Neue Recherchen

Die Schweiz hörte in der Crypto-Affäre ebenfalls mit – bis zur Enthüllung

Die Schweiz war ebenfalls in die Crypto-Affäre verwickelt. (Bild: woz)

Am Mittwoch wurde bekannt, dass die Bundesanwaltschaft in der Crypto-Affäre ermitteln kann. Nun kommen immer mehr Details ans Licht.

Die Crypto-Affäre zieht weitere Kreise. So wurde am Mittwoch publik, dass der Bundesrat grünes Licht für ein Strafverfahren gibt (zentralplus berichtete). Ausserdem sollen mehrere Politiker, darunter auch zwei Zuger und der ehemalige Bundesrat Kaspar Villiger, von den Machenschaften gewusst haben (zentralplus berichtete).

Die SRF-Sendung «Rundschau», die den Fall in Zusammenarbeit mit dem ZDF und der «Washington Post» aufgedeckt hatte, hat nun weiter recherchiert. Die meisten Angestellten hätten nicht gewusst, dass sie eigentlich für die CIA arbeiteten. Sie hätten sich keine Gedanken darüber gemacht, auch die Kunden nicht.

«Die Schweiz hat sehr früh herausgefunden, was bei der Crypto AG abgeht.»

Informant aus dem Umfeld des Nachrichtendienstes

Ex-Mitarbeiter Jürg Spörndli hatte damals ebenfalls das Gefühl, dass alles mit rechten Dingen zugehen würde. «Das war sicher naiv.» Über die Rolle von Bern habe er kaum nachgedacht. «Klar hat man sich mal gefragt, ob die eine Ahnung haben. Aber eigentlich glaubten wir, dass wir ziemlich unbefangen sind.» Man glaubte, dass man unter dem Radar arbeite.

Gemäss der «Rundschau» war neben der CIA und dem deutschen Nachrichtendienst auch der Schweizer Geheimdienst involviert. Die Schweiz habe davon profitiert. Das hätten anonyme Quellen aus dem Nachrichtendienst bestätigt. «Die Schweiz hat sehr früh herausgefunden, was bei der Crypto AG abgeht. Dann gab es einen Deal: Man lässt die Operation gewähren, die Schweiz profitiert dafür von den Informationen.» So habe man es ab den 70ern/80ern gehandhabt. «Es war essenziell, dass man bei einer solchen Sache dabei ist.»

«Der Nachrichtendienst ist kein Streichelzoo.»

Anfang der 2000er habe die Schweiz schliesslich den Dechiffrierschlüssel erhalten. So habe man auf der ganzen Welt mithören können, berichten die anonymen Quellen. Und das bis zur Enthüllung. «Als Nachrichtendienstmann und wenn man patriotisch ist, muss ich sagen, es ist schlicht eine Katastrophe, dass der Fall aufgedeckt wurde. Wir konnten auf der ganzen Welt mithören, das gab der Schweiz einen Wettbewerbsvorteil», sagt die Quelle aus dem Nachrichtendienst gegenüber der «Rundschau».

Gerade für die Schweiz, die oft die Rolle als Vermittlerin bei Konflikten einnimmt, habe dies einen Vorteil gehabt: «Hast du die Informationen von beiden Seiten, kannst du sie ausspielen. Und dann hast du fast immer überall Erfolg.» Und: «Bei den Verhandlungen muss man Taktik anwenden, mit den Leuten reden.» Man müsse sich fragen, ob man den Vorteil lieber aufgeben wolle. «Der Nachrichtendienst ist kein Streichelzoo.»

Schadet der Fall dem Image der Schweiz?

Adrian Hänni, Geheimdienstexperte, kann das nachvollziehen, dass Bern mithörte. «Es wäre ja schade, wenn man als Gastgeber aussen vor gelassen würde.» Informationen abschöpfen und ausspielen: «Alltag», sagt Hänni. «Warum sollte die Schweiz das nicht ausnutzen?» Das beschädige die Rolle als neutrales Land und unabhängige Vermittlerin, findet hingegen Fabian Molina (SP/ZH). Dass nun das Image der Schweiz Schaden nimmt, glaubt Christa Markwalder (FDP/BE) aber nicht. «In der Welt der Nachrichtendienste ist die Information die wichtigste Währung.» So habe die Schweiz ihre Interessen vertreten können. Sie geniesse für ihr Engagement nach wie vor ein gutes Ansehen auf der ganzen Welt.

Für Mitarbeiter, die im Namen der Crypto AG im Ausland unterwegs waren und für die Geräte warben, hatte der Job teils verheerende Folgen: Hans Bühler wurde im Iran verhaftet. Man glaubte, er sei ein Spion. Ein weiterer Mitarbeiter wurde in Saudi-Arabien durch eine Bombe getötet. Laut der Rundschau gehen die Geheimdienste von Mord aus.

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