Rezension «Café Hanoi» von Fernando Boner

Die Suche nach dem eigenen Glück – und dem roten Faden

Das Cover-Design erinnert eher an ein Kinder- oder Jugendbuch – was nicht ganz dem Inhalt entspricht. (Bild: cbu)

Amy ist um die zwanzig, lebt und arbeitet in einem Kaff im Bündnerland und ist in ihrem Trott gefangen. Als die lebenslustige Yasmin sie auf einen Roadtrip nach Vietnam mitnimmt, entdeckt sie nicht nur ihre Liebe zur Gastronomie, sondern auch ihre Lust aufs Leben selbst. «Café Hanoi» des Luzerner Autors Fernando Boner ist ein Buch, das aufgrund seiner «stream of conciousness»-Schreibweise eher neugierige Naturen als Traditionalisten ansprechen dürfte.

Über fünf Jahre hat Fernando Boner an seinem Erstlingswerk gearbeitet, geschrieben hat er es zu grossen Teilen in seiner Luzerner Altstadtwohnung. Erschienen ist das Buch im März 2021 im österreichischen Verlag am Rande. Die Lektüre zeigt: Boner hat Potenzial, ganz ausreizen tut er es jedoch noch nicht – das wäre bei einem Debütroman auch etwas viel verlangt.

Doch erst einmal von vorne. Worum geht's in «Café Hanoi»? Wir begegnen der jungen Protagonistin Amy in Salenz, einem kleinen Ort im Kanton Graubünden. Hier lebt sie in ihrem Trott, arbeitet an der Rezeption eines Hotels. Die Enge des Orts und die Engstirnigkeit der Leute um sie herum behagen ihr zwar zunehmend weniger, aber den Mut, aus ihrem Hamsterrad auszubrechen, findet die Mittzwanzigerin trotzdem nicht.

Zumindest nicht, bis ihre Freundin Yasmin sie zu einem spontanen Trip nach Hanoi überredet. Nach einem ersten Kulturschock fängt Amy langsam an, sich an dieses Umfeld zu gewöhnen und Gefallen an der Exotik zu finden. Mit allen Vor- und Nachteilen. Sie lernt Land und Leute kennen und entdeckt auch ihre Freude an der Kulinarik, die sie in ein florierendes Geschäft umwandeln kann.

Zwei Hälften, mehrere Perspektiven

Während im ersten Teil des Romans vor allem die Protagonistin Amy in der Ich-Perspektive zu Wort kommt, übernehmen ab der zweiten Hälfte mehrheitlich ihre beste Freundin Yasmin und einzelne Weggefährten. Amy und ihre Geschichte bleiben auch hier Hauptdreh- und Angelpunkt, werden aber aus einer anderen, erfrischenden Perspektive beleuchtet. Schade ist nur, dass sich die Sprache der einzelnen Erzählstimmen insgesamt zu ähnlich ist.

Zum Autor

Fernando Boner ist das Pseudonym von Bruno Bachmann, der mit dem vorliegenden Buch sein Erstlingswerk schrieb. Der Autor lebt in Luzern und am Zürichsee. Nach einer Lehre als Elektroinstallateur arbeitete er zunächst auf dem Bau, bevor er das Abitur absolvierte und Kulturwissenschaften studierte. Später war er im Kulturjournalismus tätig und schrieb für verschiedene Zeitungen und Magazine in Deutschland und der Schweiz.

Trotzdem gelingt es Boner gut, in das Seelenleben einer Mittzwanzigerin einzutauchen. Auch ihre Gedanken, Sorgen und Gefühle sind greifbar. Gleiches gilt für ihre beste Freundin Yasmin, der umtriebige Hurlibus, der langsam von ihrer einst verstockten Freundin charakterlich und beruflich überholt wird und deswegen mit einer wachsenden Eifersucht zu kämpfen hat.

Sprachlich noch Luft nach oben

Sprachlich gelingen dem Autor schöne Stimmungen und Sätze. Sowohl Salenz als auch Hanoi kommen als greifbare Orte mit einer eigenen Atmosphäre rüber. Hingegen wirken manche Dialoge nicht ganz lebensecht und gemessen am Alter der Protagonisten auch etwas altklug.

Das Buch einem klassischen Genre – oder Zielpublikum – zuzuordnen, fällt schwer. Die optische Aufmachung erinnert eher an ein Kinder- oder Jugendbuch, das Alter der Protagonistin deutet auf eine Coming-of-age-Geschichte hin, die angesprochenen Themen rund um Selbstfindung, Karriere und Familiengeschichte sind hingegen eher Stoff für ein gesetzteres Publikum.

Leserinnen, die hier eine klassische Romanhandlung erwarten, werden wohl enttäuscht. Denn Fernando Boner verzichtet in seinem Erstling auf einen durchgehenden roten Faden. Stattdessen beschreibt er Skizzen, Eindrücke und Begegnungen. Wie im Leben selbst gibt es welche, die einen grösseren Einfluss auf das Geschehen haben und solche, die im Nichts verlaufen. Dadurch entsteht beim Lesen eher der Eindruck eines Szenen-Pastiches, aber das scheint vom Autor durchaus beabsichtigt zu sein. Denn auch auf eine abschliessende Auflösung verzichtet Boner und entlässt sowohl seine Protagonistin als auch den Leser mit einer Aufbruchsstimmung ins Ungewisse.

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