 24. Stock des Parktowers zu werfen», sagt Birchmeier. Viele Zuger sähen das auch so und verständen die Zwängerei nicht.

Das lässt das Herz jedes Zugers höher schlagen: Die grandiose Aussicht aus dem Gesellschaftsraum im Parktower.

Das lässt das Herz jedes Zugers höher schlagen: Die Aussicht aus dem Gesellschaftsraum im Parktower.

(Bild: PHCB)

Ratslinke und einzelne Bürgerliche für Raum

Anderer Meinung war die Ratslinke. Sie sprach sich für den Raum aus. Monika Mathers (CSP) verwies auf Sportprojekte, für welche die Stadt ebenfalls Geld ausgebe. Urs Bertschi (SP) unterstellte den Kritikern, die Interessen der Firma Peikert zu vertreten, welche kein Interesse an diesem Nutzungsrecht habe. «Sie kaschieren das mit dem Spar-Argument.» Bertschi: «Die Investoren warten nur darauf, dass die Stadt aus kurzfristigem Opportunitätsdenken diese Perle aus der Hand gibt.» Dieses Recht gehöre aber der Zuger Öffentlichkeit, so Bertschi. Der SP-Fraktionschef äusserte jedoch ebenfalls Kritik am Verhandlungsergebnis und forderte den Stadtrat auf, die gemachten Fehler zu korrigieren.

Den Investoren sei es gelungen, dem verbriefen städtischen Vorhaben mit «zu Unrecht erhobenen Nutzungshürden» das Leben schwer zu machen. Der Stadtrat sei eingeknickt und habe das Nutzungsrecht «in vorauseilendem Gehorsam» von einem Schiedsgericht klären lassen. Der Stadtrat habe zwar gesiegt in diesem Verfahren. Durch die Wahl der «AAA-Ausbau-Variante» sei die Stadtregierung aber jetzt eine leichte Beute für die «gierigen Schnäbel der Falken» im Rat geworden. Bertschi kritisierte zudem die Berichterstattung der Neuen Zuger Zeitung sowie die «kommunikativ ungeschickte» städtische Immobilien-Abteilung.

«Die Investoren warten nur darauf, dass die Stadt aus kurzfristigem Opportunitätsdenken diese Perle aus der Hand gibt.»

SP-Fraktionschef Urs Bertschi

Bertschi stellte deshalb den Antrag, die Kreditvorlage an den Stadtrat zurückzuweisen. Dieser wurde ganz knapp mit 18 Stimmen aus SP und SVP gegen 17 Nein-Stimmen der anderen Parteien überwiesen. Der Stadtrat muss also nochmals über die Bücher.

«Zug kann sich das locker leisten»

In der Debatte über die Motion, welche eine Rückgabe des Nutzungsrechts verlangt, waren die Meinungen sehr geteilt und teilweise jenseits des Links-Rechts-Schemas. So waren Philip C. Brunner (SVP) und Willi Vollenweider (parteilos, ehemals SVP) gegen die Motion und die Rückgabe dieses Rechts.

Brunner befand, die Stadt Zug sei immer noch reich. «Wir könnten uns sogar einen Raum für zwei Millionen Franken leisten.» Man müsse ihm nicht erzählen, die Stadt habe finanzielle Probleme. «Da wird von gewissen Krisen eine Situation herbei geredet, die einfach nicht stimmt.» Unterschiedliche Meinungen gebe es nur über die Verteilung des Geldes.

Willi Vollenweider sprach von «Windfahnenpolitikern», die früher Ja gesagt hätten zum Nutzungsrecht und nun das Gegenteil verlangten. Die Motionäre wollten den Zugern etwas wegnehmen, worauf sie ein Recht hätten. Das «Turmzimmer», wie er es nannte, sei eine Bereichung für die Stadt. Zug könne sich das locker leisten. «Das öffentliche Turmzimmer hat auch Symbolcharakter. Es zeigt, dass es in der Stadt ein Nebeneinander von Kapital und Bevölkerung geben kann», so Vollenweider.

