Historiker über 200 Jahre Berggasthaus Rigi Kulm

Die Rigi: zwischen Idylle und Massenabfertigung

1848 wurde das neue, aus Stein erbaute Kulm-Hotel mit 130 Betten eröffnet. Die Preise waren wie folgt: 2.– für das Zimmer, Bedienung: 1.–, Frühstück: 1.50, Mittag- und Abendessen je 3.–. (Bild: © Regionalmuseum Vitznau-Rigi)

Für den Historiker Heinz Horat ist klar, der Tourismus hierzulande begann auf der Rigi. Den Startschuss dazu lieferte allerdings nicht der heutige Tourismus-Hotspot Luzern, es brauchte einen Zürcher. Horat spricht über die Startphase der Rigi, was ihm heute nicht mehr passt und wie oft er schon oben war.

Am 6. August feiert die Rigi ein grosses Fest. Denn genau an diesem Tag vor 200 Jahren eröffnete auf dem Rigi-Gipfel das erste Kulm-Gasthaus der Schweiz. Eine Pioniertat und der Startschuss für den Bergtourismus in unserer Region. zentralplus hat mit dem ehemaligen Direktor des Historischen Museums Luzern, Heinz Horat, gesprochen. Der Kulturhistoriker wohnt in Weggis am Fusse der Rigi und kennt den Berg aus dem Effeff.

zentralplus: Herr Horat, die Faszination für die Rigi ist ungebrochen. Wie wurde dieser Berg so beliebt?

Heinz Horat: Die Entwicklung begann im 18. Jahrhundert. Die Rigi galt als Ideal, was das Naturverständnis dieser Zeit betraf, und faszinierte die ersten Touristen, darunter etwa den berühmten Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1775).

zentralplus: Weshalb war es gerade die Rigi, welche die Leute zu dieser Zeit anlockte?

Horat: Die Rigi ist ein idealer Aussichtsberg. Zudem ist sie viel einfacher begehbar als etwa der Pilatus oder der Titlis. Sie ragt quasi ins Mittelland hinaus und ist auch vom Raum Zürich her gut erreichbar. Dies alles führte dazu, dass 1816 hier das erste Berggasthaus der Zentralschweiz eröffnet wurde.

1816 fand die Eröffnung des ersten offiziellen Gasthauses auf Rigi Kulm statt (Bild: © Regionalmuseum Vitznau-Rigi)

1816 fand die Eröffnung des ersten offiziellen Gasthauses auf Rigi Kulm statt (Bild: © Regionalmuseum Vitznau-Rigi)

zentralplus: Welche Rolle spielte Luzern als Tourismusstadt zu dieser Zeit?

Horat: Eigentlich keine. Die ältesten Gasthäuser Luzerns wie der Adler oder der Hirschen befinden sich nicht am See, sondern am Hirschenplatz. Die Stadt war damals noch von der Stadtmauer umgeben und der See spielte nur für den Transport und die Fischer eine Rolle. Es ist ganz klar: Der Tourismus hierzulande begann auf der Rigi.

Es war sogar ein Zürcher, welcher der Rigi zum Durchbruch verhalf. Der Panorama-Zeichner Heinrich Keller brachte dem Berg mit seinen Bildern Bekanntheit. Und er war es auch, welcher Geld sammelte für das erste Gasthaus, das dann 1816 eröffnet wurde. Keller war sowieso ein Wegbereiter des heutigen Tourismus. Mit dem Goldenen Adler in Küssnacht schuf er auch das erste Seehotel und löste so den Tourismus-Boom rund um den Vierwaldstättersee aus.

«Der Qualitätstourismus nimmt ab, es zählt nur noch die Masse. Das ist keine gute Entwicklung.»

zentralplus: Zurück zur Rigi: Kann man sagen, ob die Leute mehr vom Berg oder vom Hotel angezogen wurden?

Horat: Das ist eine gute Frage. Ich denke, es besteht eine Wechselbeziehung. Es gibt den Weg zum Hotel und das Hotel selbst. Das haben die Einheimischen auch sehr schnell erkannt. Sie verlangten von der Luzerner Regierung nach der Fertigstellung des Hotels umgehend einen Ausbau des Weges von Weggis auf die Rigi, und bereits 1819 wurde dieser vollzogen. Die Infrastruktur eines solchen Berges ist enorm wichtig. Und auch hier war die Rigi Pionierin. 1871 wurde die erste Bergbahn Europas eingeweiht – die Zahnradbahn von Vitznau nach Rigi Staffelhöhe.

