Er baut sich keinen Hofstaat von Günstlingen auf

Die Unabhängigkeit von FCL-Sportchef Remo Meyer

Distanziert und unabhängig: So verhält sich FCL-Sportchef Remo Meyer gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Die imposante Auferstehung des FC Luzern im 2020 ist nicht zuletzt das Verdienst von FCL-Sportchef Remo Meyer. Der 39-Jährige hat einen zwingend notwendigen Trainerwechsel durchgezogen und dafür mediale Kritik geerntet. Zeit, sich seinem Wesen und Wirken anzunähern.

Wer Sportchef in einem professionellen Fussball-Unternehmen ist, hat eine Machtposition inne. Er hat ein Budget, er kauft und verkauft Spieler und beeinflusst dadurch deren Karriere und Bankkonti.

In der Traumfabrik Fussball steht der Sportchef im Zentrum verschiedener Anspruchsgruppen: Die Berater suchen eine joviale Nähe zu ihm, weil sie zumeist schon 12-jährige Talente zu den bestmöglichen Konditionen in ihrem Portefeuille anpreisen. Die Journalisten erhoffen sich durch ein ähnliches Vorgehen Vorteile bei der Informationsbeschaffung.

In diesem Tummelfeld von oft neurotisch veranlagten Opportunisten ist die Verlockung für einen Sportchef ziemlich gross, sich einen Hofstaat von Günstlingen aufzubauen, in welchem Klüngelei und Kumpanei das Tagesgeschäft bestimmen. Die eigene Machtposition zu bewahren wird so wichtiger als das Beste für den Arbeitgeber herauszuholen (zentralplus berichtete).

Gute Deals, ohne jemanden zu bevorzugen

Dem Verdacht, so zu funktionieren, hat sich Remo Meyer, seit gut zweieinhalb Jahren Sportchef der Luzerner, noch nie ausgesetzt. Er vermittelt den Eindruck, auf eine unabhängige Art und Weise über allem und allen zu stehen.

Meyer bevorzugt keinen Berater auf pekuniärer Ebene – und trotzdem kann er gute Deals abschliessen. Die Verpflichtungen von Marius Müller, Ibrahima Ndiaye und Francesco Margiotta – um nur ein paar aufzuzählen – haben das Potenzial, dem FCL weiteres Geld in die Kasse zu spülen. Nach einem Jonas Omlin oder Ruben Vargas.

Damit wandelt Meyer auf den Spuren von Christoph Spycher, der die Young Boys zur Nummer 1 im Schweizer Fussball aufgebaut hat. Die beiden ehemaligen Profis waren 1999/2000 Teamkollegen im FCL und später in der Nationalmannschaft. Sie verbindet heute noch ein kollegiales Verhältnis.

«Man muss den Überblick haben, aber auch Prioritäten setzen und sich die Freiheit und Unabhängigkeit bewahren, um die besten Entscheide zum Wohl des Klubs treffen zu können.»

Christoph Spycher, Sportchef von Titelverteidiger YB

Auf Anfrage von zentralplus erläutert Spycher seine offensichtlich erfolgreiche Berufsauffassung: «Als Sportchef befindet man sich immer in einem Spannungsfeld verschiedener Anspruchsgruppen. Man muss den Überblick haben, aber auch Prioritäten setzen und sich die Freiheit und Unabhängigkeit bewahren, um die besten Entscheide zum Wohl des Klubs treffen zu können.»

Klare Vorstellung von Fussball

Meyer hat eine klare und offensichtlich unerschütterliche Vorstellung davon, was strukturierter, mutiger und lauffreudiger Offensivfussball ist. Vor diesen Hintergrund passen seine bisherigen Trainerverpflichtungen: Gerardo Seoane, René Weiler und Fabio Celestini.

Der einzige Durchhänger zwischen Weiler und Celestini war Thomas Häberli, den er nach der Vorrunde dieser Meisterschaft ersetzte. Dennoch war es eine mutige Verpflichtung, weil Häberli wie der in der darauffolgenden Saison bei YB zum Meistertrainer aufgestiegene Seoane erstmals einen Job als Cheftrainer antrat.

Meyer steht für Kontinuität und Sicherheit

Meyers Wirken als Sportchef zeigt sich auch in seinen Spieler-Transfers: Der Luzerner engagiert im Rahmen seines Budgets zumeist recht interessante Spieler. Spieler, die einen konstruktiven Beitrag zu gepflegtem Fussball leisten können. Diesem Anspruch ist er kaum je untreu geworden.

Darüber hinaus musste Meyer noch in keiner sportlichen Endabrechnung die Hosen herunterlassen. 2017/18 resultierte Rang 3, letzte Saison Rang 5. Und nach vier Spielen und vier Siegen in diesem Jahr hat sich der FCL aus dem Kampf gegen den Abstieg in die Challenge League vorzeitig verabschiedet. Ergo steht Meyers Arbeit bis dato für Kontinuität und sportliche Sicherheit.

«Die fussballerische Intelligenz und Feinfühligkeit hilft Remo Meyer dabei, einen super Job für den FCL zu machen.»

Ex-FCL-Goalie Stephan Lehmann über seinen früheren Teamkollegen

Es ist Meyer nicht hoch genug anzurechnen, dass es ihm für das Erreichen dieses Ziels nie in den Sinn käme, everybody's darling sein zu wollen. Meyer verbiegt sich nicht. Er ist gradlinig und authentisch.

Sein früherer Wegbegleiter und FCL-Goalie Stephan Lehmann sagt über Meyer: «Er ist ein grossartiger Mensch und offen mit allen, zu denen er Vertrauen gefasst hat. Die fussballerische Intelligenz und Feinfühligkeit hilft ihm dabei, einen super Job beim FCL zu machen.»

Die fussballerisch kompetente Konstante

Doch das sehen längst nicht alle so. Meyer polarisiert in der öffentlichen Wahrnehmung. Seine medialen Auftritte werden ihm oft als Arroganz ausgelegt. Dabei sind sie bloss Teil seiner Unabhängigkeit und Bedachtheit.

Aber mit seiner Einstellung, die ausschliesslich auf das sportliche und finanzielle Wohl des FC Luzern ausgerichtet ist, können seine verbissenen Kritiker nicht umgehen. Weil sie dabei aussen vor sind.

Und nicht zuletzt: Meyer ist aus Luzerner Sicht die wohl einzig fussballerisch kompetente Konstante im Verein in stürmischen Zeiten, in denen sich Aktionäre auf höchster Führungsebene unversöhnlich gegenüberstehen und aus egoistischen Motiven aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten sind.

Er hingegen scheut seine Verantwortung nicht. Und das Projekt mit ihm und Trainer Fabio Celestini ist erfolgreich angelaufen und verspricht einiges für die sportliche Zukunft des FC Luzern.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Sonia
    Sonia, 22.02.2020, 12:02 Uhr

    Super Artikel und endlich mal positive Zeilen über RM, der einen schwierigen Job so souverän macht und es nie Recht machen kann. Danke!

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