Zuger Entlastungspaket belastet Baar

Die erste Gemeinde knickt ein

Die Baarer Bevölkerung wird vermutlich schon bald über eine Erhöhung der Gemeindesteuern befinden. Im Bild: Die Baarer Dorfstrasse. (Bild: zvg)

Die Gemeinde Baar schreibt rote Zahlen. Zu hoher Aufwand bei zu geringem Ertrag, so die vereinfachte Bilanz. Ein tieferer Blick aber zeigt: Das kantonale Sparprogramm ist eine schwere Belastung für die einzelnen Gemeinden. Die Baarer greifen nun in die Tabukiste und wollen mit einer Steuererhöhung Abhilfe schaffen.

Zug und die Steuererhöhung: Eine Beziehung wie jene zwischen Teufel und Weihwasser? Das war einmal. Nachdem das Tabu auf kantonaler Ebene gefallen ist (zentral+ berichtete), ziehen jetzt die Gemeinden nach. Zumindest eine davon macht den Anfang: die Einwohnergemeinde Baar. Im Zuge des Finanzplans 2016 bis 2020 teilte sie am Dienstag mit: «Der Gemeinderat kann sein finanzstrategisches Ziel nicht mehr erfüllen und wird aus heutiger Sicht dem Souverän in einem Jahr empfehlen, den Steuerfuss anzuheben.»

«Die Einsparungen werden durch das verhaltene Wachstum der Steuererträge und höhere Ausgaben weggefressen.»

Hans Steinmann, Finanzchef Baar

Baar knickt unter der finanziellen Last ein. Hat die Gemeinde ihr Milchbüchlein nicht sorgfältig genug geführt? «Nein», sagt Hans Steinmann, der Finanzchef von Baar. «Die Einsparungen, die wir über die letzten Jahre generiert haben, werden durch das verhaltene Wachstum der Steuererträge und höhere Ausgaben weggefressen.» Höhere Ausgaben, diese rührten namentlich her von Lehrerlöhnen, von der Sozialhilfe, der Fürsorge, vom öffentlichen Verkehr und anderem.

Solidaritätszahlungen wiegen schwer

Ein gewichtiger Posten auf der Aufwandseite ist aber auch der Kanton. Konkret: «Gemäss Berechnungen der Finanzdirektion hat Baar an die Zuger Nehmergemeinden 6,1 Millionen zu bezahlen», erklärt Steinmann. Der Zuger Finanzausgleich (ZFA), das innerkantonale Pendant zum Nationalen Finanzausgleich (NFA), nagt also ebenfalls am Baarer Kapital. Zugs nationale Rolle spiegelt sich in Baar auf kantonaler Ebene wider. Es kommt aber noch dicker: Ab 2017 hilft die Gemeinde Baar dem Kanton während zwei bis fünf Jahren mit einem jährlichen Solidaritätsbeitrag von 3,5 Millionen Franken.

Im Juni dieses Jahres haben nämlich alle elf Zuger Gemeinden einstimmig beschlossen, das Entlastungsprogramm 2015 bis 2018 des Kantons Zug mitzutragen (zentral+ berichtete). Dadurch solle verhindert werden, dass der Kanton mittelfristig Aufgaben und Kosten auf die Gemeinden überwälzt. Aber ist dieser Solidaritätsbeitrag denn nicht genau eine solche Abwälzung? «Ja, indirekt ist es eine Abwälzung», sagt Hans Steinmann und fügt an: «Das kantonale Entlastungsprogramm ist mit ein Grund für die Erhöhung der Gemeindesteuern.»

«Man war sich immer bewusst, dass irgendwann eine moderate Trendwende eintreten kann.»

Andreas Hotz, Gemeindepräsident Baar

Den Hauptgrund für das defizitäre Budget ortet der Baarer Finanzchef zwar bei den «explodierenden Lehrerlöhnen», welche auf die Entlastung der Klassenlehrpersonen sowie auf Stellenanpassungen infolge der Unterdotation der Führungsressourcen zurückzuführen sei. Doch die 3,5 Millionen Franken, welche die Gemeinde ab 2017 jährlich an den Kanton überweisen wird, sind ein harter Brocken. Immerhin ist das mehr als die Hälfte des für 2016 budgetierten Defizits von 6,5 Millionen Franken.

Solidarität gegen Steuererhöhung?

Auf den Punkt gebracht: Der Kanton muss sparen, die Gemeinde sparen mit, was schliesslich Steuererhöhungen unumgänglich macht. Der Baarer Gemeindepräsident Andreas Hotz unterstützt diese Aussage, fügt aber zugleich an, dass der Steuerfuss der Gemeinde Baar in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich gesenkt werden konnte. «Dabei war man sich immer bewusst, dass irgendwann eine moderate Trendwende eintreten kann beziehungsweise wird.

