Fatale Fahrt nach Moschee-Besuch in Luzern

«Die Polizistin lügt»

Vor drei Jahren wurde bei einer Verkehrskontrolle in Kriens eine Polizistin in Lebensgefahr gebracht.

(Bild: Google Maps/flickr/Marco Verch/Montage ida)

Der Fall machte Schlagzeilen: Ein 22-Jähriger fuhr in Luzern mit überhöhter Geschwindigkeit auf eine Polizistin zu, die ihn aufzuhalten versuchte. Weil er keine Lust auf eine Verkehrskontrolle gehabt haben soll, wurde dem Mann nun wegen Gefährdung des Lebens der Prozess gemacht.

Mittwochmorgen, kurz vor 08.15 Uhr: «Was ist das für ein …» Mit diesen Worten läuft der 22-jährige Beschuldigte, der sich diesen Mittwoch wegen Gefährdung des Lebens verantworten muss, ins Gebäude des Luzerner Kriminalgerichts.

Dass er keine Lust auf den Prozess hat, steht ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. «Es ist, wie es ist», sagt er und setzt sich lässig auf seinen Stuhl.

Nach Moschee-Besuch auf Polizistin zugefahren

Die Geschichte fängt eigentlich ganz gesittet an. Der damals 19-Jährige besuchte an einem Samstagabend mit seinen Freunden eine mehrstündige Zeremonie in einer Moschee. Kurz nach Mitternacht machte er sich mit seinen Kumpanen auf den Weg von Kriens nach Luzern. Er selbst setzte sich hinter das Steuer.

Zum selben Zeitpunkt führte die Luzerner Polizei beim Café Siesta an der Luzernerstrasse eine Verkehrskontrolle durch. Der Beschuldigte fuhr laut Anklage zu schnell, als er sich näherte.

Die Polizisten hörten das Aufheulen des Motors und rannten über die Fahrbahn zur Verkehrsinsel. Eine Polizistin stellte sich dem herannahenden Auto in die Quere. Per Handzeichen zeigte sie dem Autolenker, dass er anhalten solle. Dank oranger Leuchtweste und Leuchtkegel sei sie laut Anklageschrift gut erkennbar, die Strasse sei gut beleuchtet gewesen.

Der Autofahrer bremste jedoch nicht ab. Er fuhr, ohne die Geschwindigkeit zu drosseln, geradewegs auf die Polizistin zu. Gemäss Anklageschrift konnte sich die Polizistin mit einem letzten Schritt in Sicherheit bringen.

«Wenn ich den einen Schritt zurück nicht gemacht hätte, wäre ich heute nicht mehr da», soll die Polizistin in einer früheren Befragung gesagt haben. Und weiter: «Es ist ein Wunder, dass mich nicht noch der Seitenspiegel des Fahrzeugs erwischt hat.»

Beschuldigter fuhr unbeirrt weiter

Für den Beschuldigten ist dies eine dicke Lüge. Den schwarzen Peter schiebt er der Polizei zu. In seinen Augen habe die Polizistin, die er beinahe umgefahren haben soll, mit «Träumen begonnen» und eine «Krise geschoben».

Die Polizistin sei gar eine Schwindlerin: «Sie lügt. Es kann nicht sein, dass sie vom Auto weggesprungen ist», sagt der Angeklagte. «Weil das hätte ich ja wohl gesehen.» Immer wieder betont er aufs Neue, dass er niemanden gesehen habe. So auch seine Kollegen. Kurz danach gibt er vor dem Richtergremium jedoch zu, dass ein Kollege ihn damals darauf aufmerksam gemacht habe, dass er die Polizei gesehen habe.

Deswegen habe er angehalten, beziehungsweise abgebremst. «Ich habe in den Rückspiegel geblickt und niemanden gesehen.» Unbeirrt fuhr er deshalb weiter.

«Weshalb sollte ich mich aus dem Staub machen, wenn ich nichts zu verstecken hatte?»

Der Beschuldigte

Er habe keinen Grund gehabt, zu flüchten. Er habe keinen Alkohol getrunken und sei clean gewesen – was auch bewiesen wurde. «Weshalb sollte ich mich aus dem Staub machen, wenn ich nichts zu verstecken hatte?», versucht er sich zu erklären.

