Mall of Switzerland schweigt trotz sichtbarer Krise
In Kürze beginnt das Weihnachtsgeschäft in Ebikon. (Bild: Archiv zvg)
Das Ebikoner Einkaufszentrum, mit arabischem Vermögen erbaut, findet auch im siebten Jahr nicht aus der Krise. Umsatz und die Besucherzahlen sind zum Geheimnis geworden. Das hat Gründe.
Die Mall of Switzerland, das zweitgrösste Einkaufszentrum der Schweiz, wächst: Eine Fussball-Indooranlage mit Shop und Lounge und neue Läden kündigte die Centerleitung Ende September an. Das ist der neueste Versuch, den Konsumtempel in Ebikon aus der Krise zu führen (zentralplus berichtete).
Anlässlich des siebten Geburtstags der Mall hätte zentralplus die neu eingesetzte Centermanagerin Tiziana Hug gerne gefragt, wie der Kurswechsel gelingen soll. Mit Verweis auf das Weihnachtgeschäft lehnte die mittlerweile vierte Leiterin der noch jungen Mall einen Austausch aber mehrfach ab.
Für ihre dürftige Kommunikation fiel die Führung schon häufiger auf.
Vergangenes Jahr schickte die «NZZ» eine Reporterin in das «leere Raumschiff von Ebikon». Dort sprach sie mit Ladeninhabern, Mitarbeiterinnen und Kunden. Viel Gutes berichteten die nicht. Zu leer sei das Zentrum, zu restriktiv die Öffnungszeiten des Kantons. Ein Ladenbetreiber sagte, am liebsten hätte er ein Geschäft im Emmen Center.
Mall of Switzerland spricht nicht über Leerstände und Umsatz
Darauf angesprochen, reagierte eine Marketingmitarbeiterin nach «mehreren Anfragen» der NZZ ausweichend: «Wir kommunizieren, dass wir mit der Entwicklung der Frequenzen auf dem richtigen Weg sind.» Über Umsatz- oder Besucherzahlen sprach sie nicht. Auch als Medien zum fünften Geburtstag nachfragten, hielt die Mall die Daten unter Verschluss (zentralplus berichtete).
Klar ist: Es läuft allem Anschein nach schlechter, als es sich die Gründer vorgestellt hatten, wie ein Besuch vor Ort verrät. Am Nachmittag eines Wochentags sind die Gänge der oberen Etagen wie ausgestorben. Viele Geschäftsflächen sind mit Gittern abgesperrt. Mitarbeiter blicken in leeren Läden gelangweilt auf ihre Handys. Und die Sitzecken der Restaurants im obersten Stock sind verwaist.
Warum spricht die Mall-Führung nicht über diese Probleme? Und erklärt, mit welchen Strategien das Einkaufszentrum gefüllt werden soll? Ein Blick ins zentralplus-Archiv zeigt, dass früher aktiver kommuniziert wurde.
Das Einkaufszentrum hat Dutzende Läden verloren
Ein Jahr nach der Eröffnung 2017 war der damalige Centerleiter sehr auskunftsfreudig. 3,9 Millionen Kunden hätten die Mall im ersten Jahr besucht, 4,5 Millionen seien das Ziel gewesen. 84 Prozent der Flächen seien vermietet. Bis ein so grosses Einkaufszentrum anlaufe, brauche es drei bis fünf Jahre, meinte der Mann damals optimistisch (zentralplus berichtete).
Doch der Boom blieb aus. Und die Entwicklung bei den Vermietungen zeigt bergab. Insgesamt 125 Geschäfts- und Gastroflächen sollen in der Mall of Switzerland und im Nebengebäude zur Verfügung stehen. Bei der Eröffnung im Jahr 2017 waren nach Medienberichten 87 Läden und 17 Restaurants vermietet.
Heute steht auf der Website, dass es noch immer «über 80 Shops» gebe. Zählt man die Marken online nach, finden sich nur 61 Läden und 13 Restaurants auf der Website. Das sind 30 Prozent weniger Mieterinnen als vor sieben Jahren. Somit stehen wohl über 50 Geschäfts- und Gastroflächen leer.
Ein Grund für die Abwärtsspirale: Als das Einkaufszentrum eröffnete, hatte der Detailhandel bereits viel Kundschaft an den Onlinehandel verloren. Dann folgte die Pandemie, und es ging weiter bergab. Der Branchenverband «Swiss Council of Shopping Places» bezifferte den Umsatz der Mall 2020 auf 218 Millionen Franken.