Die Infrastruktur an der Rigi spielt für den Tourismus eine entscheidende Rolle (Bild: Rigi Bahnen)

Die Infrastruktur an der Rigi spielt für den Tourismus eine entscheidende Rolle (Bild: Rigi Bahnen)

zentralplus: Kommen wir ins Jetzt. Warum hält die Faszination Rigi an?

Zur Person

Heinz Horat ist Kunsthistoriker und war 12 Jahre als Direktor am Historischen Museum Luzern tätig. Zuvor war er Denkmalpfleger des Kantons Zug. Heute lebt der 68-Jährige gemeinsam mit seiner Frau auf dem Rigiblick in Weggis.

Heinz Horat vermittelt Geschichte auch auf Wanderungen.
Heinz Horat vermittelt Geschichte auch auf Wanderungen. (Bild: Julia Müller)

Horat: Trotz grosser Konkurrenz bleibt die Rigi ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Die Rigi ist aus dem Raum Zürich oder dem Mittelland mit dem öffentlichen Verkehr gut erreichbar. Zudem sind die Bahnen sehr leistungsfähig.

zentralplus: Sie sprechen die Bahnen an. 2015 beförderten diese rund 800’000 Personen auf die Rigi. Wird die Rigi überrannt?

Horat: Diesbezüglich muss man tatsächlich aufpassen. Bisher herrschte ein erträgliches Gleichgewicht zwischen den Personen, die von den Bahnen befördert wurden, und den Plätzen in Hotels und Gasthäusern. Viele Personen rund um die Rigi haben davon auch wirtschaftlich in Form von Arbeitsplätzen profitiert. Mittlerweile verfolgt die Bahn aber immer mehr das Interesse, möglichst viele Leute auf die Rigi zu transportieren.

zentralplus: Was sind die Folgen davon?

Horat: Der Qualitätstourismus nimmt ab, es zählt nur noch die Masse. Das ist keine gute Entwicklung. Beispiele dafür sind etwa die hässliche WC-Anlage auf Rigi Kulm oder das Event-Zelt auf Rigi Staffel.

zentralplus: Schaut man in die sozialen Medien, so sind Kühe auf der Rigi ein beliebtes Fotosujet. Welche Bedeutung hat das Vieh?

Horat: In der Tat sind Kühe und Rinder omnipräsent. Die Rigi ist ein wichtiges Alpgebiet und man bewegt sich etwa von Rigi Kaltbad nach Rigi Scheidegg quer durch Weidegebiete. Dies ist für die Touristen natürlich attraktiv und zeigt, wie man die Natur auf der Rigi erleben kann. Auch zuoberst auf Rigi Kulm. Als Gegenbeispiel könnte man den Pilatus nennen. Dort wurde auf Pilatus Kulm quasi ein städtisch anmutender Platz errichtet und man spürt den Berg und den Fels kaum mehr.

Das Vieh spielte schon immer eine grosse Rolle auf der Rigi (Bild: © Regionalmuseum Vitznau-Rigi)

Das Vieh spielte schon immer eine grosse Rolle auf der Rigi (Bild: © Regionalmuseum Vitznau-Rigi)

zentralplus: Welche persönliche Beziehung haben Sie zur Rigi?

Horat: Ich wohne in Weggis und bin so oft es geht «dort oben». Es ist ein enorm spannender Berg. Früher war ich oft mit den Kindern dort unterwegs, heute mit meinen Grosskindern.

zentralplus: Waren Sie 1000 Mal auf dem Berg?

Horat: Puh, gezählt habe ich meine Rigi-Besteigungen nicht. Aber so 30 bis 40 Mal pro Jahr gehe ich schon. Die 500er-Marke habe ich sicher geknackt. Lacht.

 

Jubiläumswoche vom 1. bis 7. August

In der ersten Augustwoche wird das 200-Jahr-Jubiläum des ersten Kulm-Gasthauses landesweit gefeiert. Alle, die bisher noch nie auf der Rigi waren, bekommen in diesen Tagen die Gelegenheit, die Königin der Berge zu treffen, wie die RigiPlus AG mitteilt.

Das Programm beinhaltet Lichtinszenierungen, einen Familientag, kulinarische Höhepunkte und einen Rekordversuch mit 200 Schwyzerörgelis. zentralplus berichtete bereits über die Theaterpremiere «Hochzeitsreise mit Mark Twain». Am 6. August, dem offiziellen Jubiläumstag, wird zudem an einer Säumerwanderung das Rad der Zeit zurückgedreht.

Weitere Informationen, Termine, Preisinfos und Online-Tickets sind online verfügbar. Auf der Jubiläumswebseite sind ebenfalls alle Meilensteine der Geschichte im Überblick zusammengefasst.

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