35 Jahre berichtet Alfons Spirig übers Schwingen

Die emotionalsten Erlebnisse des «Zwilchhosen-Schawinski»

Alfons Spirig, als Reporter ein Schwing-Dinosaurier, steht hinter dem Moderationspult seines Studios am Pilatusplatz in Luzern.

(Bild: ain)

1984 hatte Alfons Spirig eine zündende Idee: Der heute 71-jährige Radiopionier setzte fortan aufs Schwingen. Nach dem Motto: Jedes Dorf hat seinen «König» und interessiert sich für dessen Abschneiden im Sägemehl-Ring. Nun erzählt er von den Höhepunkten seiner Laufbahn – und von dem Tag, als für ihn eine Schwinger-Welt zusammenbrach.

Es war am 15. Juli 1984 in Cham. Der Muotathaler Richard Heinzer hatte im Schlussgang des «Innerschweizerischen» Hermann Brunner aus Interlaken auf den Rücken gelegt. Reporter Spirig ging hin zum Festsieger, um ihn zu interviewen. Doch Heinzer wollte ihm partout keine Beachtung schenken.

«Er schaute permanent in eine andere Richtung, und ich fragte mich schon, warum er mich wohl ignorierte», erzählt Alfons Spirig schmunzelnd. Plötzlich habe sich Heinzer zu ihm gedreht, «und da fiel mir erst auf, dass er eine Brille trug mit Gläsern, die so dick waren wie Flaschenböden. Er sah wirklich nicht viel, und weil er ohne Brille schwang, tat er das in erster Linie nach Gefühl und Intuition», erzählt Spirig. Es klingt heute noch durch, wie sehr er beeindruckt war von Heinzers praktisch blind geführten Zweikämpfen.

Das Drama um «Geni Schränz»

Seiner Leidenschaft fürs Schwingen, im letzten Jahrtausend noch eine echte Feierabend-Sportart, blieb Spirig über all die Jahre treu. Erst recht, als er 1990 Radio «Schwyz» als Geschäftsführer aufbaute und daraus Radio «Central» machte. Er rechnet vor, dass er seit 1984 von «rund 500 Schwingfesten» berichtet habe. Sein Pioniergeist als Innerschweizer Radiomacher und breites Wissen im Schwingen haben Spirig bereits den Spitznamen «Zwilchhosen-Schawinski» eingetragen.

«Da brach für mich eine Schwinger-Welt zusammen.»

Alfons Spirig, Radiopionier in der Zentralschweiz

Der gebürtige Schwyzer hat mitgelitten mit dem vielleicht «Grössten aller Zeiten», der ohne Titel blieb. «1995 in Chur kniete ich neben dem Sägemehl-Ring, um nach der Entscheidung gleich ein Interview mit Geni Hasler bekommen zu können. Da brach für mich die Schwinger-Welt zusammen.» Zweimal habe «Geni Schränz», wie der Schwyzer gerufen wurde, seinen Widersacher Thomas Sutter auf dem Rücken gehabt, aber beide Male sei ihm das Resultat verweigert worden, schüttelt Spirig noch heute den Kopf.

 

Und so kam es, wie es kommen musste: Sutter bodigte «Geni Schränz», und der Mann, der nach jedem seiner Gänge mit Spirig sprach, «bat mich darum, vorerst mal nichts sagen zu müssen.» Zum zweiten Mal nach 1989 hatte Geni Hasler den Schlussgang eines Eidgenössischen verloren. Es war ein brutaler Nackenschlag.

Ein König, der seinen Erfolg ummünzte

Aber auch die gekrönten Könige machten Spirig Eindruck. Zum Beispiel der einzige, der zumindest bis zum nächsten Eidgenössischen am letzten August-Wochenende in Zug die Innerschweiz repräsentiert. Harry Knüsel hat 1986 in Sion Ernst Schläpfer entthront. «Der Zuger war eine perfekte Kombination aus Wucht und Eleganz», erinnert sich Spirig.

