CEO der Rigi-Bahnen spürt Gegenwind

Die Inszenierung der Rigi – eine Gratwanderung

Rigi-Bahnen-CEO soll dem Rigi-Tourismus neuen Schwung verleihen und das Bahn- in ein Tourismusunternehmen verwandeln.

(Bild: Fabian Duss)

Die Rigi muss noch attraktiver werden, finden die dortigen Dienstleister, allen voran die Rigi Bahnen. Ihr neuer CEO Stefan Otz ist seit einem Jahr am Werk und will den Berg besser inszenieren, um mehr Touristen anzulocken. Das stösst auf Kritik: Anwohner befürchten ein alpines Disneyland. Der Rigi-Bahnen-Chef kontert.

«Nur hochfahren, runterschauen und die Aussicht geniessen – das reicht heute einfach nicht mehr», sagt Stefan Otz in seinem Büro in Vitznau. Der CEO der Rigi Bahnen wurde vor einem Jahr aus Interlaken geholt, um neuen Schwung auf den traditionsreichen Aussichtsberg zu bringen, die Rigi Bahnen zu einem Tourismusunternehmen umzubauen. Das Ziel der Rigi-Vermarkter und -Dienstleister mit ihrem Masterplan: die «nachhaltige Positionierung des Erlebnisraumes Rigi».

Die Zeiten, als Berge, Aussicht und Natur an sich Attraktion genug waren, sind längst vorbei. Heute dienen sie als Kulisse für «Gästeerlebnisse», also für Konsum- und Vergnügungsangebote. Berge, richtig vermarktet, generieren Profit. Die Rigi Bahnen schlagen sich diesbezüglich gut. Innert der letzten fünf Jahre steigerten sie ihre Einnahmen um 50, die Frequenzen um gut 30 Prozent. 2016 resultierte ein Reingewinn von 1,5 Millionen Franken.

Neue Infrastruktur, mehr Attraktivität

Um weiterhin schwarze Zahlen zu schreiben, wollen die Rigi-Dienstleister ihr Angebot verbessern. «Bei schönem Wetter inszeniert sich die Rigi von selber, doch bei Schlechtwetter bieten wir unseren Gästen nicht viel», gibt Stefan Otz unumwunden zu. Es brauche daher «Inszenierungen» am Berg. Ein Baumhüttenhotel auf Rigi Kaltbad zum Beispiel, ein Aussichtsturm in Form eines Tannzapfens auf Rigi Scheidegg oder eine Erlebnis-Alp mit Schaukäserei und Schnapsbrennerei auf Rigi Staffel. Zuoberst, auf Rigi Kulm, möchte man die Bahnstation neu bauen, den Sendeturm begehbar machen und den Leuten bei Nebel auf 360°-Monitoren zeigen, welche Aussicht sie verpassen (zentralplus berichtete).

«Wir planen keinesfalls, unbefleckte Orte dem Massentourismus zuzuführen.»

Stefan Otz, CEO Rigi Bahnen

Im Winter liess Otz einige dieser Projektideen zeichnen und stiess damit mancherorts auf Entrüstung. Insbesondere bei Rigi-Kaltbad-Einwohner René Stettler. Zunächst in umfangreichen Leserbriefen in der Weggiser Wochenzeitung und schliesslich in zahlreichen grösseren Medien warf er den Rigi-Vermarktern vor, den Berg zu «disneyifizieren». Der Masterplan beabsichtige, die Rigi schleichend in ein voralpines Disneyland umzubauen, in einen profitorientierten Konsum- und Erlebnispark. Nachhaltigkeit, Natur und Umwelt blieben dabei auf der Strecke.

Unerschrocken in den Ring

Die Heftigkeit des Gegenwindes überraschte Stefan Otz. Nach 13 Jahren als Tourismusdirektor der Region Interlaken ist sich der emsige Zürcher Massentourismus und Alpenkitsch ebenso gewohnt wie harte Diskussionen und Kritik. Otz spricht von einem «Stahlbad», einer «Boxerkarriere», die er hinter sich gelassen habe. Auf der Rigi könne er davon profitieren. «Je länger, desto mehr», sagt der 51-Jährige und lacht.

Bei schönem Wetter reicht vielen Touristen die Aussicht von der Rigi als Attraktion, doch bei schlechtem Wetter sehen die Touristiker noch grossen Verbesserungsbedarf.

