Polizeigesetz

«Die Kritik verstehe ich nicht»

Artet eine Demo in Gewalt aus, kann's für die Verantwortlichen Bussen geben. (Bild: Fotalia.com)

Bei der geplanten Kostenüberwälzung bei Demonstrationen gibt es viele offene Fragen. Zwei Gruppierungen haben scharfe Kritik am geänderten Polizeigesetz geübt. Im Interview nimmt nun Reto Ruhstaller vom Rechtsdienst des Justiz- und Sicherheitsdepartementes Stellung zu den Vorwürfen.

zentral+: Herr Ruhstaller, die Demokratischen Juristen Luzern kritisieren, der Gesetzesentwurf genüge mit schwammigen Begriffen wie «Zweckveranlasser» nicht den Anforderungen einer genügend konkreten gesetzlichen Grundlage (zentral+ berichtete). Was sagen Sie zu dieser Kritik?
 
Reto Ruhstaller: Die Kritik verstehe ich nicht, zumal der Begriff «Zweckveranlasser» nicht im Gesetzestext verwendet wird. In den Erläuterungen kommt er zwar vor, dort müssen aber die Anforderungen der Konkretheit nicht eingehalten sein. Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass ein Gesetz nicht ohne sogenannte unbestimmte Gesetzesbegriffe auskommen kann, um eine Vielzahl von möglichen Situationen abzudecken.
 
zentral+: Die Überwälzung der Polizeikosten mit einer Obergrenze von 30’000 Franken wird nur dann geprüft, wenn es zu Gewalt gegen Personen gekommen ist. Aber was passiert, wenn durch Vandalen 50’000 oder 100’000 Franken Sachschaden entstanden sind? Schäden bei Fanmärschen an VBL-Bussen, an rumstehenden Autos oder Schaufenstern gibt es ja immer wieder?

Ruhstaller: Der zivilrechtliche Schadenersatz ist durch das Gesetz nicht abgedeckt. Er kann zusätzlich vor einem Zivilgericht eingefordert werden. Dies ist in der Botschaft erläutert. Im Übrigen ist der Kostenersatz bei gewalttätigen Veranstaltungen nicht nur bei Gewalt gegen Personen, sondern auch bei Gewalt gegen Sachen anwendbar.

zentral+: Veranstalter von Kundgebungen müssten vorsätzlich oder grobfahrlässig gegen Bewilligungsauflagen verstossen. Was heisst das genau? Welche Instanz beurteilt diese Kriterien und wer errechnet die Höhe der Kosten?

Ruhstaller: Die Luzerner Polizei beurteilt als rechnungsstellende Behörde die Einhaltung der Bewilligungsauflagen und sie errechnet die Höhe der Kosten anhand der Zeitdauer des Einsatzes und der eingesetzten Personen.
 
zentral+: Können Veranstalter die Kostenüberwälzung anfechten?

Ruhstaller: Die Rechnungsverfügung kann auf dem Rechtsmittelweg gerichtlich überprüft werden.

zentral+: Was passiert, wenn ein Umzug oder Fanmarsch lange ruhig verläuft, am Schluss aber ein paar Vermummte randalieren?

Ruhstaller: In diesem Fall betrifft der Kostenersatz nur den Polizeieinsatz ab Beginn der Gewaltausübung.

zentral+: Und wenn der Organisator argumentiert, er kenne die Randalierer nicht – muss er trotzdem zahlen?

Ruhstaller: Beim Veranstalter ist massgebend, ob er die Bewilligungsauflagen eingehalten hat oder nicht. Ob er die Randalierer kennt, ist nicht von Bedeutung.
 
zentral+: Es geht nicht nur um Fussballfans. Auch bei politischen Kundgebungen ist die Obergrenze 30’000 Franken. Das könnte Personen abschrecken, die Grundrechte auszuüben. Wie sehen Sie das?

Ruhstaller: Veranstalter haben nichts zu befürchten, wenn sie nicht grobfahrlässig oder vorsätzlich gegen Bewilligungsauflagen verstossen. Wir sind uns aber bewusst, dass die Festlegung der Obergrenze eine Gratwanderung ist, zwischen der beabsichtigten Präventionswirkung gegen Gewaltausübungen auf der einen Seite und der zu vermeidenden Abschreckungswirkung hinsichtlich Grundrechtsausübung auf der anderen Seite. Bei der Festlegung der Obergrenze sind wir von einer mittelgrossen Demonstration ausgegangen.

zentral+: Die Demokratischen Juristen Luzern argumentieren, der Gesetzesentwurf sei in Bezug auf die Kostenüberwälzung eine «symbolische Gesetzgebung», deren einziger Nutzen es sei, den Bürgern das falsche Gefühl zu geben, es könne eine Entlastung der Allgemeinheit von Polizeikosten bewirkt werden. Was meinen Sie dazu?

Ruhstaller: Vorab ist zu bemerken, dass wir mit dem Gesetzesentwurf einen parlamentarischen Vorstoss des Kantonsrates umsetzen. Die Meinung der DJL teilen wir aber nicht. Hinsichtlich dem Kostenersatz bei friedlichen Veranstaltungen, wo je nach kommerziellem oder ideellem Zweck mehr oder weniger zu zahlen ist, dient der Gesetzesentwurf der Verteilung der Kosten im Sinn des Verursacherprinzips. Hinsichtlich zusätzlichem Kostenersatz bei Veranstaltungen mit Gewaltausübung versprechen wir uns eine Präventivwirkung in dem Sinn, dass Veranstalter Bewilligung einholen, sich daran halten und generell auf Gewaltausübung verzichtet wird.

zentral+: Wie sicher ist der Kanton, dass das Gesetz rechtlich «verhebet»?

Ruhstaller: Da das Gesetz zumindest hinsichtlich der Kostenüberwälzung auf die gewaltausübenden Personen Neuland betritt, gibt es keine vollständige Sicherheit. Wir sind aber davon überzeugt, mit dem Gesetzesentwurf eine taugliche Vorlage erarbeitet zu haben.

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