Alex Messerli fürchtet um Luzerner Bildung

«Die Sparpolitik stösst vielen Lehrern sauer auf»

«Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Regierung dazu bereit ist, Kosten auf Eltern oder Lehrer abzuwälzen», sagt Alex Messerli, der Präsident des Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverbands (LLV).

(Bild: ida)

Im September stimmt das Luzerner Stimmvolk über die Bildungsinitiative ab. Der neue Präsident des Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverbands Alex Messerli wehrt sich gegen die kantonalen Sparmassnahmen. Ein gutes Ausbildungssystem müsse gesetzlich verankert werden – entgegen den Annahmen der Luzerner Regierung.

«Die Sparpolitik stösst vielen Lehrern sauer auf», sagt Alex Messerli. «Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Regierung dazu bereit ist, Kosten auf Eltern oder Lehrer abzuwälzen.» Beispielsweise wurden die Arbeitszeiten verlängert, das Salär von Lehrern blieb dasselbe.

Alex Messerli (33) trat sein Amt als Präsident für den Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverband per 1. August an (zentralplus berichtete). Er ist das Sprachrohr von rund 5’000 Lehrern. Bei der Bildungsinitiative tritt er an vorderster Front auf.

Alle Vorschläge der Initiative seien aufgrund des Leistungsabbaus mit der Sparpolitik entstanden. Die Qualität der Bildung sei zwar in erster Linie von den Lehrern abhängig – die Politik sei für die entsprechenden Rahmenbedingungen verantwortlich.

2015 schlossen sich die Bildungsverbände, Gewerkschaften, SP, Grüne und soziale Organisationen zur «Luzerner Allianz für Lebensqualität» zusammen und lancierten drei Initiativen (zentralplus berichtete). Die sogenannte Gesundheitsinitiative scheiterte deutlich. Über die Initiative «Für eine hohe Bildungsqualität im Kanton Luzern» und die öV-Initiative stimmt nun das Luzerner Stimmvolk am 23. September ab.

Abbau an Luzerner Bildungsstätten

Konkret fordert die Initiative, dass genügend Fachkräfte über die anerkannten Diplome verfügen. Die Grundgebühr für den Besuch an der Sekundarstufe II soll aufgehoben werden. Neben dem freien Zugang zur Bildung soll ein breites Ausbildungsangebot bestehen.

Alex Messerli unterrichtet selbst als Primarlehrer in der Stadt Luzern. Und er merke, dass in den Lehrerzimmern nicht immer heile Welt sei. «Die Unzufriedenheit der Lehrer spürt man sehr stark, wenn die Gesprächsthemen auf politische Themen gelenkt werden.» Auch habe er schon Telefonanrufe oder Briefe von besorgten Eltern erhalten, die befürchteten, dass sich die Sparpolitik auf die Motivation der Lehrer sowie die Qualität des Unterrichts auswirken könne.

In den vergangenen Jahren wurden aufgrund finanzieller Überlegungen zahlreiche Bildungsstätten infrage gestellt, so die Kanti Musegg (zentralplus berichtete) und das Gymnasium St. Klemens (zentralplus berichtete). 2016 sprach der Kanton Zwangsferien an sämtlichen Luzerner Berufs-, Mittel- und Kantonsschulen aus. Aus Spargründen musste die Schule für eine Woche geschlossen werden (zentralplus berichtete).

Lehrplan 21 mit Folgen

Für Alex Messerli ist es unverständlich, wie sich Regierung und Parlament entscheiden konnten, ein Grossprojekt wie den Lehrplan 21 kostenneutral – das heisst, ohne zusätzliches Geld – einzuführen. Darin enthalten ist der Entscheid, die Anzahl Schullektionen in der Primarschule aufzustocken. Diese werden auf der Sekundarstufe eingespart – damit sie nicht mehr bezahlt werden müssen.

Somit sei das Bildungsangebot an der Sekundarschule verkleinert worden, bemängelt Messerli. Und die Konsequenzen würden die Schüler tragen.

Die Regierung sehe keinen Handlungsbedarf: «Was sie nicht sagt, ist, dass mit dem Heraufsetzen der Mindestgrösse der Klassen schon gespart wurde», sagt Messerli. Die Initiative will verhindern, dass mehr Schüler aus reinen Sparmassnahmen in eine Klasse eingeteilt werden. Grössere Schulklassen würden die Qualität des Unterrichts gefährden, da ein Lehrer nicht mehr gleich auf die Anliegen seiner Schüler eingehen könne.

Grundgebühr soll aufgehoben werden

Urban Sager, Präsident Verband des Personals der öffentlichen Dienste, kritisiert, dass die meisten Kantone kein Schuldgeld eingeführt haben. Die Bundesverfassung garantiert, dass die Bildung schweizweit bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit kostenlos zugänglich ist. Für eine Ausbildung an einem Gymnasium, einer Fachmittelschule oder einer Berufsmittelschule müssen die Eltern jedoch pro Kind und Jahr eine Grundgebühr von 465 Franken bezahlen.

