Neue Herausforderung für Musikschulen

Die Blütezeit der Musikschulen ist vorbei

Bei der Eröffnung des Südpols 2008: Eine Musikschule übt gemeinsam ein Stück ein.

(Bild: Symbolbild Emanuel Ammon/AURA)

Sinkende Schülerzahlen, Musikschullehrer, die um ihre Existenz kämpfen müssen und vom Aussterben bedrohte Musikinstrumente: Die Musikschulen im Kanton müssen sich gleich an mehreren Fronten neuen Herausforderungen stellen. Ein neues Phänomen, das in Luzern beobachtet wird: Die Schüler treten früher wieder aus der Musikschule aus.

Die Musikschulen stehen heute vor grossen Herausforderungen. Der Besuch einer Musikschule ist nicht mehr so selbstverständlich, wie er das in seiner Blütezeit in den 80er- und 90er-Jahren noch war. Das spürt auch die Musikschule der Stadt Luzern, wenn auch nur bedingt an der Zahl der Schüler. «Die Gesamtsumme der Schüler ist während der letzten Jahre relativ stabil geblieben», sagt Thomas Limacher, Rektor der Musikschule der Stadt Luzern. Er weiss aber auch: «Es braucht von unserer Seite her viel mehr Anstrengungen, dass die Schüler kommen.» Das sei früher nicht so gewesen. Seit 12 Jahren ist er in der Schulleitung der Musikschule der Stadt tätig. «Heute müssen wir zum Beispiel die Musikstile Pop und Rock anbieten», wie er sagt.

Kein Platz für Musikschule in der Agenda

Es braucht aber nicht nur die Anstrengung, neue Schüler für die Musikschule zu begeistern – auch sie zu halten ist schwieriger geworden. «Es ist ein neues Phänomen, dass unsere Schüler bereits in der Primarschule wieder aus der Musikschule austreten», sagt Limacher. Noch vor ein paar Jahren lag das durchschnittliche Austrittsalter zwischen 16 und 20 Jahren. Ein Grund dafür sieht der Rektor bei den steigenden Anforderungen an die Schüler in der Volksschule. «Das lässt kaum Platz, ein Instrument zu lernen. Die Agenda der Schüler ist voll. Diese Grundproblematik dürfte der neue Lehrplan 21 noch verschärfen», schätzt Limacher. Dies, da mehr andere Kompetenzen von den Schülern erwartet werden.

«Einzelne Instrumentengruppen sind vom Aussterben bedroht.»

Thomas Limacher, Rektor Musikschule der Stadt Luzern

Obwohl die Gesamtschülerzahl «relativ konstant» geblieben ist: «Einzelne Instrumentengruppen sind vom Aussterben bedroht», weiss Limacher. So sehr, dass es heute schwierig sei, eine Klasse zu bilden. Zum Beispiel beim Querflöten-Unterricht. Hatte die Musikschule der Stadt vor Jahren noch zehn Querflöten-Lehrer angestellt, so sind es heute noch drei im Teilpensum. «Blasinstrumente sind bei den Jugendlichen nicht mehr attraktiv», schätzt der Rektor. Ländliche Gebiete hätten hier weniger Probleme, «aber in der Stadt ist das schon krass.» Dabei bezeichnet sich die Stadt gerne als «Hochburg der Blasmusik».

Musiklehrer haben «existenzielle Probleme»

Unter dieser Entwicklung leiden die betreffenden Musikschullehrer der Stadt. Sie sehen sich einem «schleichenden Pensenrückgang» ausgesetzt, wie es Limacher nennt. Er weiss: «Einzelne Lehrer haben existenzielle Probleme.» Bei einzelnen Instrumenten-Arten würden die Schülerzahlen jährlich um etwa fünf bis zehn Kinder sinken, was eine Pensumreduktion von teilweise über 20 Prozent ausmachen könne. Entsprechend fehlt der Lohn.

Doch der Rektor schaut mit Zuversicht in die Zukunft. Er schätzt, dass auf den nächsten Schuljahresbeginn im August die Zahl der Musikschüler wieder steigen wird. Dies weil die Zahl der Kinder im Volksschulalter in der Stadt wieder zunimmt. Ob sich seine Prognose bewahrheiten wird, sieht Limacher dann im Mai. «Dann treffen bei uns die meisten Anmeldungen ein. Im Juni sieht man dann die effektive Zahl.» Im August beginnt das neue Schuljahr.

«Schülerzahlen sinken»

Auch andere Musikschulen kämpfen, wie der Blick über die Stadtgrenze zeigt. «Die Tendenz ist leider feststellbar. Die Schülerzahlen sinken», sagt Jost Feer, Beauftragter Musikschulen des Kantons. Er ist seit über 30 Jahren Musikschullehrer und kennt die Entwicklung. «In den 80ern gehörte es zum guten Ton, dass ein Kind in die Musikschule geht», sagt Feer. Damals seien die Musikschulen aufgeblüht. «Fast jede Gemeinde hatte eine Musikschule.» Es sei eine andere Generation gewesen.

«Viele der damaligen Eltern konnten selber keinen Musikunterricht besuchen. Also unterstützten sie ihre Kinder, als diese die Möglichkeit hatten.» Die Kinder von damals sind nun selber Eltern, «und wissen über Freud und Leid des Unterrichts Bescheid. Sie unterstützten ihr Kind zwar, sind sich aber auch bewusst, dass es Disziplin braucht». Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass ein Kind in die Musikschule geht.

«Die Musikschulen sind sich der Problematik bewusst.»

Jost Feer, Beauftragter Musikschulen des Kantons

Einen weitereren Grund für die sinkenden Schülerzahlen sieht Feer beim grösseren Freizeitangebot. Verschiedene Vereine würden sich gegenseitig konkurrenzieren. Welche Prognose stellt der Experte für die Zukunft? Wird es bald an Musikschülern fehlen? «Die Musikschulen sind sich der Problematik bewusst», sagt Feer. «Ich glaube nicht, dass es für die Musikschulen an die Existenz gehen wird. Ich bin da zuversichtlich.» Der Anteil an interessierten Schülern sei noch da.

Fusionen: Von 60 auf 40

Aktuell fusionieren mehrere der insgesamt 60 Musikschulen des Kantons Luzern. «Ab August werden es noch 40 Musikschulen sein», weiss Jost Feer. Grund für das Zusammenrücken sei das Volksschulbildungsgesetz, in welchem die Musikschulen seit 2010 verankert sind und die Musikschulverordnung, die als Bedingung für Kantonsbeiträge eine «sinnvolle Grösse» von 200 Nennungen vorgibt. Zudem sind die Musikschulen verpflichtet, einen Fächerkatalog mit Musik und Bewegung, Gesang, Blas-, Schlag-, Streich-, Tasten- und Zupfinstrumenten anzubieten. Viele der Musikschulen waren zu klein, um die Anforderungen zu erfüllen. Einige Gemeinden haben deshalb die Musikschulen zusammengelegt, oder werden das noch tun. Im August läuft die Übergangsfrist ab. «Im Moment sind noch einige Musikschulen daran, die Bedingungen zu erfüllen. Ich bin zuversichtlich, dass die betreffenden fusionierten Musikschulen auf Beginn des Schuljahres 2015/2016 bereit sind.»

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