Spannungen zwischen Polizei und Beschuldigtem

Der Staatsanwalt glaubt dem Beschuldigten kein Wort. «Das sind reine Schutzbehauptungen.» Die Sichtverhältnisse seien gut gewesen, die Polizei aus einer Distanz von 140 Metern gut erkennbar. «Zudem hat ein Mitfahrer widerwillig eingeräumt, dass er eine Polizistin erkannt hat», so die Worte des Staatsanwalts vor Gericht. «Ich betone: Er sah sie so gut, dass er erkannte, dass es sich um eine Frau handelte.»

Der Beschuldigte habe laut dem Staatsanwalt die Polizistin und das ihm geltende Haltezeichen sehen müssen. Doch er habe es ignoriert. Und dies nur, weil er keine Lust auf die Kontrolle gehabt habe. «Er fuhr weiter. Vorsätzlich und skrupellos hat er das Leben der Polizistin in Gefahr gebracht.»

Der Staatsanwalt möchte nicht von einem Handlungsmuster sprechen, dennoch betont er, dass die Beziehungen zwischen der Polizei und dem Beschuldigten angespannt seien. Auch im Februar dieses Jahres gerieten sie sich in die Haare. Nachdem der Beschuldigte in die Wand des Sonnenberg-Tunnels gefahren war, flüchtete er. Die Polizei kam ihm auf die Schliche, der Beschuldigte wurde handgreiflich. Deswegen wurde er bereits bestraft.

Freiheitsstrafe von 15 Monaten gefordert

Als der Staatsanwalt erklärt, dass der Beschuldigte das Leben der Polizistin in Gefahr gebracht habe, kneift dieser für einen kurzen Moment seine Augen zusammen. Kommen da etwa Erinnerungen hoch, oder ist es gar ein Moment der Reue? Er öffnet die Augen, schaut den Staatsanwalt wieder gewohnt herausfordernd an. Provozierend nickt er, als dieser mit seinen Armen den minimen Abstand aufzeigt, mit dem der Beschuldigte an der Polizistin vorbeigerast sei. Er macht eine Handbewegung, fast so, als ob er vehement abwinken möchte.

«Er hat es schlichtweg darauf ankommen lassen, ob sich die Polizistin noch retten konnte oder nicht.»

Die Staatsanwaltschaft

«Er hat es schlichtweg darauf ankommen lassen, ob sich die Polizistin noch retten konnte oder nicht», fährt der Staatsanwalt fort. Er fordert deshalb eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon sechs Monate unbedingt zu vollziehen seien. Wiederum runzelt der 22-Jährige die Stirn. Er schüttelt den Kopf und lehnt sich zurück. Und hegt die Hoffnung, dass sein Verteidiger die Sache richten wird.

Polizisten können sich nicht erinnern

Die Verteidigung fordert denn auch, dass der Beschuldigte vollumfänglich freizusprechen sei. Nun rücken die Aussagen der Polizei in den Vordergrund. Diese seien inkonsistent und teils widersprüchlich: «Die Polizistin sagte in einer Vernehmung einmal aus, dass sie aufgrund der herannahenden Autos einen Schritt zurück gemacht hat, ein anderes Mal sagte sie, dass sie seitlich ausgewichen sei.»

Die drei Polizisten waren selbst nicht an der Gerichtsverhandlung anwesend. In früheren Vernehmungen hätten sich die beiden Kollegen der Polizistin jedoch ebenfalls nicht erinnern können, wo ihre Kollegin genau stand, als das Auto auf sie zufuhr. Wie der Verteidiger sagt, könne nicht bewiesen werden, mit welchem Abstand der Beschuldigte an der Frau vorbeigefahren sei. «Ich habe unmittelbare Zweifel an der Umsetzung der Gefährdung des Lebens», so seine Worte.

Wie sich das Richtergremium entscheiden und ob der Beschuldigte verurteilt wird, wird sich zeigen. Auf eine mündliche Urteilseröffnung wurde verzichtet.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von chaesli
    chaesli, 30.10.2018, 07:25 Uhr

    Die Anklage der Gefährdung des Lebens ist sehr milde ausgedrückt, meiner Meinung nach ist es ein Tötungsversuch. Falls er noch Ausländer ist (Es ist im Bericht nicht erkennbar), muss er mit einer entsprechenden Einreisesperre ausgeschafft werden.

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