Bei schönem Wetter reicht vielen Touristen die Aussicht von der Rigi als Attraktion, doch bei schlechtem Wetter sehen die Touristiker noch grossen Verbesserungsbedarf.

(Bild: Fabian Duss)

Otz scheut keine Diskussion. Er wirft gerne Ideen in den Raum, um das Echo zu testen. Deshalb betont er auch hinsichtlich des Masterplans, die skizzierten Projekte seien bislang nicht mehr als Ideen und stets auch als solche deklariert worden. Nichts werde genauso umgesetzt. Seit Januar hätten sich sämtliche Projektideen verändert. Und überhaupt: Letztlich müssten die Behörden jedes Projekt erst bewilligen und damit beispielsweise auch auf seine Umweltverträglichkeit prüfen.

Ein kanalisiertes Gschtürm

«Wir wollen die Rigi nicht flächendeckend weiterentwickeln und inszenieren, sondern konzentrieren uns auf die vier Erlebnisräume Kulm, Staffel, Kaltbad und Scheidegg», betont Otz. Dort habe es heute bereits Touristen und man plane keinesfalls, «unbefleckte Orte dem Massentourismus zuzuführen.» In den Randzeiten und etwas abseits der Touristenpfade bleibe die Rigi ruhig.

«Wenn man Ruhe will, sollte man halt nicht auf den Kulm gehen.»

Urs Galliker, Präsident Schutzverein Pro Rigi

Kaltbad-Einwohner Urs Galliker sieht das ähnlich. Den Präsidenten des Schutzvereins Pro Rigi stören die vielen Touristen nicht sonderlich. Er schätzt, dass die Hälfte davon eher Stunden- als Tagestouristen sind. «Das Gschtürm dauert so lange, bis der nächste Zug abfährt. Die stören dafür anderswo auf dem Berg nicht», findet Galliker. Wer sich auf der Rigi auskennt, weiss, dem zu entfliehen. «Wenn man Ruhe will, sollte man halt nicht auf den Kulm gehen», sagt er pragmatisch. Überdies wisse man als Einheimischer, zu welcher Zeit man die Bahnen oder den Dorfladen besser meide, um nicht anstehen zu müssen.

Den Andrang begrenzen?

«Die Rigi ist seit über 200 Jahren ein Tourismusberg und einer der ersten Berge, die bewusst für den Tourismus inszeniert wurden», betont Stefan Otz und verweist auf die Geschichte (siehe Box).

Heute kommen 70 Prozent der Bahngäste aus der Schweiz. Forciert Stefan Otz nun, wie zu seiner Zeit im Berner Oberland, die Fernmärkte? Natürlich lägen die Wachstumsmärkte in Asien, wiegelt Otz ab, doch seine Vorgabe sei klar: Steige die Zahl internationaler Gäste auf der Rigi, müsse auch der Anteil an Schweizer Ausflüglern wachsen, um das Verhältnis beizubehalten.

Seit langem ein Erlebnisberg

Die Rigi galt schon vor 200 Jahren als Modeberg. Bald reichte der attraktive, von Heerscharen beobachtete, Sonnenaufgang alleine nicht mehr: 1816 wurde beim Chänzeli ein überdachter Aussichtspunkt errichtet und vier Jahre später auf dem Kulm ein kleiner Aussichtsturm gebaut. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die Rigi von Touristen überrannt. «Während der letzten schönen Tage war der Fremdenzufluss ein wahrhaft ungeheurer», berichtete etwa die Zeitung «Echo vom Rigi» Ende Juli 1871. Es habe von Besuchern derart gewimmelt, dass sie gar in den Hotelgängen übernachten mussten, weil alle der rund tausend Betten belegt waren. Drei Jahre später knackten die Bahnfrequenzen erstmals die 100'000er-Marke.

Eine Obergrenze für Touristen, wie sie neulich René Stettler forderte, ist gemäss Otz «nicht umsetzbar». Urs Gallilker glaubt indes, dass das System sich selber Grenzen setzt: «So viele Züge wie hochfahren, müssen auch wieder runter. Kommt es zu grösseren Staus und Wartezeiten, werden einheimische Ausflügler oder ausländische Anbieter die Rigi meiden.