Noch mehr imponierte ihm aber, was Knüsel aus seinem Königstitel machte. «Er konnte ihn in wirtschaftlichen Erfolg ummünzen, was nur wenigen vor ihm gelang. Ich erinnere mich noch genau, wie ich immer mal wieder an Baustellen in der Zentralschweiz vorbeifuhr, wo eine Tafel signalisierte, dass hier der Schwingerkönig Hand anlegte. Und Knüsel arbeitete auch wirklich für seinen Erfolg als Unternehmer.»

Als Abderhalden einfach davonlief

Einem anderen Schwingerkönig lief Spirig wortwörtlich hinterher. «Am Eidgenössischen 2001 endete der Schlussgang zwischen Jörg Abderhalden und Nöldi Forrer gestellt, worauf Abderhalden als Titelhalter einfach davon und über ein angrenzendes Feld lief. Die Frage war, ob es überhaupt einen König geben werde. «Ich folgte ihm im Wunsch, ein Interview machen zu können, und bekam dadurch in Wortfetzen mit, wie Abderhalden unaufhörlich vor sich hin redete», erzählt Spirig. «Mir zeigte das, wie zielbewusst Abderhalden arbeitete, wie sehr er sich mit dem identifizierte, was er machte. Und erst recht, wenn ihm etwas missglückte.»

«Als ich den Brünig-Sieger interviewen wollte, sprach ich ihn mit dem falschen Namen an.»

Über den Lautsprecher habe Abderhalden dann erfahren, dass sein Nordostschweizer Schwingerkollege Nöldi Forrer zum neuen König ausgerufen wurde. 2004 in Luzern und 2007 in Aarau holte Abderhalden nach, was er in Nyon verpasst hatte.

Der Versprecher am Brünig

Von einem Schwingfest zu berichten, ist – anders als man vielleicht vermuten könnte – nicht wirklich ein Zuckerschlecken. «In der Regel stehe ich morgens um vier Uhr auf, hole dann meinen Experten, mit dem ich kommentieren werde, von zu Hause ab, bevor wir zum Ort des Wettkampfs fahren. Bis zur Entscheidung im Schlussgang und erst recht zur Heimkehr dauert der Tag mindestens 16 Stunden», erzählt Spirig.

«Es war eine Peinlichkeit, die mich noch lange geärgert hat.»

Darunter kann schon mal die Konzentration leiden. Bei ihm ist es am Brünig vor ein paar Jahren passiert. «Als ich den Sieger interviewen wollte, sprach ich ihn mit dem falschen Namen an», erinnert sich Spirig. Weil das Interview nicht nur über den Äther, sondern auch über die Lautsprecher in der Schwingarena zu hören war, konnte sich der eine oder andere Zuhörer ein Lachen nicht verkneifen.

Bald 72 und noch kein bisschen müde

Medienprofi Spirig bezeichnet diesen Zwischenfall als «Fauxpas meines Lebens». Es sei eine Peinlichkeit gewesen, die ihn noch lange geärgert habe. «Weil es live geschah, konnte ich nichts zurücknehmen, sondern mich bloss dafür entschuldigen.»

Auch wenn er «um die Zeit des Eidgenössischen» in Zug, wie es Spirig nicht genauer datieren will, seinen 72. Geburtstag feiern wird – über sein eigenes Karrierenende hat er nicht nachgedacht. Er wisse nicht, ob es sein letztes Eidgenössisches sein werde, sagt er. Auch im Wissen darum, dass es kein Leichtes sein wird, einen Nachfolger zu finden. Einen, der so viel Leidenschaft für Schwingen und Fussball und Eishockey aufbringt, wie er das tut.

Selbstredend ist, dass seine Privatradios über die beiden Wettkampftage des ESAF in Zug ausführlich berichten werden. Mit Spirig und seinem Experten Daniel von Euw im Dauereinsatz.

Vielleicht werden ja seine emotionalen Erlebnisse rund um den Sägemehl-Ring um ein weiteres Kapitel bereichert.

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