«Die Vergangenheit lehrt uns, dass die Bildung schnell zum Spielball fehlender Finanzen wird.»

Alex Messerli, Präsident Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverband

Bei einer weiterführenden Schule kommen weitere Kosten dazu, für ein Freifach ein Betrag von 100 Franken, für Kopien, Sonderwochen und Bücher Kosten von über 1’200 Franken. Für Eltern mit einem geringen Einkommen komme so eine erhebliche finanzielle Belastung auf. «Damit sind Chancengleichheit und ein freier Zugang zur Bildung nach der obligatorischen Schulzeit leider nicht mehr gewährleistet», sagt Urban Sager. Mit einem Verzicht auf die Grundgebühr wolle man die Hürde für den Besuch einer weiterführenden Schule senken.

Regierung sieht keinen Handlungsbedarf

Der Luzerner Kantonsrat lehnte die Bildungsinitiative deutlich ab (zentralplus berichtete), ebenso der Luzerner Regierungsrat (zentralplus berichtete). Grund: In Luzern herrsche ein gutes Bildungssystem, dieses gesetzlich zu verankern, führe nur zu Mehrkosten (zentralplus berichtete). Für Messerli kam dies keineswegs überraschend.

Er kontert: «Für mich ist das eben gerade nicht ein Grund, auf die Bildungsinitiative zu verzichten.» Und weiter: «Wenn wir momentan auf ein gutes Bildungssystem zählen können, gilt es, dieses gesetzlich zu verankern, sodass es auch in Zukunft garantiert ist. Die Vergangenheit lehrt uns, dass die Bildung schnell zum Spielball fehlender Finanzen wird.»

Unbegründete Ängste?

Die Initianten befürchten, dass man in absehbarer Zeit zu wenig Lehrpersonen in Luzern habe, Stellen nur schwer besetzt werden. Dennoch zeigte sich, dass für das neue Schuljahr beinahe alle Stellen besetzt werden konnten. Statistiken von «watson» zeigen, dass Anfangslöhne von Luzerner Primarlehrern und Sekundarlehrern im Durchschnitt liegen. Ist die Angst unbegründet?

«Es soll nicht jedes Jahr ein Stellenbasar geben, sodass die Schulleitung gezwungen wird, die zu nehmen, die sich bewerben.»

Alex Messerli

«Nein», sagt Alex Messerli. Anfangslöhne in den verschiedenen Kantonen seien sich ähnlich, doch ein Lehrer könne nach sieben Jahren immer noch dasselbe Salär haben wie zu Beginn. Lehrer in anderen Kantonen würden schnell mehr verdienen, da der Arbeitgeber eine faire Lohnentwicklung unterstütze. «Die tatsächlichen Löhne durch ausgebliebene Stufenanstiege sind also weitaus tiefer, als sie sein sollten», schlussfolgert Messerli.

«Kein Stellenbasar»

Die Kernfrage sei zudem, ob alle der eingestellten Lehrer über eine entsprechende Ausbildung verfügen würden. Die Situation werde sich verschärfen, so Messerli: «Ich stütze mich hier auf die Prognosen der Regierung.»

2021 komme eine grosse Pensionierungswelle, rund 400 Lehrpersonen gehen in den Ruhestand. Man wolle verhindern, dass als Konsequenz Lehrer angestellt werden, die nicht über die anerkannten Lehrerdiplome der jeweiligen Stufe verfügen. «Es soll nicht jedes Jahr ein Stellenbasar geben, sodass die Schulleitung gezwungen wird, die zu nehmen, die sich bewerben. Die Schulleitungen sollten eine Auswahl von qualifizierten Lehrern haben.»

Regierungsrat Reto Wyss versprach vergangenen November, die Löhne der Lehrer zu verbessern. Neue Ausbildungsmöglichkeiten wurden ins Leben berufen. So beispielsweise die Informatikschule IMS der Wirtschaftsmittelschule und der Masterstudiengang in Medizin der Universität Luzern in Kooperation mit der Uni Zürich. Eine Wiedergutmachung?

«Das ist eine Herkulesaufgabe. Um das aufzuholen, was in den letzten fünf Jahren aufgeblieben ist, braucht es mehrere Anläufe», sagt Messerli. Das eine sei die materielle Seite. «Schwieriger wird es sein, den Vertrauensverlust und das Vertrauen in die Verlässlichkeit zurückzugewinnen.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von igarulo
    igarulo, 22.08.2018, 09:28 Uhr

    Als Lehrer habe ich laut Schweizer Lehrerinnenverein 45 Jahre lang 20% zu wenig verdient. Rechne! Gleichzeitig beuten die Unternehmer der Multis die Angestellten immer mehr aus, damit sie (die Unternehmer) ihre prallen Taschen noch mehr füllen können. Und der Staat unterstützt sie noch dabei. Die tonangebenden Politiker tun nichts fürs Volk! Die Einkommensschere geht immer weiter auseinander und die Lehrerinnen sind auf der Seite der Verlierer.

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