Katharina Conradin, Geschäftsleiterin der Alpenschutzorganisation mountain wilderness, möchte sich derweil nicht auf eine Selbstregulierung verlassen. Obschon die Rigi seit langem ein touristischer Berg sei, müsse man sich durchaus fragen, wo ihre Kapazitätsgrenzen lägen. Nachträglich Obergrenzen einzuführen, sei unrealistisch. Am besten fände sie deshalb, wenn man beispielsweise beim baldigen Neubau der Luftseilbahn Weggis-Kaltbad auf eine Kapazitätsvergrösserung verzichten würde.

Gratwanderung zwischen Authentizität und Kitsch

Pro Rigi-Präsident Urs Galliker sieht das Gleichgewicht zwischen Natur, Tourismus, Alp- und Waldwirtschaft durch den geplanten Ausbau nicht gefährdet. Auch an den bisher bekannten Projektideen hat er nichts auszusetzen. Katharina Conradin ist kritischer. Zwar gehe das Konzept mit seinem Fokus auf Gesundheitstourismus, Kulinarik, Naturerlebnis und Schweizer Gäste durchaus in eine richtige Richtung. Doch gerade beim Neubau von Infrastrukturen müsse sehr vorsichtig vorgegangen werden, damit die Rigi nicht zu einem alpinen Disneyland verkomme. «Eine Gratwanderung», so die Alpenschützerin.

Bei schönem Wetter reicht vielen Touristen die Aussicht von der Rigi als Attraktion, doch bei schlechtem Wetter sehen die Touristiker noch grossen Verbesserungsbedarf.

Die Rigi soll den Spagat zwischen möglichst authentisch und möglichst attraktiv schaffen.

(Bild: Fabian Duss)

«Wir werden auf der Rigi nichts umsetzen, was nicht dorthin passt», bekräftigt indes Rigi-Bahnen-CEO Stefan Otz. Dass der Masterplan im selben Atemzug von Inszenierungen, Echtheit, Glaubwürdigkeit und Authentizität spricht, sieht er nicht als Widerspruch, «sofern die Inszenierung echt und authentisch daherkommt». Doch was zum Beispiel ist an der auf Staffel angedachten Schnapsbrennerei authentisch? Kirschbäume sucht man auf dem Berg vergeblich.

«Einverstanden», sagt Otz, «auf der Rigi gibt es keine Chriesi.» Doch die aus Obstbaukreisen aufgebrachte Idee vertrage sich durchaus mit dem touristischen Masterplan des Kantons Schwyz, der die Destination Rigi vom Berg bis ins Tal definiere. Da sei es doch legitim, Produkte aus dieser Destination den Gästen dort verfügbar zu machen, wo sie hinreisten.

Boxer mit Fingerspitzengefühl?

Die Interessen sind so zahlreich und verschieden wie die Wanderwege, die auf den Kulm führen. Ohne Kompromisse geht es auf der Rigi nicht. Stefan Otz ist sich bewusst, dass die eine oder andere Auseinandersetzung viel Geduld und Ausdauer verlangt. Ob er, um bei der Metapher zu bleiben, trotz Boxhandschuhen auch das nötige Fingerspitzengefühl hat, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

Neues Kleid und flexible Preise

Seit gut einem Jahr kommt die Rigi im schwungvollen, grünen Kleid daher. Stefan Otz, der sein Amt nach dem Re-Branding antrat, trauert dem alten Schriftzug «in diesen Chilbifarben» keine Träne nach. Dass der neue Auftritt viele Gemüter erregte, erstaunt ihn zwar, doch bleibt er gelassen: «Schlimmer wäre doch gewesen, wenn das Re-Branding niemanden interessiert hätte.» Wichtig ist ihm allerdings weniger das Aussehen des neuen Logos, sondern dass damit die Marke «Rigi» gestärkt wird und sich selbst die Rigi Bahnen dem neuen Auftritt der Destination unterordneten. Dass auf der Rigi längst noch nicht alles aus demselben, neuen Guss erscheint, sieht er sportlich: Das brauche etwas Zeit und es sei nun Aufgabe der neuen Rigi Plus-Geschäftsleiterin Jeanine Züst, die Marke am Berg noch besser zu verankern.

Eine weitere Neuerung ist das Ende Mai eingeführte meteodynamische Pricing: Je schlechter das Wetter, desto günstiger fährt man auf die Rigi. «Die Zahlen sind erfreulich, aber wir werden jetzt nicht plötzlich von Gästen überrannt, die günstiger auf den Berg wollen», sagt Stefan Otz nach einer ersten Auswertung. Im Herbst werde entschieden, ob man den Versuch in die Wintersaison weiterziehe.

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