Urs Bertschi: «Ex-Bundesrat wohnt im Parktower»

Damit waren Vollenweider und Brunner für einmal einig mit der Ratslinken. Barbara Müller von der ALG-CSP-Fraktion meinte, Freiburg, der Flughafen Zürich oder Paris hätten Aussichtspunkte, von denen aus man die Stadt sehen könne. «Nur in der Stadt Zug scheint man das der Bevölkerung nicht zu gönnen.» Sie sei gegen die Motion. Urs Bertschi (SP) bat ebenfalls darum, die Motion nicht zu überweisen. Darin werde bewusst mit irreführenden Behauptungen operiert. So werde von einer Benützungsgebühr von 500 Franken gesprochen, obwohl dies noch gar nicht feststehe.

«Ich frage mich, ob vielleicht einige bürgerliche Politiker von einem Ex-Bundesrat beeinflusst werden, der bekanntlich im Parktower lebt.»

Urs Bertschi, SP-Gemeinderat

Und andere Räume der Stadt müssten ebenfalls nicht kostendeckend betrieben werden, wie man es beim Parktower-Raum verlange. «Ich frage mich, ob vielleicht einige bürgerliche Politiker von einem Ex-Bundesrat beeinflusst werden, der bekanntlich im Parktower lebt», so Bertschi. Unschwer zu erraten, dass er vom ehemaligen FDP-Politiker Kaspar Villiger sprach.

Auch wenn ihre Voten weniger lang waren, waren bürgerliche Politiker aus FDP, CVP, GLP und Teilen der SVP dennoch für die Überweisung der Motion. «Die Rahmenbedingungen haben sich geändert», sagte etwa FDP-Gemeinderätin Eliane Birchmeier, «wir haben es in der Hand, das Luxusprojekt zu stoppen.»

Für ihren Ratskollegen Werner Hauser ist das ausgehandelte Betriebsreglement schlicht keine öffentliche Nutzung. Er kritisierte die Liftregelung. «Ausserdem muss jeder Zuger, der da hinauf will, etwas berappen», so Hauser. Stefan Moos (FDP) fragte rhetorisch, ob er «für ein Ende mit Schrecken stimmen – oder aber einem einmaligen Gesellschaftsraum eine Chance geben» solle.  Er war dann für Ersteres. Auch SVP-Fraktionschef Jürg Messmer trat für die Überweisung der Motion und den Abbruch der ganzen Übung ein.

«Wir werden sicher nicht den gleichen Betrag wie 2012 erwirken können.»

Karl Kobelt, Finanzvorsteher Stadt Zug (FDP)

Karl Kobelt dämpft Erwartungen

Der Zuger Finanzvorsteher Karl Kobelt (FDP) war gegen die Motion. Er wies den Rat darauf hin, dass der finanzielle Gewinn bei der Veräusserung nicht sehr hoch ausfallen könne. «Ich muss da gewissen Erwartungen entgegentreten. Wir werden sicher nicht den gleichen Betrag wie 2012 erwirken können.» Damals lag ein Angebot von 1,6 Millionen Franken vor.

Stadtpräsident spricht von juristischem Hickhack

Zum Schluss äusserte sich noch Stadtpräsident Dolfi Müller (SP). Er warnte, dass die Diskussionen um den Raum im Parktower grosse Chancen hätten, in einem juristischen Verfahren zu enden. Die öffentliche Nutzung sei im Bebauungsplan festgelegt. «Die Gretchenfrage ist, ob man ein solche raumplanerische Verpflichtung überhaupt finanziell abgelten kann.» Das werde wohl die Juristen beschäftigen.

«Die Gretchenfrage ist, ob man ein solche raumplanerische Verpflichtung überhaupt finanziell abgelten kann.»

Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller

Dem Antrag auf Nichtüberweisung der Motion stimmten schliesslich 18 Ratsmitglieder zu. 38 Gemeinderäte und -rätinnen waren anwesend. Bei keiner Enthaltung bedeutete das, dass die Mehrheit den bürgerlichen Vorstoss an den Stadtrat überwiesen hat.

Sache kommt wieder in den Rat

In zirka einem Jahr wird der Stadtrat mit einer neuen Vorlage erneut ans Parlament gelangen. Der Raum wird also sicher nicht im Mai 2017 eröffnet werden können, wie es in der jetzigen Vorlage heisst. Es ist offener denn je, ob der leer stehende Raum je Leben eingehaucht bekommt.

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