Umsatz müsste bei 300 bis 400 Millionen Franken liegen
Dieser Umsatz ist deutlich zu gering. Experten schätzten vor der Eröffnung, dass 300 bis 400 Millionen Franken Umsatz im Jahr nötig seien, damit das Einkaufszentrum profitabel sei, schrieben damals die «Handelszeitung» und die «Luzerner Zeitung» einhellig. Schon damals war die Mall mit Aussagen zu den Betriebszielen zurückhaltend.
Heute ist die Lage unklar. An verlässliche Daten über Umsätze und Besucherfrequenzen in Einkaufszentren zu kommen, ist praktisch unmöglich geworden. Die Mall-Leitung schweigt komplett, grösstenteils auch der Branchenverband. Das Konkurrenzhaus Emmen Center schreibt, jährlich 4,5 Millionen Besucher zu haben.
Eine Schätzung von CH Media durch Fachleute gibt Hinweise: Das Emmen Center machte 2023 wohl etwa 220 Millionen Franken Umsatz. Der Umsatz der Mall sei hingegen «nicht verlässlich» zu schätzen, liege aber wohl im gleichen Bereich (zentralplus berichtete). Glaubt man den Experten von 2017, ist das Ebikoner Einkaufszentrum somit noch immer nicht profitabel.
Die Mall gehört einem Staatsfonds aus Abu Dhabi
Ärgern dürfte das im Nahen Osten. Denn die Mall gehört der Abu Dhabi Investment Authority (Adia), einem Staatsfonds des schwerreichen Emirats. Im Jahr 2022 entschied man dort, das Center von einem Genfer an den niederländischen «Multi»-Konzern zu übergeben. Die neue Betreiberin Multi Switzerland AG sollte das Center aus der Pandemie führen (zentralplus berichtete).
Denn die Besitzer wollen Rendite. Nach einem gescheiterten Projekt des Liftbauers Schindler Anfang der 2000er-Jahre kaufte im Jahr 2014 der Staatsfonds den Grund von Schindler ab. Insgesamt steckten die ausländischen Investoren eine halbe Milliarde Franken in den Bau, der Liftbauer verdiente durch den Verkauf 75 Millionen Franken.
Dies brachte dem Schweizer Aufzughersteller nicht nur Lob ein. Die politischen Debatten zum Zentrum und dem öffentlich finanzierten Autobahnanschluss, der zum Parkhaus nebenan führt, wühlten die Region jahrelang auf (zentralplus berichtete).
Es gibt auch Erfolge in der Mall of Switzerland
Diese Woche nun wird die Mall also sieben Jahre alt – und die Debatte zum Sinn und Zweck schwelt seit gut einem Vierteljahrhundert in der Region. Seit der Eröffnung wird die Leitung des Centers in ihrer Kommunikation immer sparsamer – ein Trend, der in der gesamten Branche feststellbar ist.
Gesprochen wird dagegen über Erfolge, die es sicherlich auch gibt. Dieses Jahr gelang es der Mall of Switzerland, drei neue Modemarken zu gewinnen, unter anderem die beliebte Marke Zara. Die bisherige Zara-Filiale im Emmen Center wurde «vorübergehend» geschlossen. Auch die Migros, Ankermieterin der Mall, sei in Ebikon sehr beliebt geworden, wie der Gemeindepräsident der «NZZ» sagte. Am Samstag sei der Detailhändler gut besucht.
Dennoch: Leere Gänge und Plätze, verwaiste Restaurants und häufige Mieterwechsel lassen sich nicht verschweigen. Mit einer aktiveren Kommunikation über Stärken und Schwächen des Betriebs, Ziele und Prognosen würde sich die Mall of Switzerland wohl einen Gefallen tun. Denn geredet wird so oder so. Zu lange schwelt schon der Verdacht, dass in Ebikon schlicht zu gross gebaut wurde.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.
Natürlich ist die Mall zu gross gebaut. Die Betreiber spekulierten damals auch mit Sonntagsverkauf, was bekanntlich scheiterte. Doch wer sieht, wie das Outlet in Medrisio am Sonntag brummt, versteht das grosse Potenzial. Dazu kommen die behördlich verordneten, hohen Parkgebühren.