«Diese Solidaritätszahlung ist ganz klar eine Überwälzung von Kosten auf die Gemeinden.»

Andreas Lustenberger, ALG-Kantonsrat Baar

«Diese Solidaritätszahlung ist ganz klar eine Überwälzung von Kosten auf die Gemeinden», sagt ALG-Kantonsrat Andreas Lustenberger. Er ortet den wahren Auslöser für die roten Zahlen in den Steuersenkungen zugunsten der Oberschicht und vor allem auch der juristischen Peronen. «Neu ist, dass die Sparübungen nicht einfach nur die gesellschaftlich Schwächsten trifft, sondern auch den Mittelstand.»

Letztlich, so Lustenberger, sei die bürgerliche Finanzpolitik Schuld an den Defiziten. «Der Kanton baut Leistungen für die Bevölkerung ab und überwälzt Kosten, was dazu führt, dass dann auch die Gemeinde Leistungen abbaut.» Deshalb mache eine Erhöhung des Steuerfusses Sinn. «Das ist schliesslich einfach eine Korrektur der falschen Finanzpolitik, welche in den letzten Jahren im Kanton Zug betrieben wurde.»

Von Spar- und Verzichtsmassnahmen

Die SVP Baar spricht sich deutlich gegen eine Steuererhöhung aus. Sie sagt, man solle sich nicht auf die Einnahmen konzentrieren, sondern zunächst seine Hausaufgaben auf der Ausgabenseite machen. Will heissen: Keine Steuererhöhung, sondern den Ausgabenüberschuss abbauen und die Personalkosten beschränken. «Die Ausgabenseite ist massiv am überborden», sagt SVP-Kantonsrat Michael Riboni. «Hier liegt die Ursache und hier muss man ansetzen.»

Finanzchef Hans Steinmann sagt hierzu: «Wir sind bemüht, unseren Aufwand möglichst gering zu halten. Aber bei 70 bis 80 Prozent der Ausgaben sind wir gebunden.» Was man machen könne, sei, gewisse Investitionen zeitlich zu verschieben, damit nicht alles auf einmal anfalle. Der Gemeinderat werde jedenfalls an einer Sondersitzung über den Zeitpunkt und die Notwendigkeit sämtlicher Investitionsprojekte erneut diskutieren. Alles andere sieht er kritisch: «Das wären dann keine Spar-, sondern Verzichtsmassnahmen.»

«Eine Erhöhung des Steuerfusses auf 60 Prozent ist unumgänglich.»

Hans Steinmann, Baarer Finanzchef

Das letzte Wort dem Volk

Deshalb bleibt Steinmann dabei: «Eine Erhöhung des Steuerfusses auf 60 Prozent ist unumgänglich.» Heute liegt dieser bei 56 Prozent. Zur Veranschaulichung: 1 Steuerprozent mache ungefähr 1,2 Millionen Franken aus, erklärt der Finanzchef. Das ergibt bei der geplanten Erhöhung um 4 Prozentpunkt in etwa ein Plus von 4,8 Millionen Franken, welche die Gemeinde Baar jährlich zusätzlich einnehmen würde.

«Ein allfälliges Anheben des Steuerfusses von historisch tiefen 56 auf 60 Prozent wäre für die Steuerzahler verkraftbar», konstatiert Gemeindepräsident Hotz. Insbesondere dann, wenn aufgezeigt werde, dass nach wie vor ein sehr guter Service public geboten und mit den Mitteln haushälterisch umgegangen werde. Das letzte Wort hätte das Volk. Was aber, wenn der Souverän Nein zu höheren Gemeindesteuern sagt? «Dann bleiben nicht viel Alternativen», sagt Steinmann. «Man müsste auf bestimmte Leistungen verzichten oder schlicht ein höheres Defizit in Kauf nehmen.»

Was bleibe, seien kleinere Sparmassnahmen, die aber keinen grossen Effekt zeitigen würden. Für Andreas Hotz sei es nicht unwahrscheinlich, dass weitere Gemeinden auf den «Steuererhöhungs-Zug» aufspringen würden: «Gemäss meinen Informationen als Vorsteher der Gemeindepräsidentenkonferenz machen sich auch andere Gemeinden Gedanken über moderate Steuererhöhungen.»

Zari Dzaferi (SP) spricht gar von einer Art Vorreiterrolle, die Baar hier übernehme: «Andere Gemeinden hätten womöglich bereits die Steuern erhöhen müssen, wenn sie nicht Gelder aus dem ZFA erhalten hätten.»

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