Lücken in den Regalen

In Luzerner Apotheken werden die Medikamente knapp

In der «Alten Suidtersche Apotheke» wird das Team beim Auffüllen der Regale kreativ, um dem Medikamentenmangel entgegenzuwirken. (Bild: kok)

In der ganzen Schweiz sind Medikamente knapp – und das spürt auch die «Alte Suidtersche Apotheke» in der Stadt Luzern. Mit Tricks beim Regale-Füllen und Hausrezepturen weiss sich das Team zu helfen.

Winteranfang ist stets auch Erkältungszeit – das weiss jeder. Der Gang zur Apotheke für Nasenspray oder im Ernstfall auch ein Schmerzmittel trifft fast jeden. Doch dieses Jahr könnte es sein, dass die Regale nicht so prall gefüllt sind, wie gewohnt. Der Bundesrat warnte bereits im Februar vor Versorgungsengpässen bei Medikamenten –und setzte prompt eine Expertengruppe ein.

Bis Ende Jahr soll die Gruppe prüfen, was gegen die Knappheit getan werden kann. Doch bis dahin müssen sich die Apotheken selber zu helfen wissen. Die Alte Suidtersche Apotheke in Luzern hat sich an die Engpässe angepasst – mit Tricks im Schauregal und selbst angemischten Hausspezialitäten.

In den Regalen werden die Lücken kreativ gefüllt

«Es ist definitiv knapp», erzählt die Pharmaassistentin Tiffany Riedweg. Es fehle zurzeit an vielen Wirkstoffen und an Verpackungsmaterial. Nicht ein besonderer Medikamententyp sei betroffen, sondern eigentlich das gesamte Sortiment. Das erste Mal aufgefallen ist es ihr Anfang des Jahres. «Aber in letzter Zeit hat es noch einmal zugenommen.»

«Ich bin seit 40 Jahren Apotheker und habe so etwas noch nie erlebt.»

Andreas Schürmann, Apotheker Alte Suidtersche Apotheke

Auch im Verkaufsraum der Apotheke nahe der Pfistergasse ist die Knappheit spürbar. «Unsere Wintermedikamentenwand ist fast leer, weil wir kaum noch Erkältungsmedikamente haben», sagt Riedweg und zeigt auf die Wand hinter ihr. Die Mitarbeitenden mussten kreativ werden.

Das Medikamentenregal mit Erkältungsmittels hat einige Lücken.
Das Medikamentenregal mit Erkältungsmitteln hat einige Lücken. (Bild: kok)

Medikamente, die sonst voreinander stehen, werden nebeneinander gestellt, damit das Regal nicht so leer aussieht, erzählt die junge Frau. «Oder wir stellen Dinge nach vorne in den Verkaufsraum, die sonst nicht dahin gehören.» Auch ihre Kollegin Lea Häfliger und der Apotheker Andreas Schürmann bestätigen das.

«Ich bin seit 40 Jahren Apotheker und habe so etwas noch nie erlebt», meint Schürmann. Es sei kein Schweizer Problem, sondern weltweit. Er mutmasst: «Ich glaube, es ist ein Marktproblem. Bei Antibiotika stagniert die Forschung, weil diese Medikamente im Tiefpreissegment angekommen sind.» Es lohne sich für die Firmen schlicht nicht mehr, soviel zu produzieren.

Covid, Krieg und Inflation sind Gründe für den Engpass

Die Alte Suidtersche Apotheke wird vom Medikamentengrosshändler Galexis AG beliefert, einer Tochterfirma des Schweizer Pharmariesen Galenica AG. Auf Anfrage teilt Andreas Petrosino aus der Kommunikationsabteilung mit, dass die Knappheit auch bei ihnen sichtbar ist. «Generell beobachten wir seit einigen Monaten eine Zunahme von Verfügbarkeitsengpässen in der Schweiz, wie sie aber auch in anderen Ländern der Fall ist.» 

Besonders herausfordernd sei die Beschaffung bei niedrigpreisigen Medikamenten. Hier würden die Produzenten den Vertrieb in der Schweiz teilweise einstellen oder aber günstige Ersatzprodukte ihrer Medikamente gar nicht erst auf den Markt bringen. Weitere Ursachen für die Lieferengpässe seien sehr komplex, sagt Petrosino.

«Sowohl die nach wie vor vorhandenen Auswirkungen von Covid – etwa in China –und der Krieg in der Ukraine führen teilweise zu Rohstoffknappheit beziehungsweise hohen Rohstoffpreisen durch Inflation», diagnostiziert der Mann der Galenica AG. Dazu kämen Nachfrageschwankungen und neue Regularien.

Der Bundesrat arbeitet an einer Lösung

Dem Bundesrat sind Lieferprobleme bei Arzneimitteln schon lange bekannt (zentralplus berichtete). Im Februar beauftragte er eine Arbeitsgruppe, bis Ende Jahr einen Massnahmenkatalog zu erstellen. Vorangegangen war ein Bericht des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), der die Knappheit direkt thematisiert und eine Reihe von Optimierungsmassnahmen vorgeschlagen hatte.

Der Apotheker Andreas Schürmann hat in 40 Jahren Tätigkeit eine solche Knappheit nicht erlebt.
Der Apotheker Andreas Schürmann hat in 40 Jahren Tätigkeit eine solche Knappheit nicht erlebt. (Bild: kok)

Bis dahin müssen sich die Apotheken selber helfen. «Wir haben selbst hergestellte Hausspezialitäten mit denselben Inhaltsstoffen wie NeoCitran», erklärt Schürmann. Denn das bekannte Erkältungsmittel war bis vor kurzem nicht mehr verfügbar. Der Apotheker zeigt auf die wenigen Packungen im Regal: «Wir haben gerade erst wieder welche reinbekommen.»

Auch altbewährte Hausmittel können Schürmann und sein Team empfehlen. Zwiebelwickel und Engelwurz zum Beispiel. Bei kleinen Kindern ein bisschen davon auf ein Tuch und dann neben das Kopfkissen legen – das helfe bestens. Insgesamt sei die Situation in den Apotheken jedoch vergleichsweise entspannt. «Es fehlen 700 bis 800 Medikamente im Spitalbereich. Dort hat das alles einen anderen Stellenwert», betont der Apotheker.

Hinweis zu «Hamsterkäufen»

Es besteht keinerlei Grund, Medikamente zu «hamstern». Die Versorgung mit Medikamenten in der Schweiz ist gesichert, so die zuständigen Stellen und auch das Personal der Suidterschen Apotheke. Medikamente sollen nur nach Bedarf gekauft werden und nicht auf Vorrat.

Verwendete Quellen
  • Besuch der Alten Suidterschen Apotheke
  • Schriftlicher Austausch mit Andreas Petrosino von der Galenica AG
  • Medienmitteilung des Bundesrats
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